Hope dies here

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1.Kapitel:
Kompaniechef Karsten Fuchs war kein Anstandsmann. Er half keinen alten Frauen die Strasse zu überqueren, spendete kein Geld an die Wohlfahrt und hielt auch keinen Kontakt zu seinen Eltern aufrecht. Er gab sich nach außen cool und gelassen und tat so, als hätte er alles unter Kontrolle. Doch Innerlich überkam ihn immer dann Panik und alle Alarmglocken schrillten um die Wette, während sein Verstand versuchte eine, für ihn optimale, Lösung zu finden. Wenn nicht er, wer sollte dann bei ihm an erster Stelle stehen? Und auch dieses mal war es nicht anders:

---Außenposten der Viktorianischen Luftmarine, Uralgebirge---

Kompaniechef Fuchs lehnte sich zufrieden in seinem Ledersessel zurück und betrachtete den Stapel an erledigter Arbeit. Als Chef eines Außenpostens, der schon vor einem Jahrhundert nutzlos war, hatte er nicht viel Arbeit zu tun und noch weniger Verantwortung zu tragen. Jedenfalls, wenn es nach ihm ging.
Bei Inspektionen durch seine Vorgesetzten versuchte er jedoch zu glänzen und trieb seine Untergebenen zu Höchstleistungen an. Dass der Außenposten an manch anderem Tag seinen Nutzen verlor bemerkten die Kontrolleure jedoch nie. Und so war es auch vergangene Woche gewesen, als Oberinspekteur Samuel Noble die ausgezeichnete Arbeit des Kompaniechefs und seiner Mannschaft lobte und Fuchs versprach, ein gutes Wort bei dessen Vorgesetzten für ihn einzulegen. Karsten Fuchs gab sich bescheiden. Allerdings witterte er sofort die Möglichkeit, auf die er so lange gewartet hatte: zurück in London eine Führungsposition zu belegen und vielleicht irgendwann einmal Admiral werden. Er würde über beinahe unbegrenzte Macht verfügen, denn Admiral wäre für ihn dann nur noch ein Zwischenstopp auf der Karriereleiter der Viktorianischen Luftmarine.
Seinen Träumen und Zukunftsplänen ganz ergeben, stützte er sich auf Zinnen der Mauer, die das Viktorianische Reich von dem der Osmanen trennte und nippte an seinem eisgekühlten Gin. Er suchte diesen Platz in letzter Zeit öfter auf, um sich seine derzeitig so bedeutungslose Lage immer wieder vor Augen zu führen. Bald würde er diesen Nutzlosen Stützpunkt verlassen. Dann konnte seinetwegen eine Armee diesen Stützpunkt überrennen oder ein beschissener Komet dort einschlagen. Er ließ seinen Blick über das sich ihm bietende, friedliche Szenario schweifen: die karge Landschaft war durchzogen von Vulkankratern und haufenweise Geröll. Allerdings konnte man zwischen den kantigen Felsbrocken kleine Pflanzen ausmachen, Vorboten des nahenden Frühlings. Sie trotzten Wind und Wetter und überlebten nahezu jeden Winter, begraben unter einem Felsmassiv der Superlative.
Auch er harrte nun schon seit über 2 Jahren auf diesem Stützpunkt aus und ließ nicht zu, dass die Depression der Einsamkeit ihn hier draußen einholte, sondern erhielt seine Träume am Leben. Allerdings ist auch durchaus zu sagen, dass Fuchs es durchaus vermochte einen exzessiven Lebensstil zu führen, der hauptsächlich darauf basierte, Prostituierte einzuladen, um sich mit ihnen in zahlreichen Orgien zu vergnügen. Außerdem beanspruchte er den meisten, von weit her gelieferten Alkohol für sich und hatte dementsprechend auch gut Fett angesetzt, da er eine Vorliebe für Donuts mit Zuckerguss hatte. Körperliche Aktivitäten verabscheute er wie fast nichts anderes. Er regelte seine Probleme auch früher schon lieber mit Grips als im Kampf.
Nach dem Glas Gin und einer Packung Donuts fühlte er sich wohl und wollte wieder in sein Büro, damit ihn keiner seiner Gefolgsleute mit unnötigen Problemen wie mit Wasserschäden oder dem langwierigen Thema der Risse in der Verteidigungsmauer belästigen konnte. Allerdings erschien just in diesem Moment Vize-Kompaniechef Jonathan Bailee. Bevor dieser etwas sagen konnte, fuhr Fuchs ihn mit gefährlich leiser Stimme an " Wenn du keinen guten Grund hast mich jetzt noch zu belästigen dann gnade dir Gott.... Ich bin ein vielbeschäftigter Mann und habe keine Zeit mehr für eure kleinen Spiränzchen." Bailee, ein durchtrainierter, junger Mann, der seiner Pflicht mehr als nur ergeben war und Fuchs als eine Art Vorbild betrachtete, antwortete mit unüberhörbarer Erregung in der Stimme:"Sir, ja Sir! Das hier sollten Sie sich aber mal ansehen mir ist so etwas noch nie untergekommen. Deswegen frage ich Sie um Rat, Sie wissen sicher einen Ausweg. Schließlich sind Sie hier die Person mit der meisten Erfahrung." Bailee zeigte ihm mit Hilfe seines Hologrammarmbandes eine Kopie des Radars der Station: Darauf war eine fortlaufende Veränderung der Gesteinsschichten in der Umgebung zu sehen. Wahrscheinlich wieder nur eine der langweiligen Steinlawinen, die ab und zu die Erde zum Beben brachten. Fuchs wollte gerade dazu ansetzen dem naiven Bailee Mut zu machen, damit er sich um diese Aufgabe nicht kümmern musste. Andererseits hatte Bailee seine Loyalität schon oft unter Beweis gestellt, also wollte er dessen grenzenloses Vertrauen nicht erschüttern, indem er sich jetzt zurückzog. Es war immer gut einen Untergebenen zu haben, der für ihn, falls nötig, in die Klinge sprang, dachte Karsten Fuchs. "Also gut Ich werde mir die Sache mal ansehen. Du hast gut daran getan, dich an mich zu wenden." Er legte eine kurze Pause ein, um schnaufend Luft zu holen, während er anfing die Treppe von der Mauer hinabzusteigen. "Stehen sie da nicht so dumm herum! Kommen Sie mit!" befahl er Bailee, was dieser auch unverzüglich und mit erleichtertem Gesichtsausdruck tat.
Die Kommunikations- und Überwachungszentrale war ein Raum, der ursprünglich in den nackten Fels gehauen wurde. Die provisorische Verputzung der Wand blätterte bereits ab und verlieh dem Ganzen etwas gruseliges, was die nur spärliche Beleuchtung der Gaslampen noch verstärkte. Die Luft war verpestet von dickem, schwerem Rauch, der vermutlich aus der Zigarre des Soldaten, er hatte den Namen vergessen, stammte. Karsten ging schnellen Schrittes in Richtung seines Mitarbeiters, der mit geradem Rücken auf das Display schaute. Die schmutzigen Abdrücke auf dem Tisch legten nahe, dass er seine Beine normalerweise darauf legte und ein Nickerchen hielt. "Soldat, Meldung erstatten!" schnauzte Fuchs ihn an, während er schon auf den Bildschirm lugte. "Natürlich, Sir" antwortete der Mann ruhig, als er aufstand. Während sich bei Fuchs Schweißperlen auf der Stirn bildeten, schien sein Mitarbeiter die Ruhe selbst zu sein. "Also, die Situation ist so..." begann er, als Fuchs ihn unterbrach: " Kommen Sie zur Sache, Mann!" Etwas verdattert begann der Veteran von neuem: "Ja natürlich, Sir. Ich habe auf dem Radar eine große, nein RIESIGE Anomalie direkt unter uns entdeckt. Es verschieben sich ständig Gesteinsschichten da unten, wie vor einem Crash der Kontinentalplatten oder bei einem Vulkanausbruch. Also, wenn sie mich fragen, sollten wir den Stützpunkt sofort räumen." Der Kompaniechef konnte nicht mehr klar denken. Bei den Worten des Veteranen lief es ihm kalt den Rücken herunter. Er musste eine Möglichkeit finden so schnell wie möglich den Stützpunkt zu verlassen. "Was schlagen Sie vor Sir?" fragte der Soldat. "Ähhm ... aktivieren Sie das Notfallprotokoll und ..." Fuchs schaute zur Seite dort stand Jonathan und schaute ihn erwartungsvoll an, wahrscheinlich, um etwas von ihm zu lernen. "Behalten Sie das Radar weiter im Auge und erstatten Sie mir regelmäßig Bericht. Ich bin über Funk erreichbar" sagte er und hielt sein Funkgerät hoch. "Bailee, Sie assistieren hier unten unserem geschätzten Kollegen." Er konnte sich keine störenden Faktoren in seiner Nähe erlauben, wenn er erfolgreich abhauen wollte. "Ich leite währenddessen alle weiteren, erforderlichen Schritte ein. Viel Glück, Soldaten!" sagte er nun etwas bestimmter und verschwand in Richtung Treppe, bevor ihn irgendjemand aufhalten konnte. Nach ein paar Minuten im Innenhof angekommen, versuchte der Kompaniechef nicht aufzufallen, was relativ gut funktionierte, denn dort regierte nun das Chaos. Seine Infanterieeinheiten, alle mit schweren TG-21 bestückt, nahmen Aufstellung auf der Mauer, während drinnen die Artillerie bereit gemacht wurde. Dummköpfe! Dachten diese Idioten wirklich, das würde ihnen jetzt noch helfen, obwohl gleich der ganze, verdammte Berg unter ihnen zusammenstürzen würde?

Während Karsten Fuchs den Weg zu einem seiner Fluchtschiffe bestritt, herrschte in der Radarzentrale peinliches Schweigen zwischen Earl Wilberforce, dem Veteranen und Jonathan Bailee. "Du weist schon, dass unser Boss ein feiges Huhn ist?" fragte Earl, als sich auf dem Radar nicht viel veränderte. "Rede nicht so von Kompaniechef Fuchs. Er ist ein ehrenhafter Mann und stellt sich den Dingern ganz sicher in den Weg. Deswegen ist er auch nicht über Funk erreichbar." folgerte Bailee. "Wohl eher ist er gerade auf dem Weg zu seinem Zeppelin und hat den Funk abgestellt, damit ihn keiner dabei belästigt" gab Earl belustigt von sich und legte seine Beine wieder auf den Tisch, während er sich eine Zigarre anzündete. Als Fuchs gegangen war, ist den beiden aufgefallen, dass die Anomalie in Wirklichkeit viele einzelne Wesen waren, die sich durch den Stein nach oben fraßen. Außerdem würden sie wahrscheinlich vor der Basis eintreffen, was der eifrige Bailee dem Kompaniechef mitteilen wollte. Allerdings hatte er ja sein Funkgerät abgestellt. Der Vize-Kompaniechef schmollte nun in einer Ecke und Earl zog an seiner Zigarre und legte den Kopf nach hinten, um den Rauch auszupusten. Er formte gerade Rauchkringel, als etwas die ganze Festung erschütterte. Die Wände wackelten buchstäblich, Betonsplitter regneten von der Decke und Earl knallte mit seinem Kopf auf den Boden. Etwas benommen setzte er sich auf. Jonathan war sofort aufgesprungen, hatte auch Mühe die Balance zu halten und schaffte es jedoch auch im Gegensatz zu Earl. Earl klopfte sich den Staub von der Hose und stand auf "Komm Jungchen, wir sollten hier raus, bevor uns der Rest auch noch um die Ohren fliegt" sagte er und zog seine Lederjacke vom Stuhl. Ausnahmsweise widersprach Bailee nicht und folgte Earl Wilberforce in die kühle Abenddämmerung nach draußen.

Karsten Fuchs kam derweil im Hangar des Außenpostens an. Hier herrschte Totenstille, denn niemand dachte anscheinend daran sich in Sicherheit zu bringen, was die beiden Schiffe, die dort stationiert waren, deutlich bewiesen. Jeder Stützpunkt war mit zwei Schiffen ausgestattet: einem Passagierschiff, das bestimmte diplomatische Missionen ermöglichte und einem Bomber, der Napalm auf eine gegnerische Streitmacht abwerfen konnte. Allerdings war der Zeppelin schon zugestaubt und funktionierte möglicherweise nicht mehr richtig. Karsten stieg hastig in den Passagierzeppelin und schloss die Luke wieder. Im Gegensatz zum Bomber war dieses Schiff nagelneu. Darauf hatte er bestanden, um in Situationen wie diesen abhauen zu können. Langsam glitt der Zeppelin aus seiner Verankerung, während die Triebwerke warmliefen. Plötzlich bebte das ganze Gebäude und der Bomber wurde aus seiner Anbindung geworfen und hin- und her geschleudert. Karsten beobachtete erstaunt, wie der Zeppelin in einer beachtlichen Explosion detonierte. Das Panzerglas des Rückfensters bekam bereits Risse und drohte beinahe zu zerspringen. Fuchs schauderte. Das war verdammt knapp.

Auf dem Weg zur Mauer kamen die Beiden an der Waffenkammer vorbei. Ein stämmiger Soldat mit Narbe im Gesicht und dem Rang eines Offiziers, nickte Earl respektvoll zu, was Kalvin wunderte. Jedoch nicht zu lange, denn er bekam sogleich ein Scharfschützengewehr in die Hand gedrückt. "Macht euch nützlich!" sagte der Soldat zu ihnen. Er wollte gerade widersprechen, als Earl ihn am Arm nahm und in Richtung der Mauer schob. "Dafür ist jetzt keine Zeit" sagte er bestimmt. Sie kamen keinen Moment zu spät auf der Mauer an: Es gab ein weiteres, viel heftigeres Beben, das sogar unheilvoll aussehende Risse in der Mauer hervorrief. Einige Soldaten stürzten schreiend von der Mauer und alle anderen starrten nur noch angestrengter auf das Plateau vor der Festung. "Schau dort oben fliegt dein Boss" sagte Earl zähneknirschend. "Dieser Mistkerl!" fügte er noch im Leisen hinzu. Kalvin Bailee sah aus als würde für ihn eine Welt zusammenbrechen. Nicht nur machte er sich vor Angst in die Hose, nein, sein Glaube an sein Vorbild wurde auch noch bis in die Grundfesten erschüttert. "Na los wir schaffen das, Kumpel" rief Earl Kalvin zu.

Und dann passierte es der Platz vor ihnen verschwand einfach der Boden. Das Loch blieb kurz leer. Nach den leisesten fünf Sekunden seines Lebens konnte Earl seinen Augen nicht trauen: Ein riesiger, nein monströser, hässlicher Lindwurm schoss daraus hervor und streckte sich gen Himmel, als wollte er die Sterne erreichen. Dabei verschlang die Kreatur ohne große Mühe das Luftschiff, in dem Kompaniechef Fuchs saß und ließ nichts zurück. Earl schlug das Herz bis zum Hals und auch Jonathans Herzschlag hämmerte unbarmherzig auf ihn ein. Das Ungetüm wendete sich ihnen zu und brüllte Ohrenbetäubend laut. Sabberfetzen flogen den tapferen Soldaten ins Gesicht. Trotzdem antwortete dem Monster ein Chor aus, nicht annähernd so laut brüllenden, aber verzweifelten Männerstimmen.

Jetzt bleibt uns keine große Wahl mehr, dachte Earl und hob sein SSG-98: Sie mussten kämpfen.

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