Die Schlacht

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Innerhalb von Sekunden war Gandalf an meiner Seite und drängte mich zurück. „Du musst von hier verschwinden, Bilbo!", sagte er. „Was, wieso?", fragte ich. „Das hier wird eine Schlacht. Ich halte wirklich viel auf dich und ich bin mir sicher, dass du auch das hier überleben würdest, aber wir müssen das Schicksal ja nicht herausfordern! Du hast großartige Arbeit bis hier hin geleistet, jetzt ist es an der Zeit den Kopf einzuziehen und zu verschwinden", sagte Gandalf. Ich sah ihn empört an, während er mich mit sich zog. „Verschwinden?! Ich bin ein Teil der Unternehmung! Ich werde jetzt nicht einfach gehen!", protestierte ich. „Es gibt keine Unternehmung mehr! Du hast deine Aufgabe erfüllt", sagte Gandalf. Ich riss mich los und blieb stehen. „Ich meinte, was ich letzte Nacht sagte. Diese Zwerge, in diesem Berg sind meine Familie! Ich werde sie jetzt nicht im Stich lassen! Selbst wenn sie mich hassen, so will ich doch sichergehen, dass sie alle am Leben sind!", sagte ich. Gandalf seufzte. „Du bist ein kleiner Sturkopf geworden, Bilbo Beutlin! Du hättest weniger Zeit mit Thorin verbringen sollen!", sagte er. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Thorin. Ich sah zum Erebor und zum Wall hinauf. Die Zwerge waren verschwunden. Traurig wandte ich den Blick ab. War das das letzte Mal, dass ich sie gesehen hatte? War dieser Blick, voller Hass, Abneigung und Enttäuschung die letzte Erinnerung, die mir an Thorin bleiben würde? Die Armee der Zwerge stellte sich vor den Orks auf. „Was ist mit den Elben?", fragte ich überrascht, als mir auffiel, dass sie sich nicht rührten, sondern wie einzigartige und schöne Statuen in Formation standen. Gandalf fluchte. „Thranduil!", rief er und versuchte zu dem Elbenkönig durchzukommen. „Das ist Wahnsinn!", sagte Gandalf und wedelte mit seinem Stock. „Bogenschütze!", sagte er an Bard gewandt. „Redet mit ihm, Euch wird er zuhören". Bard nickte grimmig und eilte zu Thranduil. Die Zwerge griffen an. Kurz darauf löste sich die steife Elbenformation auf und sie stürzten sich in das Kampfgeschehen. Schreie, das Klirren von Metall auf Metall oder das Brechen von Knochen waren zu hören. Ich zog mein Schwert und hielt es bereit. Dort, wo Gandalf und ich standen, schien es zwar erst mal sicher zu sein, doch wer weiß wie lange noch. Ein Horn ertönte und ich wandte mich um. Auf einem naheliegenden Berg, um den herum eine Festung gebaut worden war, die der Drache damals zur Hälfte niedergebrannt hatte, stand eine große bleiche Gestalt und wedelte mit den Armen. Nach einigen Sekunden wurde mir klar, dass es sich bei der Gestalt um Azog handelte und er keineswegs mit den Armen wedelte, sondern Befehle brüllte und Kommandos gab. „Gandalf!", sagte ich und deutete nach oben. Gandalf verengte die Augen zu Schlitzen und runzelte die Stirn. „Das ist nicht gut", murmelte er. Plötzlich spaltete sich ein Teil der Orkarmee ab und marschierte in die entgegengesetzte Richtung. „Sie wollen uns trennen", murmelte Gandalf. „Was?", fragte ich nach. „Azog will uns dazu bringen an zwei Fronten zu kämpfen. Entweder wir verteidigen den Berg oder die Stadt Thal, in der noch hunderte unschuldiger Menschen sind", erklärte er. „Was passiert mit der Front, die nicht verteidigt wird?", fragte ich. „Die wird von den Orks überrannt", sagte Gandalf und setzte sich in Bewegung. „Und wenn wir beide verteidigen?", fragte ich. „Können wir nicht", meinte Gandalf. „Wissen wir das auch?", fragte ich mit einem Blick auf die Armee der Elben, die sich aufteilte, um mit den Menschen der Seestadt nach Thal zurückzugehen. „Verdammt", murmelte Gandalf. „Komm mit mir, Bilbo. Halte dich dicht hinter mir", ordnete er an. Ich tat was er sagte, auch wenn es mir ziemlich schwerfiel. Gandalf machte große und hastige Schritte. Ich brauchte für einen seiner normalen Schritte schon drei, um mitzuhalten. Keuchend erreichten wir Thal und erklommen eine der noch erhaltenen Stadtmauern. Schreie waren zu hören. Ein Mann, mit einem verrosteten Schwert bewaffnet stand schützend vor seiner Familie, als Orks die Straße stürmten und sie überrannten. „Wir müssen etwas tun!", sagte ich. „Ich weiß nicht, ob das so klug wäre", erwiderte Gandalf. „Hast du einen Alternativplan? Wenn ja, dann würde ich ihn gern jetzt hören, denn da kommt so etwas auf uns zu!", rief ich und rammte mein Schwert in den Goblin, der zu uns auf die Stadtmauer geklettert war. „Du überraschst mich wirklich Bilbo", sagte Gandalf und zog sein eigenes Schwert. Weitere Goblins kamen angestürmt. Gandalf hielt seinen Stab vor sich, murmelte etwas und stieß den Stock nach vorn. Nichts geschah. Er versuchte es erneut. Er schnalzte verärgert mit der Zunge, wirbelte den Stab durch die Luft, schlug ihn auf den Boden und rammte ihn wieder nach vorn. Dieses Mal kam eine Welle hellen Lichts daraus hervor und warf sämtliche Angreifer um. Sie blieben reglos liegen. „Was war das?", fragte ich beeindruckt. Gandalf sah mich verärgert an. „Es ist nicht mein Stab! Meiner wurde zerstört", beschwerte er sich. „Ich meinte eigentlich das Licht", sagte ich. „Oh, ach so. Das war Magie", sagte er und lächelte zufrieden. „Könntest du das nochmal machen, da kommen nämlich noch mehr", wies ich ihn auf die Orkscharen hin, die zu uns hochkamen. Plötzlich umschlangen mich zwei Arme von hinten, würgten mich und ich hatte das Gefühl, dass mehrere meiner Rippen brachen. Ich versuchte mich dem Griff zu entwinden, zappelte, strampelte, schlug um mich und trat nach hinten. Plötzlich fiel ich. Offensichtlich war der Angreifer am Rand der Mauer angekommen und gestürzt. Unten auf dem Boden angekommen, rappelte ich mich auf, zog mein Schwert und wehrte den Hieb des Orks ab, der versuchte mir den Kopf abzuschlagen. „Bilbo!", hörte ich Gandalf rufen. „Mir geht's gut, ich bin hier unten!", antwortete ich und winkte ihm mit dem Schwert zu, als er über den Rand der Stadtmauer spähte. „Hinter dir!", rief er. Ich wirbelte herum und entkam nur ganz knapp einer gewaltigen Keule eines fetten und extrem hässlichen Wesens. Es war fast fünfmal so groß wie ich und mindestens sechsmal so breit! Ich starrte nach oben in das hässliche Gesicht. Das Ding starrte zurück. Dann grinste es und entblößte eine Reihe ekelhafter gelber und schwarzer Zähne. Es hob die Keule und ließ sie auf mich niedersausen. Ich warf mich zur Seite. Ich rollte mich hin und her, jedes Mal fest damit rechnend, von der Keule getötet zu werden. „Ähm, Gandalf?", fragte ich laut. „Ich bräuchte Hilfe!", rief ich. „Kleinen Moment", kam die keuchende Antwort. Anscheinend war der Zauberer selbst beschäftigt und in Bedrängnis. „Ich bräuchte jetzt Hilfe!", sagte ich und flog nach hinten, als mich die Keule an der Schulter erwischte. Der Schlag presste sämtliche Luft aus meiner Lunge und keuchend klatschte ich gegen eine Hauswand. Ich rutschte daran hinab und blieb zusammengesunken sitzen. Ich war für ein paar Sekunden nicht mehr fähig mich zu bewegen. Grelles Licht blendete mich und die hässliche Kreatur brach zusammen. Gandalf richtete sich auf und half mir auf die Beine. „Das war knapp", presste ich mühsam hervor. „Wir sollten von hier verschwinden, komm mit!", rief er und ich folgte ihm durch die Straßen von Thal. Ab und zu kamen uns Orks entgegen, doch Gandalf schaffte es sie mithilfe seines Zauberstockes abzuwehren. Er musste jedes Mal ziemlich heftig damit rumwirbeln, doch es schien ihm Spaß zu machen. Wir erklommen einen Teil der Stadt, der höher gelegen war und auf dem noch nicht ganz so viel los war. Weiter hinten konnte man leise Kämpfe hören, doch die eigentliche Schlacht tobte unten auf den Straßen. Ich stützte mich auf meine Knie und atmete erst einmal tief durch. Gandalf sah sich um. „Diese Geschichten... das waren alles Lügen!", stellte ich fest. Gandalf sah mich irritiert an. „Geschichten?", fragte er. Ich hob eine Hand, zum Zeichen, dass ich noch eine Weile brauchte, um wieder normal atmen zu können. „Was die Leute sich so erzählen. All die Geschichten über Kämpfe und Kriege. In keiner davon wurde erzählt, was für eine Heidenangst man hat, wenn man mittendrin ist!", sagte ich. „Ich hab von einer gelesen, da hat sich eine Gruppe von Leuten mutig in den Kampf gestürzt und alle Angreifer besiegt. Was der Autor scheinbar vergessen hat zu erwähnen, ist, dass man in einer solchen Situation überhaupt keinen Mut hat. Ich zumindest nicht. Und diese Menschen da unten auch nicht! Dann immer diese Beschreibungen, wie irgendwer überlegt, wo man am besten angreifen könnte oder wie der nächste Hieb gesetzt werden muss... ich steche einfach immer zu, hoffe, dass ich treffe und nicht sterbe!", erzählte ich. Gandalf lachte. „Geschichten sollen den Leser auch unterhalten und ihn nicht abschrecken", meinte er. „Sie vermitteln aber ein völlig falsches Bild!", stellte ich fest und stöhnte genervt und ungläubig auf, als drei Orks uns sichteten und auf uns zustürmten.

Der Hobbit - der Meisterdieb und der König unter dem BergeUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum