Kapitel 3 - Ehen

18 2 1
                                    

2014

Am Morgen hatten wir bestimmt eine Stunde für den Weg gebrauch und zu fuß war ich noch um einiges langsamer, so dass nun die Mittagssonne unbarmherzig auf mich niederbrannte. Völlig erschöpft umrundete ich den Stamm und ließ mich gegen ihn sinken. Ich wusste nicht, wie es jetzt weitergehen sollte, Hatte ich Lucas nicht erst gestern versprochen, dass ich es hier eine Woche aushalten würde? Ich konnte nicht einfach abhauen, ich wusste doch sowieso nicht wohin ich sollte, also wäre es wahrscheinlich das Beste, wenn ich zurück in die Stadt ginge. Ich wollte ja nicht behaupten, dass ich dort zwingend sicherer aufgehoben war, aber wie es schien, kam ich so schnell nicht mehr aus der Sache heraus. Schwerfällig stand ich auf und ging weiter. Falls Marx mich verfolgte, wollte ich nicht unbedingt auf ihn warten. Hinter mir hörte ich Schritte durch den Wald stampfen, aber vielleicht spielten mir auch nur meine Nerven einen Streich. Ich konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Deshalb beschleunigte ich nur meine Schritte und verbot es mir zurück zu schauen. Ich kannte den Weg hier nicht mehr, und wäre ich auf eine Gabelung gestoßen, hätte ich nur raten können, in welche Richtung ich musste, doch da es immer nur geradeaus ging hatte ich keine großen Probleme. Ich weiß nicht, wie lange ich einfach nur geradeaus ging, irgendwann beschloß ich, dass mir niemand folgte, aber eine Pause wollte ich dennoch nicht einlegen. Ich brauchte sicher Stunden, bis ich die Stadt vor mir erkennen konnte und noch weitere bis ich sie erreichte. Sie sah heute jedoch anders aus als in meinen Erinnerungen. Alles wirkte irgendwie... festlicher.

Vielleicht bildete ich es mir nur ein, ich war erst einmal in den äußeren Bezirken gewesen und da hatte ich nicht sonderlich auf sie geachtet, doch es gab überall kleine Anzeichen für eine Feier. An den Fenstern standen Kerzen und Bilder, deren Sinn ich nicht verstand, überall rannten Kinder in ihren schönsten Gewändern herum und an den Wänden hingen prunkvolle Fahnen.

Ich wusste nicht, wie ich wieder in die Nähe meiner Wohnung kommen sollte. Gestern war ich einfach blind davon gelaufen, ohne mir Gedanken über den Weg zu machen. Suchend sah ich mich um. Für mich wirkten alle Gebäude gleich, natürlich, sie waren geschmückt, aber das half mir nicht, irgendwelche Orientierungspunkte zu finden, wenn dann verwirrte es mich nur noch mehr.

»Entschuldige? Kann ich dir helfen?«

Vor mir stand ein kleines Mädchen. Es war vielleicht sieben Jahre alt und hatte entzückende Ringellöckchen. Irgendetwas an ihr, das ich nicht genau benennen konnte, stach mir ins Auge.

»Ähm, ja, könntest du mich zu Lucas bringen?« Da fiel mir erst auf, wie dumm meine Bitte war. In dieser Stadt gab es bestimmt ein Dutzend Lucasse. Von wo sollte dieses Mädchen wissen, welchen ich meinte? Ich konnte ihm noch nicht mal seinen Nachnamen sagen. Doch es schien nicht eine Sekunde zu zögern, sondern packte mich mit seinem kleinen Händchen und begann die Straße hinab zu stampfen.

Wir gingen eine Weile schweigend bis wir an der kleinen Pizzeria vorbeikamen, in der ich gestern gegessen hatte. Ab hier kannte ich mich aus, aber das Mädchen hielt meine Hand weiterhin fest umklammert und marschierte weiter. Schließlich blieb sie vor einer der vielen Seitengassen stehen und zeigte mit dem freien Händchen hinein. »Da ist mein Bruder.«, sagte sie und wandte sich bereits wieder zum Gehen, doch bei ihren Worten hatte ich ihre Finger wie ein Schraubstock umschlossen und hielt sie dadurch fest.

»Er ist dein Bruder?«

»Ja. Lucas. Mein Bruder. Du weißt schon, ich bin Cecilie, seine große, unfassbar tolle Schwester. Und jetzt lass mich endlich los, ich bin mir sicher ihr habt momentan andere Dinge zu tun als mit mir zu reden.« Dazu machte sie eine Geste, die siebenjährige Mädchen definitiv nicht kennen sollten, und die mir einen empörten Ausruf entlockte. Cecilie entschlüpfte ein schelmisches Grinsen bevor sie ohne ein weiteres Wort verschwand.

Und Ich Bleibe...Место, где живут истории. Откройте их для себя