Der Ekel

283 31 20
                                    

Berlin, im Oktober 2012

Nachdem Benni auch noch das zweite Glas des teuren Grey Goose Vodkas herunter gekippt hatte, knallte er es neben sich auf die Fensterbank aus schwarzem Holz und sah Irina mit einem leichten Grinsen in die Augen.

„Okay, also... was kriegst du denn so für deinen Service?", fragte er und zog eine Augenbraue nach oben.
Irina brauchte einen kurzen Moment, um sich zu sammeln, dann erst antwortete sie ihm, indem sie hektisch ihre Standardsprüche herunter ratterte. „Handjob dreißig Euro, nur blasen vierzig Euro, fünfzehn Minuten Sex vierzig Euro oder fünfzig Euro mit anblasen. Wenn du mich anfassen oder küssen willst, jeweils dreißig Euro Aufschlag. Kein Analsex, nicht ohne Gummi."
Benni war ein wenig irritiert von dieser Selbstverständlichkeit, mit der sie diese Dinge aussprach, als würde sie ihm gerade als Bedienung im Restaurant aufzählen, was es momentan als Tagesessen gab.
„Ähm okay. Naja, also ich hätte dann ein bisschen Zeit dafür", sagte er und schaute dabei an ihr vorbei.

Irina bemitleidete sich innerlich und stand dann lächelnd auf. „Na dann folge mir", sagte sie und setzte sich in Bewegung. Als sie bei Valerie an der Bar vorbeiliefen, sah Benni nicht, wie Irina verzweifelt zu dieser sah und dafür ein aufmunterndes Zwinkern zurückbekam.
So schlimm würde es schon nicht werden. Sie konnte sich ohnehin nicht erklären, warum sie sich eigentlich die ganze Zeit so verrückt machte. Die meisten Kerle, die sie hier bedienen musste, sahen viel schlimmer aus. Sie rochen ekelhafter, sie waren bedeutend älter und sie benahmen sich um einiges schlechter. Bennis Körperhygiene dagegen schien auf den ersten Blick tadellos zu sein. Zudem war er höchstens zehn Jahre älter als sie und hatte ihr nicht bereits durch die ganze Lounge zugerufen, dass sie an seinem Schwanz ersticken solle.

Während Benni hinter Irinas leicht bekleidetem Hintern herlief, fragte er sich ernsthaft, was er da gerade überhaupt tat. Klar, das Mädchen sah nicht schlecht aus, aber er hatte es halt nicht wirklich nötig, für Sex zu zahlen.
Obwohl er darin einen gewissen Reiz sah, glaubte er nicht, dass ihn die Sache gleich so richtig befriedigen würde. Es gab nur zwei Typen von Frauen, auf die er in der Regel stand.
Zum Einen waren das die ganz jungen Dinger, die so alt waren, dass er sich gerade noch so im legalen Rahmen bewegte. Diese Mädels hatten häufig erst das unbeholfene Herumstochern von gleichaltrigen Jungs erlebt, weswegen sie den weitaus erfahreneren Benni im Vergleich natürlich als erstklassigen Liebhaber empfanden und diesem das auch während dem Fick lautstark mitteilten. Eine Zeit lang fand er es auch ganz reizvoll, sich gezielt Jungfrauen ins Bett zu ziehen, die ihm dann das Gefühl gaben, dass sein eher durchschnittlich großer Schwanz einfach viel zu groß für diese Welt wäre.
Zum Anderen stand Benni jedoch auch auf einige Frauen in seinem Alter, die sehr schwer zu haben waren und fast keinen heran ließen. Bei denen erfüllte es ihn jedes Mal mit grenzenlosem Stolz, wenn er eine solch harte Nuss knacken konnte.
Zu was für einer Kategorie sollte er diese Hure jetzt zählen? Sie war zwar ziemlich jung, aber hatte wahrscheinlich trotzdem schon zehnmal mehr Sexualpartner gehabt, als er. Schwer zu haben war sie auch nicht, sofern man das nötige Kleingeld mitbrachte.

Schweigend durchquerten die beiden einen Flur und nahmen dann die Treppe nach oben. Der Boden war mit einem dicken, dunkelroten Teppich ausgelegt, der an einigen Stellen mit Goldakzenten geschmückt war. Die Tapeten glänzten mattschwarz und in regelmäßigen Abständen waren rot glitzernde Herzchen darauf angebracht. Das gedimmte Licht, was für eine geheimnisvolle Atmosphäre sorgen sollte, ließ Benni die Person vor sich nur schemenhaft erkennen. Alles in Allem fand er schon, dass die Einrichtung dieses Etablissements recht edel war. Nichts sah so schmuddelig aus, wie er sich das eigentlich immer vorgestellt hatte. Zwar hatte er das Haus schon einmal vor einem guten halben Jahr besichtigen können, aber jetzt, da er im Begriff war, tatsächlich diese Dienstleistung in Anspruch zu nehmen, sah er sich alles etwas genauer an und nahm alles um sich herum viel intensiver wahr. Das kam wohl auch von der Aufregung, die er immer stärker verspürte, je näher sie Irinas Zimmer kamen.

Sie waren nun im richtigen Stockwerk angekommen, denn Irina öffnete die Tür, die zu ihrem Flur führte und zog Benni an ihrer Hand hinter sich her. Als sie ein paar Schritte durch diesen Flur gingen, dessen Einrichtung mit schweren Teppichen und bunten, filigran verzierten Lampions etwas orientalisches ausstrahlte, öffnete sich eine Tür. Benni sah sich den Mann an, der da gerade mit zufriedenem Grinsen aus einem der Zimmer schlenderte, während er sich den Knopf seiner Hose schloss. Er war etwa Mitte fünfzig und sehr dürr, fast schon abgemagert. Er trug ein ockerfarbenes Hemd zu einer pissgelben Hose und hatte nur noch sehr wenige Haare, die er verzweifelt in dünnen Strähnen über seine Stirn gekämmt trug. Auch zahntechnisch war im Mund dieses widerlichen Typen nicht mehr viel los. Der Geruch von Zigarren und altem, ranzigem Fett, den er hinter sich herzog, ließ Benni kurz würgen.

Irina öffnete ihre Tür und er folgte ihr in den Raum. Auch hier fand sich dieses orientalisch angehauchte Flair aus dem Flur wieder. Auf den ersten Blick wirkte das Bett recht gemütlich und einladend. Außerdem standen überall Kerzen herum, das Licht im Zimmer hatte einen warmen Ton und war gedimmt, zudem roch es sehr angenehm, wofür ein paar Räucherstäbchen verantwortlich waren, die er in einer Schale entdecken konnte, die am Fenster stand.

„Warum hast du mich da unten nicht angesehen, beziehungsweise hast ständig in die andere Richtung geschaut?", fragte er, nachdem sie die Tür geschlossen hatte.
Irina zuckte kurz zusammen. Das hätte ihm gar nicht auffallen dürfen. So sehr hatte sie doch versucht, es zu verstecken.
„Ich weiß nicht was du meinst", sagte sie, lächelte und schaute ihm tief in die Augen. Benni erkannte natürlich direkt, dass sie log. Aber er hatte jetzt auch keine Lust, eine ewige Diskussion mit ihr zu führen, die sie ihm am Ende noch in Rechnung stellte. Stundenlange Diskussionen, bei denen jeder bis aufs Blut auf seinem Standpunkt beharrte, hatte er Zuhause schließlich jeden Tag und das auch noch gratis.
Daher zuckte Benni nur mit den Schultern und ging einen Schritt auf Irina zu, während er sich schon den Reißverschluss seiner Hose öffnete.
„Du musst dich erst waschen gehen", sagte sie sachlich, als er dann eine Hand an ihre Taille gelegt hatte und deutete auf eine kleine Tür neben dem Bett. „Da ist das Badezimmer."
Benni seufzte, konnte aber anhand seiner bisherigen Eindrücke durchaus verstehen, warum man das vorher von den Kunden verlangte.
Nachdem er sich so gewaschen hatte, wie sie es von ihm erwartete, setzte er sich aufs Bett und beobachtete Irina, wie sie mit routinierten Griffen ein Handtuch, sowie Gleitgel und Kondome aus einer Schublade holte.

Keine Minute später kniete sie schon vor ihm und ließ Bennis Schwanz, der einfach nicht hart werden wollte, durch ihre zierlichen Hände gleiten.
Auch, wenn sie sich ziemlich viel Mühe gab, um ihn anzumachen, bemerkte Benni sofort, dass dies nur Schauspielerei war und das Mädchen vor ihm überhaupt keinen Spaß an dem hatte, was es da tat. Die Handgriffe wirkten mechanisch, die Blicke unecht und das Stöhnen gekünstelt.
Wie sollte sie denn auch Gefallen daran finden, wenn sie tagtäglich Männer anfassen musste, die sie in einem anderen Leben nicht mal ansehen wollte?
Während Irina sich immer mehr bemühte, ihn hart zu bekommen, fühlte Benni sich immer unbehaglicher. Er fragte sich, ob dieser Kerl aus dem Flur wohl auch schon hier auf diesem Bett gesessen hatte, wo er jetzt saß. Hatte sie seinen runzligen Penis auch schon in ihrem schönen Mund, zwischen ihren festen Titten oder ihren zarten Fingern gehabt? Wahrscheinlich schon. Und ebenfalls wahrscheinlich war, dass dieser Kerl noch nicht einmal das Maximum an Abartigkeit war, mit dem die Frauen hier Tag für Tag konfrontiert wurden.
Eigentlich hatte Benni gedacht, er würde hier einen neuen, geilen Kick erleben. Aber im Grunde ekelte er sich einfach nur. Der Raum, die Luft und diese Nutte auf dem Boden kamen ihm plötzlich einfach nur noch schmutzig vor und er wollte so schnell wie möglich weg von hier und weg von ihr.

Vollkommen hektisch stieß er ihre Hand weg, stand auf und zog sich die Hose hoch. Dann riss er hundert Euro aus seinem Portemonnaie, die er einfach vor die überraschte Irina auf den Boden warf.
„Bah! Sorry, aber das ist einfach nur abartig", blaffte er und verließ mit knallender Tür das Zimmer, ehe sie richtig begriff, was da gerade geschehen war.



Mädchen, mach die roten Lichter aus!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt