Little Drummerboy

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Mikes POV

„Ähhh, Entschuldigung?"

Ich war gerade dabei mit Anna über den Schulhof zu schlendern, als uns auf einmal ein Junge ansprach. Er war zwar fast so groß wie ich, sah aber alles in allem eher wie ein Volksschüler aus.

„Was gibt's denn?"

„Du hast doch diese Band, oder?"

„Was meinst du? Die Schulband?"

Der Kleine schüttelte den Kopf. „Nein. Deine Band. Xero."

Verblüfft sah ich Anna an, die nur mit den Schultern zuckte. „Wahrscheinlich hat sich das herumgesprochen."

„Ähhm, ja, ich habe mit zwei Freunden eine Band gegründet."


„Darf ich mitmachen?" Unsicher lugte er unter seiner Kappe hervor und ich blickte verdattert zurück. Immerhin wurde man das nicht jeden Tag gefragt.

„Spielst du überhaupt ein Instrument?", war daher das einzig Sinnvolle, das mir auf die Schnelle einfiel.

„Klar." Wieder nickte der Kleine. „Schlagzeug."

Ich musste sagen, das Angebot klang nicht schlecht. Vor allem, da unsere Band keinen Drummer hatte. Allerdings konnte ich ihn in meiner neuen Rolle als Band-Chef nicht einfach so einstellen, erst musste sein Talent auf die Probe gestellt werden. Und ich musste die anderen beiden fragen.

Anna schien mein Zögern zu bemerken, denn sie stupste mich von der Seite aus an.

„Lass ihn doch einfach etwas vorspielen und entschiede dann."

Das erschien mir logisch und so begab ich mich mit Anna und dem kleinen im Schlepptau Richtung Bandraum, dem einzigen Raum der Schule, der nie zugesperrt war, was unserem Lehrer zu verdanken war. Und das, obwohl dort drinnen mehr wertvolle Sachen waren als in der ganzen Schule zusammen...


„Meine Freunde!" Im Keller hatten uns Joe und Brad eingeholt. Ich hatte es nicht für nötig gehalten, sie zu informieren, da sie ohnehin immer dann auftauchten, wenn man sie nicht brauchen konnte. Und auch wenn man sie brauchte. Eigentlich immer, als hätten sie mir einen Peilsender auf den Kopf geklebt!

„Gut dass ihr da seid! Ihr habt nämlich jemanden, der gerne bei Xero mitmachen würde."

Anna zeigte auf den Jungen, woraufhin ihn die beiden genau musterten.

„Was spielt er denn?", fragte mich Joe, allerdings kam der Kleine meiner Antwort zuvor.

„Schlagzeug." Er überlegte kurz, ob er noch etwas hinzufügen sollte, ließ es aber dann. Offenbar war er kein Mann der großen Worte. Oder einfach nur sehr schüchtern, wie Anna später mutmaßte.

„Na dann zeig uns mal, was du drauf hast." Joe bugstierte ihn kurzer Hand in den Bandraum und wir folgten.

„Was soll ich denn spielen?" Nervös spielte der Kleine mit seinen Drumsticks, während er hinter dem Schlagzeug Platz nahm.

„Einfach irgendwas", schlug ich vor, was er sich nicht zweimal sagen ließ, sondern gleich loslegte.


Er war gut. Genauer gesagt, genial gut. An Brad und Joes anerkennendem Nicken erkannte ich, dass auch sie sichtlich beeindruckt waren.

Und so klatschen wir erst einmal, als der Kleine wieder aufstand und sich schüchtern verbeugte.

„Gehen wir kurz raus und beraten uns?", schlug ich vor und marschierte mit den beiden los, obwohl unsere Entscheidung schon feststand. Was auch Anna kapiert hatte.

„Seid ihr blöd? Warum wollt ihr den Kleinen unnötig auf die Folter spannen? Es steht doch ohnehin schon fest, dass ihr ihn nehmt."

„Da hast du nicht ganz Unrecht." Nachdenklich fuhr sich Brad durch seine Locken und Joe nützte die Gelegenheit, um wieder einmal einen Streit anzuzetteln.

„Hast du also endlich eingesehen, dass du blöd bist."

„Schluss jetzt!" Ich stellte mich zwischen die beiden, was zur Folge hatte, dass ich von beiden Seiten von bösen Blicken durchbohrt wurde.

„Du darfst mitmachen", präsentierte ich schließlich unsere Entscheidung, woraufhin der Kleine übers ganze Gesicht strahlte und sich gefühlte tausend Mal bei uns bedankte.


„Wie heißt du eigentlich?" Fragte Brad schließlich, als die Tür des Bandraums wieder hinter uns ins Schloss fiel. Darauf hatte ich jetzt ganz vergessen!

„Rob."

„Ah, Rob! Herzlich Willkommen bei Xero! Ich bin Brad, der Gitarrist", er schüttelte ihm die Hand, „das ist Joe, unser DJ und unser Bandgenie aka Keyboarder und Rapper heißt Mike." Nach einem kurzen Blick auf mich fügte er noch grinsend hinzu: „Und das ist seine Ehefrau, Anna."

„Ich bin nicht mit ihm verheiratet!", protestierte sie sofort, aber weder Brad noch Joe wichen von der Meinung ab.

Nie im Leben bin ich mit Mike zusammen!", äfften sie ihren Tonfall nach und Anna seufzte. Diese Aussage würde sie wohl bis an ihr Lebensende begleiten.


Annas POV

Mike war überglücklich mit seiner Band, die von Brads Nachbar, Dave, komplettiert wurde. Zudem übersiedelten sie aus Mikes Zimmer in die Garage, wo sie auch nach einigem Überlegen Robs Schlagzeug lagerten. Und so waren die fünf nach der Schule oft stundenlang in der Garage, während ich entweder Mrs Shinoda in der Küche half oder mich zu den Jungs in die Garage setzte und Seite um Seite meines Notizblockes füllte. Kurz: Wir waren alle glücklich.

Und wenn die Jungs dann genug geprobt hatten, blieben sie oft zum Essen, wodurch wir meist mehr lachten als aßen. Mrs Shinoda kannte außerdem die Eigenarten der Jungs und schaffte es irgendwie, immer das auf den Tisch zu zaubern, was allen schmeckte. Die größte Herausforderung waren dabei ganz klar Joe und Rob, da der eine Fleisch über alles liebte und sich der andere mehr oder weniger vegetarisch ernährte.

Die anderen beiden waren da schon wesentlich einfacher, denn Dave brauchte nur Nachtisch um glücklich zu sein und Brad aß ohnehin alles, vorausgesetzt es gab noch eine zweite Portion.

Und ich war einfach nur froh, nicht mit meiner Familie essen zu müssen.


Apropos Familie: Die wusste natürlich nach wie vor nichts von meiner Beziehung mit Mike, dafür stand ich aber nach wie vor jeden Tag um 19 Uhr 59 mit erledigter Hausübung und vollem Bauch vor der Tür meines Hauses.

Mike begleitete mich nach wie vor nach Hause, auch wenn wir uns jetzt schon einige Meter vor meinem Haus verabschiedeten, wo wir dank einer Hecke für meine Eltern nicht sichtbar waren.

Und so vergingen die Wochen bis Schulschluss. Jessica ignorierte mich zwar weitgehend, was ich aber nicht weiter schlimm fand, vor allem, da ich mit Grace eine echte Freundin gefunden hatte, mit der ich über meine Sorgen sprechen konnte. Zwar nicht so wie mit Mike, aber ich konnte ihr zumindest sagen, wie sehr mich der Kontrollwahn meiner Eltern belastete.

Generell verbesserte sich die Stimmung in der Klasse zusehends und Michelle war mehr als bemüht, diese positive Stimmung auch auf Jessica zu übertragen.

Was sie anging, Mike hatte Recht gehabt. Am Anfang hatte ich sie töten wollen, aber mittlerweile schaffte ich es sogar, sie mit einem ehrlichen Lächeln zu begrüßen, auch wenn mir klar war, dass wir wohl nie beste Freundinnen werden würden.

Mike ergatterte mit seiner Band Auftritte bei Geburtstagsfeiern unserer Mitschüler und sie durften sogar schon in einem Club als Vorband für eine mindestens genauso unbekannte Band auftreten. Aber das machte ihm nichts aus, er war überglücklich, wirklich mit einer Band spielen zu können.

Und so kam schneller als gedacht der letzte Schultag, der zugleich mein Geburtstag war.

To be Continued

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