Aufbruch

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Ich bin etwas Großem auf der Spur, einer regelrechten Verschwörung! Diese Sensation wird alles verändern und denen da oben das Licht ausblasen. Ich weiß nur noch nicht wirklich nach was ich hier genau suche, aber es wird groß, sehr groß. Ich muss aufpassen, dass uns hier in dieser Mine niemand findet. Das Archiv liegt genau unter einem Stollen, wo sie nach diesen Artefakten suchen, von denen ich Dir erzählt habe. Angeblich haben die etwas mit dem Krieg gegen die Osmanen zu tun. Ha, kannst du dir das vorstellen? Das war vor über hundert Jahren! Ich werde voraussichtlich nächste Woche am Donnerstag wieder zu Dir und den Kindern zurückkehren. Ach, was werden sich die Kleinen freuen, wenn ich wieder da bin! Bis dahin geh bitte noch einmal meine Krankschreibung verlängern und lass ja niemanden in unser Haus, der von der Regierung kommen könnte.

In Liebe, Dein Franklin.

-Briefsammlung, Archive der Regierung, ehemalige Schweiz

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Die Instruktionen waren klar und deutlich gewesen. Charlotte hatte den Brief an einer der Rohrpoststationen in der Innenstadt abgeholt und ihn gefühlt tausendmal gelesen. Die schwarze Tinte hatte krakelige Wörter auf dem gerollten und vergilbten Papier hinterlassen:

In sechs Tagen um elf Uhr Abends am Pier. Bezahlung: 66 Pfund.

Sie hatte ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache, allerdings wollte Charlotte beweisen, dass sie kein kleines Mädchen mehr war. In den sechs Tagen dachte sie oft an die Dinge, die sie zurücklassen würde. Freunde hatte sie gehabt. Kichernd schwärmende Mädchen, die es zu ihrem Lebensinhalt gemacht hatten, Jungs anzuschmachten und ihnen zu gefallen. Klar, Charlotte hatte mit ihnen einige schöne Momente erlebt, doch sie fühlte, nachdem sie die Schule hinter sich gelassen hatte, dass sie für etwas anderes bestimmt war. Das Mädchen wusste, dass sie verschieden war, eine Aufgabe hatte. Und eben diesem Gefühl war sie nun, mitten in einer regnerischen Nacht, zu Hangar 13, dem einzigen Freilufthangar, gefolgt. Es schlichen nur noch wenige Leute außerhalb ihren Luftschiffen herum und Charlotte war froh, durch ihre Kapuze nicht aufzufallen. Sie hielt sich zudem hinter einigen Kisten versteckt, hinter die der schwache Lichtstrahl erst gar nicht fiel. Sie hatte ein Teslaspulengewehr dabei, das sie an ihrem Rucksack verschnürt hatte. Bereit, wie ein blinder Soldat, ihr ins Ungewisse zu folgen wartete es auf sie. Noch nie hatte sie eine Waffe benutzt, was brachte ihr also eine Waffe, die Kettenblitze verschoss, obwohl sie nicht damit umgehen konnte?

Ein Soldat hatte das Gewehr fallen gelassen, als ein großer Brand in der Haupthalle wütete. Der Junge war vor seinem Schicksal geflüchtet und hatte Kinder und deren Eltern verbrennen lassen. Gerettet hatte sie ein fast totes Kleinkind, das sie schnell in ein Krankenhaus schaffen musste. Die Überwindung, andere Menschen zurückzulassen, war beinahe unüberwindbar gewesen. Ihr Vater hatte sie getröstet, als sie danach geheult hatte, wie ein kleines Mädchen. Doch auch an ihm war das Unglück nicht spurlos vorbeigezogen. Charlotte hatte ihn in der Nacht beobachtet, wie er am Schrein ihrer Mutter betete und mit ihr sprach. Sie wusste nicht ob er verrückt war oder das alles nur irgendwie verarbeiten musste, aber einem waren sie sich beide sicher: Das Teslagewehr war ein Mahnmal.

Als sie beschlossen hatte es mitzunehmen, war es von einer dicken Staubschicht überzogen. Sie wusste nicht, ob das ein gutes Zeichen war. Lässig lehnte sie sich an die Kisten und wartete auf die Jäger, die sie mitnehmen wollten. Ihr Vater hatte ihr erklärt, dass Jäger nach Schätzen und ,angeblich seit einem halben Jahrhundert, verschollenen Luftschiffen suchten, die seitdem angeblich im Himmel umherflogen. Für Charlotte klang das nach Betrügern, aber was hatte sie für eine Wahl? Es war das einzige Schiff, das während dem Krieg abheben wollte. Sie fühlte sich allerdings gar nicht so lässig, wie es den Eindruck machte. Hatte sie ihren Vater verraten? Was würde er machen, wenn er ihren Abschiedsbrief las?

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