Kapitel 51

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Sam's POV

"Sammy, es wird alles gut werden." So besorgt er auch war, aber so sehr veranlasste es, dass ich mich mehr zurück halten musste, um nicht in Tränen auszubrechen. Ich hatte verdammt Angst. Der Blick von Dr. Freeman hatte mir gar nicht gefallen. Sie hatten etwas gefunden. Ganz sicher. Es war wie ein bestätigendes Bauchgefühl, was mein Körper von sich gab. Irgendwo in mir drin wusste ich, dass es etwas gab. Und es war nicht gut.
"Woher willst du das wissen?" Skeptisch sah ich zu ihm hoch und piekste ihn in die Seite. Immer noch beruhigend lächelte er mich an und schob mich weiter bis zu den Wartezimmern. "Ich weiß es einfach okay? Jetzt mach dich nicht verrückt." Auf seine Aussage hin zog ich eine Augenbraue hoch. Einfacher gesagt als getan. "Ich soll mich nicht verrückt machen? Hör mal, was glaubst du was gleich kommt? Er wird bestimmt nicht sagen - Oh ihnen geht es ganz wunderbar - garantiert nicht", fuhr ich ihn aufgebracht an und stieß die Türe auf. Sofort verstummte ich, als ich in die Gesichter der Menschen sah, die wahrhaftig hier waren, weil sie Probleme hatten. Probleme mit Krankheiten, wo die Chance auf das Kämpfen vom ersten Augenblick an gleich null stand, Probleme, die man so schnell nicht wieder vergessen würde. Einmal mehr machte es mir klar, dass ich eigentlich nicht das recht hatte, mich hier so aufzuführen, als hätte Dr. Freeman schon das Schlimmste gefunden. Ich fühlte mich schlecht, weil ich nicht mal wusste, was ich hatte, während andere seit Jahren damit kämpften. Schweigend ließ ich mich auf einen der Plastikstühle sinken und angelte mir eine Zeitschrift von dem überfüllten Tisch vor mir. Brian wollte noch irgendwas zu mir sagen, aber mein vernichtenden Blick ließ ihn schweigen.
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Na, wenn die sonst keine Probleme haben.
Fast hatte ich vergessen, wie unglaublich uninteressant Klatschzeitungen sein konnten. Das gab mir einmal mehr einen Grund, so einen Rotz nicht zu lesen. Aber was blieb mir anderes übrig, wenn ich die Zeit umkriegen wollte? Kreuzworträtsel? Nein danke, da war ich als Kind schon super schlecht drin gewesen. Und mit Brian wollte ich gerade auch nicht reden, außerdem tippte er sowieso auf seinem Handy herum. Neugierig linste ich auf seinen Bildschirm, doch im entscheidenen Moment, schirmte er es ab und packte es zurück in seine Hosentasche. Als er mich anlächelte, wandte ich mich stirnrunzelnt ab. Bockig verschrenkte ich die Arme vor der Brust.
Ich hasste es zu warten. Nichts war unangenehmer, als im Wartezimmer zu hocken und gelegentlich angestarrt zu werden, während man irgendwelche Flyer durchging und versuchte die Zeit rumzukriegen. Na ja, abgesehen von einer Wurzelbehandlung. Fünf Stunden befand ich mich nun schon in dem Krankenhaus und mein Unterbewusstsein schrie mir zu, dass diese Wartezeit nicht normal wäre. Doch ich wollte es nicht wahr haben. Ein kleiner Teil meinerselbst hielt daran fest, dass es vielleicht nur um doppelte Sicherheit ging. Ich legte den Kopf in die Hände und seufzte tief. Eine Scheiße nach der nächsten. Nie hörte es auf. Sah wohl so aus, als hätte mein Glück mich langsam aber sicher verlassen.
Ich wusste nicht, was mich erwarten würde. Die Chance, dass es nichts gab, was gefährlich werden würde stand 50/50. Dr. Freemans forschender und drängender Blick war mir nicht entgangen. Zu sagen, ich wäre nervös, wäre denkbar untertrieben gewesen. Meine Hände waren schwitzig und meine Gedanken kreisten um den seltsamen Blick von meinem Arzt, als er sich meine Wunden angesehen hatte. Noch immer hatte ich Überreste von blauen Flecken, die langsam abklungen, und Julian's sah man immer noch deutlich. Wen wunderte es. Schließlich hatte er es mir reingebrannt. Die Kruste allerdings begann mittlerweile sich zu lösen und das hieße, dass der Heilungsprozess voranschritt. Die Schnittwunde auf meinem linken Unterarm war nur noch als ganz feine Linie zu erkennen. Wusste der Teufel was für ein Messer er benutzt hatte. Dr. Freeman meinte, es sei sehr unwahrscheinlich, dass es sich dabei um ein normales Küchenmesser gehandelt hatte. Da Küchenmesser weniger Spuren hinterlassen und nicht so viele Hauteinheiten beschädigen würden. Hätte ich mir auch denken können, dass Liam mit seinem Beruf andere Messer benutzte. Schließlich tötete er damit auch und wer wusste schon wie lange man im Vergleich mit einem Küchenmesser brauchen würde?
Auch die vielen körperlichen Untersuchungen, Röntgenaufnahmen und CTs waren anstrengender gewesen, als ich es für möglich gehalten hatte. Ich war erschöpft. Meine Augen brannten und drohten jeden Moment zuzufallen. Allen vorran, weil ich mich selbst verrückt machte.
Selbst die Arzthelferin hatte dumm aus der Wäsche geschaut, als sie je einem Arm betrachtet hatte. Zwar war es besser geworden, aber ich hatte noch Rückstände. Viele Rückstände. Wahrscheinlich, weil sie mit so vielen sehbaren Wunden nicht gerechnet hatte, doch was kümmerte es mich.
Allen vorran beschäftigte mich nur eine Frage: Wer war schließlich ins Gefängnis eingebrochen und hatte Julian umgebracht, aber Luke am Leben gelassen? Es ergab keinen Sinn. Sie waren beide Dreckssäcke. Für mich kam da nur eine Person in Frage. Obwohl ich es nicht wollte, spukten mir seine tiefbraunen Augen immer noch in Träumen hinterher. Mein Körper wollte nicht loslassen. Mein Unterbewusstsein hatte noch immer die Befürchtung, dass sie kommen würden. Irgendwann... und doch, war da diese winzig kleine Hoffnung, dass sie von mir abließen. Jedes Mal, wenn mich dieser Gedanke bestritt, kam ich mir oft ziemlich dumm vor. Es war klar, dass sie nicht locker lassen würden, schließlich könnte ich ab jetzt fröhlich jedem alles erzählen.
Aber Liam hatte ein Motiv ihn umgebracht zu haben. So wie er an der Gerichtsverhandlung wegen dem Mal an die Decke gegangen war. Seine Worte, die er mir fast sechs Wochen zuvor an den Kopf geknallt hatte, würden diese Vermutung bestätigen. Andererseits... genauso gut hätte es auch Zayn mit Nialls Hilfe tun können. Und das alles ohne erkannt zu werden. Es war doch zum verrückt werden! Niemand brach in ein Gefängnis ein, ohne erkannt zu werden?!
Ich wollte das alles nicht. Ich wollte hier weg. Unbehagnis spukte durch meinen Körper und ließ mich erzittern. Es brachte mich dazu mir sämtliche Szenarien auszumalen, die mir gesagt werden könnten. Einmal mehr stellte ich mir vor, wie es wäre, einfach wegzufahren und nicht wieder zu kommen. "Brian?"
"Hm?" Der Junge neben mir griff nach meiner Hand und drückte sie einmal beruhigend. Dankbar lächelte ich ihn an und legte meinen Kopf auf seine Schulter. "Ich möchte wegfahren. Und einfach alles hinter mir lassen. Wie wäre das?" Sein Geruch erfüllte mich. Eine Mischung aus ihm und seinem Aftershave. Ich genoss seine Wärme und schloss für einen Moment meine Augen um mich dem Gefühl hinzugeben, woanders zu sein. Am Meer beispielsweise. Fast spürte ich den feinen Sand unter meinen Fingerkuppen, als ich mich in den Sand gleiten ließ und mit den Zehen kleine löcher in die Erde grub. Die Wellen rauschten in meinem Kopf, als ich die Augen schloss und der Duft nach Salz, Meerluft und Fisch erfüllte mich. Tief atmete ich ein. Brians gleichmäßiges Atmen veranlasste mich dazu, mich ihm anzupassen. Für diesen kurzen Augenblick war ich woanders. Und verdammt, es fühlte sich wirklich gut an.
Bis die Arzthelferin schließlich das Zimmer betrat und mich aufrief. Sofort zerplatzte meine Blase aus Wärme, Zuversicht und der Hoffnung, alles möge gut werden. Das Meer verschwand und der weiche, warme Sand löste sich augenblicklich in Luft auf.
Brian versuchte es mir schließlich noch entgegen zu bringen, als er meinen ängstlichen Blick bemerkte: "Es wird alles gut werden, Sammy. Vertrau mir." Das wollte ich. Das wollte ich wirklich, doch mein Unterbewusstsein riet mir dazu es nicht zu tun. Es war, als würde mein Inneres schon wissen, was ich gleich hören würde. Meine Nervosität wuchs mit jedem Schritt, den ich der Arzthelferin gleich tat. Ich klammerte mich daran, dass ich nicht alleine sein werde, wenn ich wieder heraus kam. Brian würde warten und er hatte mir versprochen mir Blaubeermuffins mitzubringen. Für jede Stunde einen.
Mein Lächeln erstarb, als sie die sterile, weiße Tür hinter mir zuschob und ich mich auf die Liege setzte. Ich war dankbar, dass der Arzt sofort begann und mich nicht lange auf die Folter spannte. "Nun, Miss Vintschester... unsere Untersuchen sind alle positiv verlaufen..." Erleichtert atmete ich aus und sofort fiel sämtliche Last von meinen Schultern. "... allerdings wäre da noch etwas bei den Ultraschallbildern, was uns aufgefallen ist." Ultraschallbilder... Bauch... Gebärmutter... Sofort versteifte ich mich und heftete meinen Blick auf die Unterlagen, die Dr. Freeman in den Händen hielt. Studierend sah er sie genauer an, bis er sich schließlich die kleine Brille zurück auf die Nase schob und zu mir herunter sah. Er zog sich einen Rollstuhl heran und setzte sich. Kurzerhand überschlug er die Beine und ich hätte ihn fast angesprungen, dass er es jetzt doch tat und mich warten ließ. "Was ist denn?", fragte ich ungeduldig und wippte mit meinem Bein auf und ab. Meine Hände verkrampften sich und abwechselnd schob ich den Ärmel meines Hoodies rauf und wieder runter. Er räusperte sich: "Als sie entführt wurden... mussten sie doch sicherlich viele Tritte aushalten, nicht wahr?" "Tritte, Schläge, würgen... die Liste ist lang Dr. Freeman", fügte ich verbittert hinzu und legte die Stirn in Falten. Er nickte und fuhr fort: "Nun ja... Sie wissen, dass sie seit ihrer Geburt eine Fehlbildung ihrer Eileiter und Eierstöcke haben, nicht?" Still nickte ich und sah ihn neugierig an. Was wollte er mir sagen? "Durch die Tritte und die Gewalteinwirkung, die Sie erlitten haben, wurde die Fehlbildung stark beeinträchtigt, was nicht weiter schlimm wäre, wenn...", er verstummte, sah nochmal über seine Unterlagen und schob erneut seine Brille zurecht. "Wenn?", hakte ich heiser nach und verknotete meine Hände miteinander. Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde Centimeter für Centimeter aus meiner Brust herausgerissen werden, je länger er mich warten ließ. "Wenn man außer Acht lässt, dass der Eierstock keine Eizellen mehr produzieren kann, die befruchtet werden können. Durch die Gewalteinwirkung wurde der Eierstock so stark beschädigt, dass erneutes Produziern von Eizellen nicht mehr möglich ist. Demnach heißt dies..." Ich kann nicht schwanger werden. "Es tut mir wirklich sehr leid, Miss Vintschester. Wenn sie einen Moment Ruhe brauchen, dann..." "Wie schlimm ist es?" Es fühlte sich an, als würde ein Roboter aus mir sprechen. Natürlich hatte ich nicht vor jetzt Kinder zu bekommen. Doch der Gedanke, dass mir die Chance für immer genommen wurde, fühlte sich gleich viel anders an. "Ich m-meine...", kurz räusperte ich mich und blinzelte die aufkeimenden Tränen fort, "gibt es denn gar nichts, was man dagegen machen kann? OP's? Transplantationen?" Meine Stimme war nur noch ein leises Flüstern. Ich betete zu Gott, dass wenigstens das noch möglich war. Dann würde ich Geld sammeln, Geld um diese OP's zu machen. Oder sonst irgendwie etwas. Stumm blickte er mich an, klappte seine Akte zu und sprach: "Es tut mir leid. Nein. Leider nicht." Erstarrt riss ich meine Augen auf. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Eine Hand ergriff meine und führte mich aus dem Behandlungszimmer. Ich konnte nicht schwanger werden. Niemals wieder. Ich würde meine eigenen Kinder nicht aufwachsen sehen. Würde niemals sagen können ob es meine Augen oder meine Nase hatte. Ob seine Eigenschaft von mir oder meinem Partner wäre. Würde nicht sauer werden, wenn es ungewollt eine Party schmiss und würde nicht mitweinen, wenn ihr Hamster starb. Nichts dergleichen würde ich mehr erleben können.
Meine Sicht verschwamm und ich nahm kaum war, wie sich mir jemand entgegen stellte. Selbst die Tränen, die sich auf meiner erhitzten Wange sammelten, spürte ich. Es war nichts. In mir breitete sich eine unfassbare Leere aus. Ich konnte nicht atmen. Meine Luftröhre schnürte sich zu. Meine Ohren rauschten stärker und mein Körper hyperventilierte. Meine Venen verengten sich, verhinderten den Bluttransport. Meine Beine zitterten und mein Atem verschnellerte sich. Automatisch grub ich meine Hände in ein weiches T-Shirt, welches an meinen Körper gepresst war. Ich wollte nicht... Ich konnte nicht... Niemals wieder... Keine klaren Sätze konnte mein Gehirn formen. Nicht mal einen.
"Hey... Sammy... es wird alles wieder gut." Wütend stieß ich den Jemand vor mir weg. "Nein!" stieß ich gepresst aus, "nichts wird mehr wieder gut. Alles was ich erlebe ist schlecht. Alles!" Schluchzend stemmte ich die große Tür auf und rannte hinaus in den Regen. Wie passend.
Der Regen kam mir heißer vor, als meine Tränen, die wie in Sturzbächen hinunterrannen und mit dem Wasser vom Himmel eins wurden. Ich schwankte und wollte mich an einem Laternenpfahl festhalten, doch meine Beine gaben schon nach. Weinend sackte ich in mich zusammen und griff mir an den Bauch. Er verkrampfte sich und schien sich abgesprochen zu haben. Abgesprochen zu haben mit meinem Herzen. Es wurde gebrochen. Wieder und wieder. Jedes Mal, wenn ich daran dachte. Jedes Mal, wenn mein Gehirn einen Gedanken an lächerliche kleine Finger und zweifarbige Augen verschwendete. Oder an Kinderlachen. Niemals wieder. Keine Chance.
Starke Arme griffen nach meinen Schultern und zogen mich hoch. Gleich darauf gaben meine Beine wieder unter mir nach, doch mein Sturz wurde aufgehalten. Ich wollte nicht aufstehen. Nicht jetzt. Dieses Mal war ich wirklich gefallen. Und ich war nicht stark genug, alleine wieder aufzustehen. Mir fehlte der Anker. Er wurde mir durch einen jämmerlichen Satz so brutal entrissen, dass ich glaubte ich würde ersticken. Noch immer.
Die bloße Vorstellung gleicht niemals dem, was einen erwartet, wenn es die Wirklichkeit ist.

the boy's girlWhere stories live. Discover now