Kapitel 16

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Ich saß nun in einem Café und an einem Tisch mit mir, mir gegenüber, saß Thomas. In dem Moment, in dem ich ihn gesehen hatte, wollte ich ihn einfach nur umarmen und meine Lippen auf seine legen, meine Angst vor ihm war einfach verpufft, wie wenn sie nie da gewesen wäre. Ich hatte ihn so sehr vermisst, wie mir gerade erst richtig klar wurde. Die ganze Zeit hatte etwas gefehlt und ich wusste nicht, was mit mir los war, doch in der Sekunde, in der ich ihn erblickte, war es verschwunden und ich war wieder vollkommen. Ich hatte ihn so sehr gebraucht.

Dennoch hatte ich ihn zur Begrüßung nicht berührt, ich hätte mich sonst nicht zurückhalten können, ihn zu küssen. Ich war hier, um zu reden. Er brauchte Hilfe und die wollte ich ihm geben.

„Wie genau läuft das jetzt ab? Du hast mir gesagt, dass du auf einmal die Kontrolle verloren hast, wie wenn du ohnmächtig wurdest und dann auf einmal ein paar Stunden später irgendwoanders aufgetaucht wärst, dich an nichts erinnern könntest und dann immer merkwürdige Sachen erkennen würdest, wie zum Beispiel Blut an deinen Händen. Das ist nicht normal, wir müssen rausfinden, was da passiert."

Thomas sah mich ernst an und nickte, um mir bei dem, was ich gesagt hatte, zuzustimmen. Ich sah ihm an, dass er ebenfalls etwas anderes machen wollte, als nur zu reden. „Das passiert alle paar Tage. Ich habe langsam schon Angst, dass ich mich umbringe. Ich habe das Gefühl, dass es kein Schlafwandeln ist, wie wenn mich ein Geist beherrschen würde. Ich bin anders, ich verhalte mich anders und ich mache Sachen, die ich sonst nie machen würde. Ich könnte nie einem Menschen etwas antun, doch ein paar mal bin ich wieder zu mir gekommen und habe eine Leiche gesehen. Ich oder das, was mich beherrscht, hat jemanden ermordet, ich habe jemanden getötet. Doch ich kann es nicht stoppen, ich weiß nichts davon und bekomme auch gar nichts mit. Das macht mich so fertig, deswegen habe ich mich auch so verändert. Ich leide an Angstzuständen und an Schuldgefühlen. Ich habe immer panische Angst, dass, wenn ich mit dir zusammen bin, dieses etwas wieder Kontrolle von mir erlangt und ich dich dann verletzen könnte oder sogar töten. Ich kann auf der einen Seite einfach nicht von dir getrennt sein, ich fühle mich so sehr zu dir hingezogen, doch die Angst nimmt dich auch ein."

Ich verstand ihn so gut und wenn ich ehrlich war, ich wusste auch nicht, was er tun sollte. Ich wollte zu ihm und bei ihm sein, doch wenn ich mir dann vorstellte, dass irgendein Psychopath, wahrscheinlich ein Geist, von ihm Kontrolle übernommen hatte, wollte ich das nicht mehr so dringend. Ich wollte nämlich eigentlich noch nicht sterben und ein langes Leben vor mir haben. Man musste doch etwas tun können, um dieses etwas aus ihm zu vertreiben? Wenn es so viele Möglichkeiten gab, dass Vampire in der Sonne laufen konnten, dann musste man das doch auch irgendwie loswerden können. Ich kannte mich in dieser Welt nicht gut aus, doch nach dem, was mir alles gesagt wurde, musste man es schaffen. Doch dafür musste man sicherlich erst einmal wissen, was es genau war und das war der Knackpunkt.

Wir mussten uns beeilen, um das herauszufinden, denn ich hatte Angst, dass Thomas noch größeren Schaden nahm, das könnte ich nicht verkraften. Ich merkte schon jetzt, wie sehr er sich verändert hatte und dass ihn diese Schuldgefühle plagten und er an kaum etwas anderes mehr denken konnte und deswegen musste das aufhören. Ich liebte ihn und würde alles dafür tun, damit er nicht noch weiter terrorisiert werden würde. Die anderen würden mich ebenfalls unterstützen und gemeinsam würden wir das alles schaffen. Thomas oder diese Person, würde niemanden mehr töten können.

„Ich muss dir auch dazu noch etwas gestehen", sagte Thomas und unterbrach meine Gedanken. Ich hatte das Gefühl, dass es sicherlich nichts Gutes sein konnte, doch ich musste es wissen. Er musste sich etwas von der Seele reden und ich war für ihn da.

„Du kannst mir alles sagen", versicherte ich ihm und sah ihm dabei in seine Augen. Dieses Braun verzauberte mich immer mehr, ich spürte, wie mein Herz mir gegen den Brustkorb schlug und beinahe herauszuspringen drohte. Er war wirklich einfach fabelhaft, ich hatte mich so sehr in ihn verliebt und deswegen wollte ich auch alles tun, damit es ihm gut ging.

„Du hast doch sicherlich von diesem Vorfall gehört, bei dem es Raubtierangriffe gab und zwei Leute ermordert wurden?" Ich sah ihn an. „Ja?" Worauf wollte er denn hinaus? Ich hatte wirklich keine Lust, jetzt noch eine Horrorgeschichte zu erfahren, doch er musste mir das sagen, was er sagen wollte. Ich war wirklich angespannt, als ich auf seine Antwort wartete.

„Ich bin ja an diesem Abend nicht am Whitmore College angekommen und war zu Hause. Der Grund war, dass ich mich an nichts erinnern konnte und dann mitten im Wald wieder zu mir kam ... Ich habe diese Leute getötet, May. Ich kann es einfach nicht verkraften, das bin nicht ich und dennoch habe ich es getan. Ich bin ein Mörder!"

Ich sah, dass Tränen in seinen Augenwinkeln schimmerten und er unkontrolliert anfing, zu zittern. „Ich bin ein Ripper." Er sollte aufhören! Das stimmte nicht! Er konnte nichts dafür, dass jemand ihn beherrschte und es war genau so, wie wenn einfach ein anderer Mensch jemanden töten würde, genau so viel oder wenig hatte er damit zu tun. Das sagte ich ihm auch und ich hatte das Gefühl, dass ich ihn wenigstens ein bisschen aufmuntern konnte.

Nach einer Weile, in der wir noch geredet hatten, standen wir auf und ich umarmte ihn, musste mich beherrschen, ihn nicht zu küssen. Doch ich glaubte nicht, dass das eine gute Idee war, denn wenn er sich nicht mehr zurückhalten konnte und dann auf einmal wieder dieser 'uneingeladene Gast', ja ich nannte ihn jetzt einfach mal so, auftauchen würde, dann hätte ich ein großes Problem.

Ich würde alles daran setzen, diesen Gast aus Thomas zu entfernen.

Uninvited guests [TVD/ Thomas Sangster]Where stories live. Discover now