16| Memories

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16| Memories


Ich merkte, wie aufgeregt Will auf einmal war. Seine Augen glänzten richtig, gierig sog er den Anblick der Großstadt in sich auf. Und ja, Brooklyn war bis jetzt wirklich wunderschön, aber der Anblick des Jungens neben mir war mindestens genauso interessant. Man konnte fast gar nicht weggucken, so fasziniert wie er aus dem Fenster sah.

Wir fuhren noch etwa eine Viertelstunde durch die verschiedensten Straßen, und ich war mit jedem Meter mehr von der Stadt begeistert. Die Gebäude waren toll, machten die Gesamtatmosphäre komplett. Und als wir dann in einem Wohnviertel ankamen wusste ich schon, dass wir gleich da sein würden.

„Wir wohnen zu zweit in 'ner Vierzimmerwohnung, der Herr neben dir hat sich ja dazu entschieden wieder wegzuziehen.", erklärte Liam mir, als er sich zu uns umgedreht hatte.

„Hey, warte! Komplett freiwillig bin ich nicht gegangen, falls du dich erinnerst.", verteidigte Will sich dann. Mich juckte es unter den Fingernägeln ihn zu fragen warum er weggezogen war, doch ich beschloss es auf später zu verschieben.

„Trotzdem hast du uns alle verlassen." Kyles Aussage klang wie ein schlimmer Vorwurf und ich hatte eigentlich einen guten Konter gehabt, doch den ließ ich lieber weg.

„Jaja.", winkte der Beschuldigte locker ab und sah dann wieder aus dem Fenster. Zuerst dachte ich die Stimmung wäre jetzt etwas angespannt, doch das widerlegte letzterer schnell.

„Gott, ich bin wirklich wieder in Brooklyn...", flüsterte er und konnte es anscheinend immer noch nicht ganz fassen. Vermutlich kam ihm die Umgebung schon bekannt vor, denn er sah interessiert nach draußen.

Wir bogen in einer weiteren Seitenstraße ein und hielten vor einem Haus, in dem für etwa zwei Wohnungen Platz sein müsste. Kyle schaltete den Wagen aus und warf uns beiden auf den Rücksitzen einen Blick zu. Wir waren da.

Oh Gott, mein Puls beschleunigte sich schneller als gedacht.

Die Jungs stiegen nacheinander aus, weshalb ich es ihnen gleich tat. Irgendwie fühlte ich mich etwas fehl am Platz, als Kyle uns unsere kleinen Taschen gab und wir zu viert zu der Haustür gingen. Liam kramte einen Schlüssel heraus und ließ uns vor gehen. Das Treppenhaus war kalt und nicht gerade schön.

Oh oh.

„Wir müssen hoch, in die Dachgeschosswohnung.", wurde mir erklärt. Während wir die Treppen hochgingen, wurde Will wieder nostalgisch.

„Wisst ihr noch, als Nathan das Fenster kaputt bekommen hat?" Alle fingen an zu lachen, während ich dumm dabei stand.

Haha, ja klar weiß ich das noch. Sehr lustig. Ühm...

„Wohnt Misses Francis hier noch?", fragte ‚Der Wiederkehrer'. Das klang wie in einem schlechten Film, aber egal.

„Hast du die vielen Blumen vorne im Beet nicht gesehen? Die sind doch immer von ihr.", meinte Liam nur, öffnete dann die Tür im 1. Stockwerk.

Trommelwirbeeeelll... Die Tür ging auf.

...Wow. Ein Flur.

Die Jungs ließen mich als erstes in die Wohnung gehen, was bei meiner Neugier auch am besten war. Ich sah mich ganz genau um, schaute mir den Flur an und beschloss einfach meinen Rucksack in eine leere Ecke zu legen. Wills Tasche folgte drei Sekunden später, dann spürte ich seine Hand auf meinem Rücken und zuckte kurz zusammen.

Er lächelte mich glücklich an, als ich mich zu ihm umdrehte. „Na los, geh schon. Schau dir alles ganz genau an." Er machte eine kurze Pause. „Aber ich komm mit." Grinsend nickte ich, wählte dann die erste Tür links. Gut, also hier war ein kleines Bad. Uninteressant.

„Das Wohnzimmer ist hinten." Er zeigte mir den Weg und ich folgte ihm. Der Raum war größer als erwartet, faszinierend fand ich dabei die große Fensterfront mit dem angrenzenden Balkon. Die offene Küche grenzte direkt an den Bereich mit dem breiten Sofa, weshalb ich mir diese auch ansah. Der Esstisch, der das Wohnzimmer von der Küche trennte, hatte Platz für 6 Personen.

„Ach so, da wir nur drei Schlafzimmer haben und das Sofa zum Ausklappen ist müsstest du wahrscheinlich hier schlafen, Maggie. Wäre das okay?" Unsicher kratzte sich Kyle am Hinterkopf, als wäre es ihm unangenehm dem neuen Gast nur das Sofa anbieten zu können.

„Klar, kein Problem.", beruhigte ich ihn deshalb und lächelte als Unterstützung.

„Nix da. Maggie schläft in meinem alten Bett, ich nehm das Sofa.", mischte sich Will ein, weshalb ich aufstöhnte.

„Nein Will, ist schon in Ordnung."

„Neeein, ich bestehe darauf."

Harte Nuss, huh?

Er merkte, wie ich mit den Augen rollte und lächelte breit. Natürlich wusste er, dass ich bei so etwas empfindlich war, sogar nach nur zwei Tagen.

„Gut, willst du mir dann mal DEIN Zimmer zeigen?", meinte ich grinsend. Der Punkt ging dann wohl an mich. Auch er sah überrascht aus, schüttelte unerwartet den Kopf und zeigte mir mit einer Handbewegung, dass ich ihm hinterherlaufen sollte.

Das Zimmer war am Ende der Wohnung ganz rechts, direkt neben dem richtigen Badezimmer, welches ich mir auch kurz ansehen durfte. Als wir dann in seinem alten Zimmer standen wurde er ruhiger. Bis auf die eine graue Wand waren alle Wände weiß, außerdem war der Raum noch komplett möbliert, was mich etwas wunderte.

„Es hat sich nichts verändert.", sagte er leise und sah sich genau um. Er setzte sich auf den Schreibtischstuhl, sah in den leeren Kleiderschrank und setzte sich noch auf das Bett. Und ich stand in der Mitte des Zimmers und überlegte, wieso er die Möbel wohl nicht mitgenommen hatte. Wahrscheinlich, weil ein Umzugswagen oder Ähnliches ziemlich teuer gewesen wäre. Oder vielleicht hatte er geplant irgendwann wiederzukommen...

„Ich mag dein Zimmer.", gab ich zu und kratzte mich am Unterarm, weil ich das Bedürfnis hatte irgendetwas zu tun. Will sah mich lächelnd an, dann klopfte er auf den Platz neben sich. Ich gesellte mich zu ihm. Eine Zeit lang waren wir beide still, gingen unseren Gedanken nach.

„Es fühlt sich so lange an, dass ich hier war.", entgegnete Will plötzlich, weshalb ich interessiert zu ihm sah. Seine Haare waren durcheinander von der langen Autofahrt und er sah auf seine Hände, die er nachdenklich knetete. „An dem Zimmer hängen so viele Erinnerungen..."

„Erzähl mir etwas davon.", bat ich ihn interessiert, doch er sah nur lächelnd zu mir herauf.

„Ein anderes Mal, ja?" Ich nickte sofort, akzeptierte, dass er gerade nicht darüber reden wollte. Dann herrschte wieder Stille, bis wir etwas im Flur poltern hörten.

Liam erschien im Türrahmen. „Wir haben dein Zimmer in der Zeit, wo du weg warst, nicht verändert. Wie ein kleines Erinnerungsstück an unseren tollen Kumpel.", erklärte er ernst. Wir drei lächelten, um die komische Stille angenehmer zu machen. „Hey, Kyle und ich haben uns überlegt, dass wir noch zum Imbiss fahren wollten. Kommt ihr mit oder sollen wir euch was mitbringen?"

„Fritten, bitte.", sagten wir beide gleichzeitig und ohne uns abzusprechen, weshalb wir uns kurz einen Blick zuwarfen und danach in schallendes Gelächter ausbrachen, Liam musste ebenfalls lachen.

„Was hat der Bastard lustiges über mich erzählt?" Auch Kyle erschien neben seinem Kumpel und sah Liam fragend an. Wir drei verstummten für zwei Sekunden, mussten dann noch mehr lachen als vorher schon.

Irgendwas sagte mir, dass die Zeit in Brooklyn doch nicht so übel werden würde.

Shaded InWo Geschichten leben. Entdecke jetzt