9| Marchin' On

224 15 6
                                    

9| Marchin' On


Unsanft wurde ich aus meinen Träumen geweckt, was ich ja gar nicht haben konnte. Der Polizist vorne gab uns anscheinend wieder Informationen, wovon ich aber jetzt bestimmt die Hälfte verpasst hatte. Mein Blick schweifte zur Seite, wo Will aussah, als würde er konzentriert auf die Worte des Polizisten achten. Als er bemerkte, dass ich wach war, schenkte er mir ein warmes Lächeln.

„Na, gut geschlafen?"

„Naja." Ich nutzte den Moment, um mich auszustrecken. Dann sah ich aus dem kleinen Fenster neben mir und stellte entsetzt fest, dass wir schon gelandet waren und standen. Hatte ich jetzt wirklich die Landung verpennt?

„Hast du dem Polizisten zugehört?", erkundigte ich mich bei Will. „Ich hab nämlich nichts davon mitbekommen, was er gesagt hat."

„Im Prinzip hat er nur gesagt, dass wir bei der Gruppe bleiben sollen, wenn wir aussteigen. Bleiben werden wir in 'ner größeren Sporthalle."

„Alle zusammen? Ach du heilige..." Das war ja so gar nicht meins. Lauter fremde Menschen, und bei denen sollte ich auch noch für ein paar Tage bleiben?

„Du, ich bin genauso begeistert. Am liebsten würde ich einfach abhauen und die Zeit alleine verbringen."

„Dann mach es doch?", meinte ich mehr als Spaß. Er würde verdammt viel Ärger bekommen, wenn er das tat. Andererseits könnte er versuchen, ich nicht erwischen zu lassen...

„Ich kann dich doch hier nicht alleine lassen mit denen." Er lächelte übertrieben breit und seine Augen glänzten dabei.

„Dann nimm mich einfach mit." Immer noch ein Spaß. Doch anscheinend verstand er mich falsch.

„Stimmt, das könnte ich machen. Würdest du denn mit mir abhauen wollen?" Auf einmal klang er total ernst.

„Will, wir würden unglaublich viel Ärger bekommen, wenn wir erwischt werden.", zischte ich ihm leiser zu. Mir wurde nämlich wieder bewusst, dass wir beide so laut sprachen, dass uns Leute in unserer Nähe locker hören konnten, wenn sie denn wollten.

„Das Risiko würde ich eingehen.", hauchte er jetzt leise, weshalb sich aus einem unerklärlichen Grund meine Nackenhaare aufstellten. Antworten konnte ich ihm nicht mehr, denn dann wurden wir gebeten aufzustehen und das Flugzeug zu verlassen. Will warf mir einen letzten Blick zu, dann erhob er sich und ging auf die Flugzeugtür zu, die uns nach draußen führen sollte. In dem gedämmten Licht wirkten seine Haare eher bräunlich, weshalb ich darauf schloss, dass sie in Wirklichkeit doch nicht schwarz sondern dunkelbraun waren.

Ich schlug mir die Gedanken aus dem Kopf und verließ das Flugzeug wenige Momente später. Es war mittlerweile komplett dunkel draußen, weshalb ich einen Moment brauchte, um Will zu erkennen. Ohne etwas zu sagen stellte ich mich neben ihn und setzte mir meinen Rucksack richtig auf. Was anderes hatte ich ja leider nicht dabei.

Mein Magen knurrte leicht, als ich wieder in Gedanken versank. Hatte Will es wirklich ernst gemeint, dass er sich von der Gruppe trennen wollte? Das konnte er doch eigentlich nicht machen und ob das so schlau war wusste ich auch nicht. Weiter gedacht verstand ich ihn als Person noch gar nicht so richtig. Am Anfang mochte ich ihn ja überhaupt nicht, bis er sich bei mir entschuldigt hatte und dann auf einmal total nett zu mir war. Er war mir ein einziges Rätsel.

Schweigend liefen wir in unserer Gruppe ein paar Straßen weiter, die Polizisten hatten sich am Flughafen mit denen aus Kentucky getroffen und unterhielten sich wieder über das weitere Vorgehen, während wir einfach hinterher trotteten. Ich wusste gar nicht in welcher Stadt oder welchem Ort wir gerade waren, nur der Bundesstaat war mir bekannt.

Es dauerte gar nicht so lange, bis wir vor einem Gebäude stehen bleiben, welches der eine Polizist uns aufschloss und wartete, bis wir alle eingetreten waren. Von innen war das Gebäude größer, als es von draußen aussah, es gab eine große Haupthalle, in der schon Klappbetten mit Decken lagen, und einige Türen, die wahrscheinlich zu den Badezimmern- Oder wohl eher Gemeinschaftsbädern- führten.

Wir bekamen gesagt, dass wir uns jeder ein Bett suchen sollten und dort erst mal bleiben sollten bis uns etwas zu essen gebracht werden würde. Ich lief ohne auf Will zu achten quer durch die Halle und suchte mir ein Bett ganz hinten aus, wo es im Moment noch leerer und stiller war. Wie ich es schon erwartet hatte war Will mir gefolgt und schmiss sich auf das Bett neben meinem. Erneut knurrte mein Magen.

„Hunger?", meinte Will schmunzelnd und legte seine Hände unter seinen Hinterkopf. Er sah total entspannt aus, als er da so lag.

„Kann man so sagen." Ich zuckte mit den Schultern.

„Warte, ich hol uns was zu essen." Und schon war er aufgestanden und verschwunden, zumindest sah ich ihn nicht mehr. Die Halle hatte sich gefüllt und nun war so gut wie jedes Bett belegt, weshalb der Lärmpegel wieder stieg. Ich schnaufte einmal und ließ mich auf das Bett sinken. Hatte Will den Polizisten überhaupt zugehört, diese wollten uns doch das essen bringen...

Mich verwunderte es kaum noch, als der Braunhaarige wieder zu mir kam und mir ein in Frischhaltefolie eingepacktes Lunchpaket zuwarf. Für sich hatte er auch eins mitgebracht, zwei andere steckte er sich unbemerkt in die Tasche. Wieder dieses freche Grinsen von ihm, als er sein Sandwich aus der Folie wickelte und herzhaft hinein biss.

„Woher hast du die? Und warum zwei mehr?", fragte ich verwirrt und biss ebenfalls in mein Sandwich. Endlich hatte ich wieder was zu essen...

„Falls wir noch mehr Hunger bekommen. Aber psst, wir durften eigentlich nur jeder eins haben." Er hielt sich den Finger vor den Mund, um mir zu verdeutlichen, dass ich meine Klappe halten sollte. Ich schüttelte nur fassungslos den Kopf, wollte mich aber nicht beschweren, dass ich mehr Essen bekam als die Anderen.

Wir genossen noch unser restliches Essen, bis wir fertig waren und die Frischhaltefolien in den Müll brachten. Lange Zeit zum entscheiden brauchten wir nicht, denn wir beschlossen einstimmig uns jetzt schon hinzulegen, da wir unsere Ruhe haben wollten. Ich verabschiedete mich von Will und schloss meine Augen, doch konnte nicht direkt einschlafen. Als es eine Stunde später ruhiger wurde und die anderen auch schlafen gingen schaffte ich es auch endlich einzuschlafen.

****

„Maggie? Maggie, steh auf.", hörte ich jemanden neben mir flüstern.

„Noch fünf Minuten...", murmelte ich schaftrunken und kratze mich an der Nase.

„Die haben wir nicht, jetzt steh auf." Genervt öffnete ich meine Augen und zuckte zusammen, als ich Wills Gesicht direkt über meinem schweben sah. Er schien sich ein Lachen zu verkneifen, als ich ihn schockiert ansah. In der Halle war es komplett dunkel und jeder- Auch die Polizisten- schienen noch zu schlafen.

„Beeilst du dich jetzt mal?"

„Warum denn?", wisperte ich immer noch und atmete einmal tief durch.

„Ich dachte wir wollten abhauen."

***

A|N

Oha, oha. Da will der Will einfach abhauen :')


Shaded InWo Geschichten leben. Entdecke jetzt