Ernste Gespräche

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Wir schafften es tatsächlich die Zwerge vor der Fäkaliengrube zu retten. Bard führte uns zu einem schäbigen Haus, das er sein eigen nannte. „Wir müssen uns mal ernsthaft unterhalten", brummte mir Dwalin zu und ich konnte ihn nur verängstigt anstarren. „Nicht nur ihr!", meinte Dori. „Ähm...", machte ich und war ein wenig verwirrt. „Du weißt schon, dass du uns bestohlen hast? Das geht so nicht, wir haben dir alle vertraut!", meinte Nori. Ich zuckte mit den Schultern. „Das tut mir wirklich leid, aber manchmal habe ich keine Kontrolle über meine Finger! Und das meiste ist wahrscheinlich im Düsterwald zusammengekommen. Da haben wir alle den Verstand verloren! Es war außerdem kein Geheimnis, dass ich mir gelegentlich Sachen ausleihe und nicht zurückgebe. Es tut mir wirklich schrecklich leid!", sagte ich mit erhobenen Händen. „Du solltest dich ganz dringend mal untersuchen lassen!", murmelte Gloin. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Das war doch wohl unerhört! Da rettete man die Zwerge aus den Verliesen der Elben und was bekam man dafür?! Nun ja, ich hatte sie bei dieser Rettungsaktion beinahe alle ertränkt, aber... ich hatte sie dennoch gerettet! „Seid still! Verhaltet euch ruhig, ich bin mir sicher, dass mein Haus beschattet wird! Ich gehe los und hole ein paar Nahrungsmittel und sehe was ich sonst noch so auftreiben kann", unterbrach Bard unsere Auseinandersetzung. „Wieso wird Euer Haus beschattet?", fragte Ori. Bard schien kurz zu überlegen, bevor er antwortete: „Sagen wir einfach der Bürgermeister und ich sind nicht die allerbesten Freunde". „Na wunderbar... das ist so typisch! Wir geraten mal wieder an den einzigen Mann, der ein Dorn im Auge des Bürgermeisters ist!", murmelte Thorin und lief kopfschüttelnd an mir vorbei. Bard warf Thorin einen kurzen Blick zu und legte den Kopf schräg. „Euer Name war Thorin, nicht wahr Meister Zwerg?", fragte er. Thorin zog grimmig die Augenbrauen zusammen. „In der Tat", murrte er. Bard nickte langsam und verließ dann das Haus. „So ein Mistkerl. Ich kann ihn nicht leiden!", murmelte Thorin, sobald die Tür ins Schloss gefallen war. Ich schnaubte. „Du kennst ihn doch gar nicht", stellte ich fest. „Na und? Das muss ich auch nicht um zu wissen, dass ich ihn nicht mag!", grummelte er. Ich verdrehte die Augen. „Lass mich raten, genau das hast du auch über mich gedacht, als du mich das erste Mal gesehen hast?", fragte ich beiläufig. Thorin neigte den Kopf und sah zu mir herunter. „Schon gut, war nur ne rhetorische Frage", meinte ich und verstaute meine Hände in den inzwischen leeren Taschen meiner Jacke. „Ich hab dich kennengelernt und festgestellt, dass du zauberhaft bist", raunte Thorin mir zu. Ich verzog das Gesicht. „Zauberhaft?", fragte ich. Thorin zuckte mit den Schultern. „Niedlich darf ich ja nicht sagen", meinte er und seine Mundwinkel zuckten als ich rot anlief. „Siehst du, du musstest mich nur kennenlernen. Vielleicht ist Bard auch ganz zauberhaft", sagte ich. Thorin legte die Stirn in Falten. „Willst du mich loswerden?", fragte er scherzhaft und legte einen Arm um meine Schultern, um mich näher zu sich zu ziehen. „Nein, natürlich nicht!", sagte ich und lehnte mich ein wenig gegen ihn. Thorin lächelte zufrieden. „Fühlt es sich gut an?", fragte ich interessiert. „Was?", fragte Thorin, als hätte ich ihn aus tiefgründigen Gedankengängen gerissen. „So nah an eurem zu Hause zu sein", sagte ich und nickte mit dem Kopf Richtung Fenster, von wo aus man den riesigen einsamen Berg sehen konnte. Er war jetzt näher denn je. Thorin zuckte mit den Schultern. „Ich hatte in letzter Zeit das Gefühl ich wäre schon längst zu Hause...", murmelte er so leise, dass ich es fast nicht verstand. Ich hatte keine Ahnung was er damit meinte, wusste jedoch, dass es besser war nicht nachzufragen. „Es gibt in diesem Haushalt absolut keinen Alkohol, ich fasse es nicht!", rief Bofur, der gerade sämtliche Küchenschränke durchsuchte. „Wozu brauchst du bitte Alkohol?", fragte ich. „Zum Feiern? Wir sind den blasshäutigen Spitzohren entkommen und dem Berg ein ganzes Stück näher gekommen", antwortete Bofur und schloss eine Schublade, in der sich nur ein stumpfes altes Messer befunden hatte, welches Bofur einfach einsteckte. Aber über mich aufregen, dass ich sie bestehlen würde! Mein Blick glitt zu Fili, der niedergeschlagen in einer Ecke saß und vor sich hin starrte. Ich schlüpfte unter Thorins Arm weg und gesellte mich zu Fili. Ich fühlte mich schuldig. Extrem schuldig. „Fili?", fragte ich vorsichtig. Irgendwie erwartete ich, dass er aufspringen und mich anschreien würde, doch er blieb sitzen und hob nur den Kopf. Der Blick in diese traurigen, verlorenen Augen ließ mein Herz schwer werden. „Es tut mir leid", sagte ich leise und biss mir auf die Unterlippe. Fili nickte langsam. „Ist schon gut", meinte er mit einem dünnen Lächeln. „Wirklich?", fragte ich unsicher. Fili seufzte und ließ den Kopf hängen. „Nein", sagte er. „Ich bin einfach verschwunden... er ist zurück in sein Zimmer gegangen und hat es leer vorgefunden. Kurz darauf sind wir alle weg... was glaubst du wie das für ihn aussieht? Wie würde es für dich aussehen?", fragte Fili mit brüchiger Stimme. Ich schluckte schwer. „So als hätte man mich ausgenutzt", antwortete ich schuldbewusst. Fili nickte. „Er denkt, dass ich ihn benutzt hätte um meinen Freunden zur Flucht zu verhelfen", sagte er. „Aber das hast du nicht! Du mochtest ihn wirklich... magst ihn wirklich!", meinte ich und versuchte mich an einem aufmunterndem Lächeln. „Aber ich wünschte ich hätte es getan! Dann würde ich mich jetzt nicht so verdammt schlecht fühlen! Das schlimmste ist nicht, dass er denkt, dass ich ihn nur benutzt hätte, nein, er hat jetzt die Bestätigung bekommen, dass alles was man ihm über Zwerge erzählt hat der Wahrheit entspricht! Das ist es, was mich innerlich zerreißt... es verbrennt mich... von innen heraus", sagte Fili und mein gescheitertes Lächeln erstarb. Mir war zum Heulen zumute. „Es... es tut mir leid", murmelte ich niedergeschlagen. „Lass nur, Bilbo... ich kümmere mich um ihn", sagte Kili, der neben mir auftauchte, sich neben Fili setzte und ihm einen Arm um die Schultern legte. Ich zog mich zurück. Ich fühlte mich schlecht. Mir war schlecht. Ich taumelte zum Fenster und stützte mich an der Wand ab. Was hatte ich nur angerichtet? Die Schuld lastete wie zwei Felsen auf meinen Schultern. Oder waren es Berge? Nein, doch eher Gebirge. „Bilbo?", ertönte eine Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und sah in Balins weihnachtsmannartiges Gesicht. „Hm?", fragte ich. „Könnte ich kurz mit dir sprechen?", fragte der ältere Zwerg. Ich nickte und folgte ihm zu einem kleinen Nebenraum. Es handelte sich um ein Badezimmer. Dwalin stand darin, an die hintere Wand gelehnt, die Arme überkreuzt und sah grimmig drein. Balin schloss die Tür hinter mir und ließ sich auf dem Rand einer hölzernen und instabil aussehenden Badewanne nieder. Er seufzte schwer. „Ich will mich eigentlich nicht in dein Privatleben einmischen, aber es gibt da eine Sache, über die ich mit dir reden muss", sagte Balin ernst. Ich nickte: „Okay". „Hör zu, es ist nicht böse gemeint und das letzte was ich will, ist Gefühlen im Weg zustehen... mir ist nicht entgangen, dass du und Thorin eine sehr enge Beziehung zueinander hat. Ich frage dich das jetzt nur einmal und ich erwarte eine ehrliche Antwort; Ist das zwischen dir und Thorin reine Zuneigung oder läuft es über Freundschaft hinaus?", fragte Balin und durchbohrte mich mit seinem Blick. Ich war völlig überrumpelt. Hastig schluckte und räusperte ich mich, ohne die geringste Ahnung was ich jetzt sagen sollte oder überhaupt wollte. „Ich weiß es nicht", antwortete ich ehrlich. Balin verengte die Augen zu schlitzen und Dwalin löste im Hintergrund seine Arme aus der Verschränkung. „Ich... ich meine... beides... irgendwie. Ich mag Thorin und er mich offensichtlich auch. Wir... man kann schon sagen, dass wir mehr als Freunde sind oder einfach sehr enge Freunde mit großem Interesse aneinander. Wir haben nichts Verbotenes getan, noch nicht... a-also nicht, dass wir so etwas in der Richtung vorhätten! Ich meine, meine Gedanken schweifen vielleicht manchmal in falsche Richtungen, aber das ist was anderes... wir haben jedenfalls nicht... wir wollen auch gar nicht... wir sind Freunde...", stammelte ich und verstummte als ich merkte, dass ich mal wieder zu viel erzählte. Balin musterte mich. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. „Ich will nicht sagen, dass es in Ordnung ist, denn das ist es nicht... leider", sagte Balin. Ich starrte ihn angespannt an. „Männer, die Männer lieben sind nicht selten. Es gibt viele. Ich würde dir auch gern erzählen, dass das was auch immer das mit dir und Thorin ist, gut gehen wird, aber das kann ich nicht. Es ist gewissermaßen meine Pflicht dir zu sagen, dass Thorin Pflichten hat", sagte Balin und klang mitleidig. „Pflichten?", fragte ich mit dünner Stimme. Balin nickte langsam. „Damit meine ich ein Königreich regieren und alles was dazu gehört", sagte er. Ich holte tief Luft. „Dazu zählt eine Königin und... Nachfolger", sagte Balin. Es schepperte, klirrte und rumste. Das waren meine Hoffnung und der Glaube an eine glückliche Zukunft. Sie lagen auf dem Boden, zerstört und in mehrere tausend Teile zersprungen. „Du willst, dass ich das zwischen mir und Thorin beende", stellte ich mit hohler Stimme fest. „Wenn es denn etwas zu beenden gibt", meinte Dwalin von der Wand aus. Ich schluckte. „Natürlich gab es da etwas zu beenden! Die Freundschaft, das andere, das ich nicht benennen konnte, Thorins gerade erst gewonnenes Vertrauen!", schrie mein innerer Beutlin und ich war erstaunt, wie sehr er mit darunter zu leiden schien. Gut, er war ein Teil von mir, vermutlich war das der Grund dafür. Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und sah in Balins kleine Augen. „Nein, Bilbo. Thorin braucht dich und solange wie nötig, wirst du bleiben müssen. Sobald unsere Reise zu Ende ist und wir den Berg zurückhaben, möchte ich, dass du nach Hause gehst. Lass Thorin sein Leben leben und lebe das deine. Thorin wird nur der wahre König unter dem Berge sein können, wenn du ihn loslässt", sagte Balin und drückte mitfühlend meine Schulter. Irgendetwas Unsichtbares schnürte mir die Kehle zu. Die Hand verschwand von meiner Schulter und Balin aus dem Badezimmer. Dwalin wollte ihm gerade folgen, als ich ihn aufhielt, indem ich rasch die Tür wieder zumachte. „Warte kurz", sagte ich eilig und klang leicht verschnupft. Dwalin trat einen Schritt zurück und musterte mich grimmig. „Du musst gar nichts sagen, ich will dir einfach nur einen Ratschlag geben", begann ich. Dwalin verschränkte wieder die Arme vor der Brust, schien jedoch zuzuhören. „Du hast Balin gehört. Thorin hat Pflichten... ich stehe ihm dabei im Weg, aber... das gilt nicht für alle Zwerge, die so sind wie Thorin. Ori mag dich. Du hast die Chance, die Thorin und ich nicht haben. Von dir wird nicht verlangt Nachfahren zu zeugen und sollte dir etwas an dem kleinen Zwerg liegen, dann nutze die Chance. Wenn ich es schon nicht kann, dann sollte wenigstens Ori glücklich sein!", sagte ich. Dwalins Augen weiteten sich und ich glaubte zu sehen, dass seine Wangen einen Rotstich bekamen. „Ori... ich... er ist nett", stammelte er. Ich verdrehte die Augen. „Zier dich nicht so, dein Bruder hat mich gefragt ob ich es mit deinem besten Freund treibe", sagte ich. Dwalin schien sich an seiner eigenen Spucke zu verschlucken. Er hustete und räusperte sich heftig. „Nur hat er das nicht so direkt ausgedrückt", meinte er. Ich zuckte mit den Schultern. „Geh zu Ori... du magst ihn ja anscheinend auch", sagte ich, zwinkerte und schob Dwalin aus dem Badezimmer. Sobald die Tür hinter ihm zu war, brach ich zusammen. Ich schnappte keuchend nach Luft und schluchzte. Ich drängte die Tränen und die Verzweiflung mit aller Macht zurück und versuchte ruhig zu atmen. Ich keuchte und schluckte mehrmals. Mir wurde das langsam alles zu viel. Ich war fertig mit den Nerven. Meine Gefühle waren in den letzten Wochen ein ständiges und unvorhersehbares auf und ab gewesen. Ich sollte gehen... wenn Thorin den Berg zurück hatte, sollte ich aus seinem Leben verschwinden... Ich rieb mir die Schläfen und stieß einen leisen Schrei aus. Es klang mehr wie ein wütendes Fauchen und es half auch nicht dabei, dass ich mich besser fühlte... Wieso muss das jetzt alles auf einmal kommen? Am liebsten hätte ich mich übergeben und all den Schmerz und die anderen lästigen Gefühle und Gemütszustände ausgekotzt. „Bilbo? Bist du hier drin?", fragte eine Stimme und Thorin lugte in das kleine Badezimmer. Ich zuckte erschrocken zusammen und machte einen Satz nach hinten. Dabei stieß ich gegen die hölzerne Badewanne und plumpste hinein. Thorin betrat das Zimmer und half mir wieder auf die Beine. „Ist alles in Ordnung? Du siehst ganz schön fertig aus", stellte Thorin fest und klang besorgt. „Nein, mir geht's... alles in Ordnung", sagte ich rasch und zwang ein Lächeln auf meine Lippen. „Sicher?", fragte Thorin. Ich vermied es ihm in die Augen zu sehen, ansonsten hätte ich nur wieder die Wahrheit gesagt und das wollte ich in dem Moment vermeiden. Ich nickte und wollte mich an ihm vorbei schieben, doch er stellte sich mir genau in den Weg und schob den Riegel der Badtür zu. Ich schluckte. Oh nein! „Was ist los?", fragte Thorin und klang so aufrichtig besorgt, dass alles in mir danach schrie ihm von meinen zerstörten Hoffnungen, die im Übrigen noch immer auf dem Boden lagen und langsam darin versickerten, zu erzählen. Ich presste die Lippen aufeinander, schwieg und sah weg. Thorin ergriff sanft mein Kinn mit einer Hand und zwang mich förmlich dazu in seine tiefgründigen, blöden ehrlichen und wunderschönen Augen zu gucken. „Du hast gesagt ich kann dir vertrauen, dann vertraue du mir", sagte Thorin leise. „Das tue ich", antwortete ich. Und dann tat ich das dümmste was man überhaupt machen konnte. Ich könnte mich nachträglich noch für meine Blödheit Ohrfeigen, ertränken, steinigen und was mir sonst noch so spontan einfällt! Ich stellte mich auf Zehenspitzen, küsste Thorin und krallte mich an seinem Mantel fest. Gut, dass klingt nicht nach etwas sehr dummen, doch, dass ich ihm den Mantel förmlich vom Körper riss und wir vollkommen nackt auf dem Boden landeten schon eher. Es gibt Momente im Leben, da hat man keine Kontrolle über seinen Körper. Dies war so ein Moment. Ich weiß nicht wie lange Thorin und ich das schon versucht hatten, doch in diesem Moment auf dem Badezimmerboden sollte es uns doch tatsächlich gelingen. Thorins raue Hände schienen überall an meinem Körper zu sein, genauso wie sein heißer Atem. Es war vielleicht nicht das romantischste, aber für mich war es in diesem Moment einfach nur perfekt. Was wollte man mehr? Ich war glücklich, befriedigt und lag in den Armen eines supergutaussehenden Zwerges. Ich spürte, dass er mich anstarrte und verträumt mit meinen Haaren spielte. Ich lächelte. So wie es jetzt war, konnte es meinetwegen bleiben. Wir hätten ewig so liegen bleiben sollen. Doch ich Idiot musste mal wieder alles zerstören! Ich konnte nicht wirklich etwas dafür, doch alles was ich bisher mit Thorin erlebt hatte, spielte sich wie ein kleiner Film vor meinem inneren Auge ab. Plötzlich, so als hätte jemand nur darauf gewartet mich mit voller Wucht auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, ertönten Balins Worte in meinem Kopf. „Sobald unsere Reise zu Ende ist und wir den Berg zurückhaben, möchte ich, dass du nach Hause gehst. Lass Thorin sein Leben leben und lebe das deine. Thorin wird nur der wahre König unter dem Berge sein können, wenn du ihn loslässt". Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen und mein Magen verkrampfte sich. „Bilbo, wieso weinst du?", fragte Thorin erschrocken. „Habe ich dir wehgetan?", fragte er besorgt. Ich schüttelte den Kopf. Thorin hatte sich aufgesetzt. Ich tat es ihm gleich. „Was ist, rede mit mir", sagte Thorin. Ich starrte in dieses wunderschöne Gesicht und wollte ihm antworten, ihm sagen, dass alles gut war, doch irgendetwas war in mir zusammengebrochen. Die Verzweiflung überrollte mich wie eine riesige, nicht zu bändigende Welle und ich schluchzte auf. Tränen strömten über mein Gesicht und ich bekam keine Luft mehr. Thorin starrte mich entsetzt an. „Ich... du... ich kann nicht...", japste ich und versuchte wieder Herr der Lage zu werden, falls ich das überhaupt jemals war. Thorin hatte in meine wenige Worte offenbar etwas reininterpretiert, offenbar etwas ganz anderes und falsches. Er sprang auf, schnappte sich seine Sachen und war innerhalb von Sekunden angezogen. Ich starrte ihn fassungslos und immer noch heulend an. „Das hättest du dir vielleicht vorher überlegen sollen! Du hättest etwas sagen können oder... so schlimm war das also?!", fragte Thorin und raufte sich die Haare. Entsetzt schnappte ich nach Luft. „Nein, nein!", versuchte ich zu sagen, doch es klang mehr wie ein klägliches Wimmern, das Thorin auch noch als Bestätigung ansah. Dieser blöde Mistzwerg, musste er mich immer missverstehen?! Thorins Augen sahen mich zutiefst verletzt an und dann verschwand er einfach, knallte die Badtür zu und war weg. Ich hab keine Ahnung wie es dazu kam, dass ich vollständig angezogen in der leeren Badewanne saß, doch ich beschloss dort für den Rest meines Lebens zu bleiben. Ich musste elendig aussehen. Der Tränenstrom war zwar versiegt, doch ich war immer noch nicht in der Verfassung nicht noch einmal zusammenzubrechen, körperlich wie emotional. „Herzlichen Glückwunsch Bilbo!", sagte die fiese Stimme meines inneren Beutlins. „Ach halt die Klappe!", zischte ich und legte meinen Kopf auf dem Wannenrand ab. „Warum nochmal habe ich das Auenland verlassen?", fragte ich an die Decke gewandt. „Keine Ahnung. Du wolltest unbedingt an einer aussichtslosen Reise teilnehmen und dein Leben riskieren", antwortete zu meinem Leidwesen nicht die Decke sondern mein innerer Beutlin. Ich rieb mir die Stirn. „Ach ja, voll der gute Grund...", murmelte ich niedergeschlagen. Ein hämmerndes Klopfen an der Badtür ließ mich zusammenzucken. „Bilbo? Krisenbesprechung!", rief Bofur durch die Tür und klopfte gleich noch einmal. Ich stöhnte genervt. Konnte man nicht mal in Ruhe mit sich selbst sprechen?! „Nein und jetzt schwing deinen Hobbitarsch da raus!", sagte mein innerer Beutlin. Seufzend erhob ich mich und verließ das Bad. Die Zwerge standen alle um Bards Esstisch versammelt und berieten sich. Das erste was ich natürlich sah, waren Thorins kalte und enttäuschte Augen, die es gar nicht lassen konnten mich vorwurfsvoll anzustarren. Dieser Blick war grausam. Dieses enttäuschte und wütende Funkeln. Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich musste es ihm erklären. „Oh ja, gut Idee. Geh einfach zu ihm hin oder noch besser, verkünde ganz laut, dass Balin wollte das du abhaust, damit seine Majestät sich voll auf die Arbeit konzentrieren kann und du das nicht ausgehalten hast und deswegen wie ein Wasserfall geheult hast und es dir eigentlich Spaß gemacht hat von ihm gevögelt zu werden!", sagte mein innerer Beutlin. Ich schluckte. Das kam definitiv nicht infrage! Also tat ich das einzige, was ich machen konnte, ich wandte den Blick ab und gab Thorin damit wahrscheinlich die Bestätigung für seine Fehlinterpretation meiner Reaktion. Wirklich großartig!

Der Hobbit - der Meisterdieb und der König unter dem BergeDove le storie prendono vita. Scoprilo ora