Kapitel 33

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Sam's POV

Wie spät es wohl ist? Was war passiert?
"W-wo bin ich...?" Stöhnend drehte ich mich auf die Seite und kniff die Augen von dem grellen Licht wieder zusammen. Mein Arm und vor allem meine Hand tat höllisch weh. Was war nur passiert? Ich hatte absolut keine beziehungsweise nur noch spärliche Erinnerungen an die letzte Nacht. Oder den letzten Tag? Selbst mein Zeitgefühl war völlig im Arsch. Das Einzige, woran ich mich erinnern konnte, war, dass ich einen höllischen Trip geschoben hatte. Was hatte Luke mir da gegeben? Aus meinem inneren Gefühl aus würde ich vermuten, dass mein Trip länger als 9 Stunden gedauert hatte und das war schon eine krasse Zeit. So lange war ich bis jetzt noch nie drauf gewesen. Obwohl ich meinte mal gelesen zu haben, dass die Zeit, die man auf einem Trip war, einem meist kurzer vorkam, und im wesentlichen viel mehr Zeit verstrichen war.
Mein Kopf drohte zu explodieren. Mein Magen rebellierte. Ich spürte, wie die Magensäure hochgurgelte. Schließlich kotzte ich alles aus, was meinen Körper belastete. Erschöpft ließ ich mich zurück auf den harten, rauen Teppich fallen und ließ meinen Arm auf meine Augen sinken. Ich wollte nichts weiter, als hier einfach zu liegen, auf diesem verdreckten, kalten Boden neben meiner Kotze und warten, bis es mir besser ging. Ich fühlte mich so verdammt scheiße. Es war nicht die typische Erfahrung nach einem Kater. Nein. Es war wesentlich qualvoller.
Bei jeder Bewegung, die ich tat, und wenn es nur ein Atemzug war, spürte ich, wie sich meine inneren Organe dagegen wehrten und anfingen zu rebellieren. Die Magensäure fing an zu blubbern und kurze Zeit später wollte sie schon aus meinem Mund. Mein Kopf fühlte sich an, als würde jemand im Sekundentakt immer wieder mit einem Hammer draufschlagen. Der ganze Boden fühlte sich an, als würde er vibrieren. Meine Gliedmaßen schmerzten bei jeder Bewegung und meine nackten Füße fühlten sich an wie Eisblöcke. Es war bestimmt unter 20 Grad in diesem Raum. In welchem Raum lag ich überhaupt? Ächzend hob ich langsam meinen Kopf und versuchte meine Organe unter Kontrolle zu bekommen, als ich mich umsah. Sie rebellierten wie verrückt. Vor mir stand die zerfledderte Couch und daneben befand sich ein kaputtes Regal, welches höchst wahrscheinlich umgefallen und dann in alle Einzelteile zersprungen war. An den Seiten quilten irgendwelche Bücher und Zeitschriften hervor und woanders waren sie auf dem Boden verstreut. Das 'Wohnzimmer' sah aus, als wäre eine Atombombe dort eingeschlagen und nicht danach, als hätte ein zwanzig-jähriges Mädchen einen Höllentrip geschoben. Was zum Teufel war hier nur passiert? Ich hatte keine Zeit mir weiter Gedanken drum zu machen, denn kurz darauf verließ der nächste Schub Magensäure meinen Hals. Seufzend wischte ich mir mit meinem T-Shirtsaum einmal über den Mund und versuchte mich aufzurappeln.
Mein Blick fiel auf meine Hände. Sie waren trocken und rissig. Würde mich nicht wundern, wenn sie bald anfingen zu bluten.
Schmerzend hielt ich mir meine Seite und stütze mich an der Couch ab. Würde das jetzt mein ganzes Leben lang so weiter gehen? Und schon spürte ich wie meine Augen feucht wurden. Eine Träne stahl sich aus meinem Augenwinkel und begab sich meine Wange hinunter.
Ohne es zu wollen fing ich hemmungslos an zu schluchzen. Ich hatte sowas von die Schnauze gestrichen voll. Warum wollte mir jeder nur Leid und Qualen antun? Was hatten die verdammten Mistkerle davon?
Verzweifelt versuchte ich die immer mehr aufkommenden Tränen aus meinen Augen wegzuwischen. Ich hatte keine Zeit zu heulen. Ich hatte keine Lust ihnen Schwäche zu zeigen. Ich wollte verdammt nochmal keine Schwäche mehr zeigen. Es brachte sowieso nichts hier rum zu heulen. Wütend grub ich meine Fingernägel in meinen Oberschenkel um die aufkeimende Wut und die bestehende Trauer zu vertreiben. Mein Kopf hob sich zur Decke. Ich beobachtete die feinen Risse, die sich von Ecke zu Ecke zogen und ein undefinierbares Muster bildeten. Ich wollte nicht mehr an all den Schmerz, das Vermissen, meine verschwundenen Erinnerungen und den steten Gedanken, dass ich hier vielleicht nie wieder rauskommen würde, denken. Ich wünschte mir nichts sehnlicher als endlich die Freiheit auf meinen nackten Armen und Beinen zu spüren. Ich wollte sie auf der Zunge schmecken. Das Gefühl, frei zu sein und tun zu dürfen, ohne Angst zu haben, dass mir irgendwer mit Schlägen droht. Ich wollte so gerne mein altes Leben zurück. Doch je mehr ich drüber nachdachte, desto mehr wurde mir schmerzlich bewusst, es wird nie wieder so sein, wie es einmal wahr.
Ich senkte meinen Kopf und blieb automatisch an meinem rechten Arm hängen. Die Wunden waren lila angelaufen. Die Brandwunde war feuerrot. Wieder mal wurde mir bewusst, dass ich dieses Mal für immer behalten werden würde. Das war mein Schicksal.
"Verdammte Scheiße!" Wütend krachte meine Faust auf den kleinen Holztisch vor mir. Irgendwas fiel scheppernd zu Boden und ich hörte wie das Holz knackte. Ängstlich öffnete ich langsam meine Augen und mein Blick schweifte zum Boden. Vor mir lag ein... "Ein Handy?" Meine Stimme war kaum mehr als ein leises Flüstern. Mein Hals war unendlich trocken. Jemand war hier gewesen. Und jemand hatte es hier vergessen. Ohne mir großartig Gedanken zu machen, wer es hier liegen gelassen hatte griff ich danach und ließ das schwere Smartphone durch meine Finger gleiten. Ohne zu Zögern drückte ich den Homebutton und der Entsperrbildschirm kam zum Vorschein. Kurzerhand wischte ich über den halbnackten Körper irgendeiner Frau und drückte sofort auf 'Kontakte'.
Ich bekam nur noch schleierhaft mit, wie meine Finger von ganz alleine eine Nummer eintippten. Langsam hielt ich das Telefon an mein Ohr und hörte das mir vertraute Tuten.
"Hallo?" Es war, als würde die Zeit stehen bleiben. Wie lange es wohl her war, dass ich seine Stimme gehört hatte? Mein Herz setzte aus. Meine Finger wurden heiß und fingen an unkontrollierbar zu zittern.
"Brian?", ganz leiste flüsterte ich, aus Angst er könnte direkt wieder auflegen. "Oh mein Gott, Sam?! Bist du es? Wo bist du? Wie geht es dir?" Es tat so gut seine Stimme zu hören. Es war so eine verdammte Ewigkeit her gewesen. Ich bemerkte gar nicht, wie ich anfing zu weinen, bis meine Wangen nass wurden und meine Finger benetzten. Ein Schluchzen drang aus meiner Kehle. Ich zog die Beine an und legte meine Kopf drauf ab. Ich hätte alles für eine Umarmung von ihm gegeben. Einfach alles. Er rief immer mehr Fragen in den Hörer, doch ich war einfach nicht fähig zu antworten. Ich war zu glücklich ihn zu hören. Seine Stimme klang ganz wie die Alte. So, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Wie flüssiger Honig.
"Brian... Ich-"
"Du weißt, was dich jetzt erwarten wird, oder meine Hübsche?" Erschrocken fuhr ich hoch und begegnete den kalten Blick von Julian. Er war hier. Er hatte alles mitbekommen. Ohne es zu bemerken fiel sein Handy scheppernd auf den Boden und sofort löste sich der Akku aus dem Gehäuse und rutschte über den Boden zu ihm. Sofort schnellte sein Kopf zum Boden und seine emotionslose Miene verwandelte sich in blanken Zorn.
"Julian, ich... es tut mir leid, ich wollte nur-"
"Ist mir klar, was du wolltest du verdammte Hure! Ein Wunder, das du noch nicht tot bist, aber glaub mir..." Langsam trat er auf mich zu und ballte seine Hände zu Fäusten, "...nach dieser Nacht wirst du dir wünschen es zu sein. Ich werde dir die schlimmsten Albträume bringen, die du je gesehen hast. Dein Arm dagegen war gar nichts." Verächtlich spuckte er mir vor die Füße und machte sich an seinem Gürtel zu schaffen. "Nichts, war es dagegen! Gar nichts!"
Kaum hatte ich zweimal geblinzelt, hatte er sich schon den Gürtel aus der Hose gezogen und wickelte sich den Riemen seelenruhig zweimal um den Handrücken, als gäbe es nichts entspannenderes auf der Welt, als das alte Leder auf der Haut zu spüren. Wie verdammt ironisch das einfach nur war.


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Ich liebe euch, dass es einfach übers Wochenende jetzt schon über 3K Reads geworden sind. Ihr wisst gar nicht, wie sehr mich das freut, dass so viele meine Geschichte zu ihren Leselisten hinzugefügt haben und gevotet haben, danke.
Das hat mir mein Wochenende wenigstens ein bisschen versüßt :)
Ich bin zurzeit immer noch sehr im Stress, deswegen kommen die Updates nur gelegentlich, wenn ich Zeit habe.
Aber ich würde mich trotzdem freuen, wenn ihr Kommentare und vielleicht auch Votes dalassen würdet :3
- Ricola

the boy's girlWhere stories live. Discover now