Kapitel 5 - Verwirrung

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1798

Seit ich hier lebe ist alles anders. Ich weiß nicht wie ich es mir vorgestellt habe, aber bestimmt nicht so. Cristin hat mir schnell vertraut. Sie ist keine besonders kluge Frau, sonst würde sie keine wildfremden Leute bei sich aufnehmen. Aber ich habe mich nicht beschwert, dieser Umstand hat mir meine Arbeit um einiges erleichtert. Mit Ketlin habe ich mich sofort gut verstanden. Ich verstehe nicht, wieso sie die Ednief verlassen hat, sie ist eindeutig keine Terroristin. Metha hat ihren Namen einige Male erwähnt, sie selbst spricht jedoch nie über die Vergangenheit. Es ist beinahe, als gäbe es nur das hier und jetzt. Auch mit Ketlins Mann komme ich gut zurecht. Er ist zwar ganz von Cristins Lügen vereinnahmt, aber er ist mit Abstand der sympathischste Mensch, den ich kenne. Da er Cristins Stellvertreter ist darf ich ihm allerdings auf keinen Fall trauen, völlig egal wie gern ich ihn mag. Aber ich bin mir sicher, dass er Ketlin liebt. Neben ihnen fühlt sich meine Beziehung immer noch erlogener und unvollkommener an als sonst. Ich weiß nicht ob ihnen auffällt, wie Cristoff und ich miteinander umgehen, oder besser gesagt, wie wir nicht miteinander umgehen. Im Gegensatz zu ihnen benehmen wir uns wie fremde, und das obwohl wir seit fünf Jahren zusammenleben. Hier, wo ihm Metha nicht mehr auf die Finger schauen kann, ist er freier. Beinahe glaube ich, dass er jemanden andere hat, aber ich habe keine Beweise, und selbst wenn es so wäre könnte ich es ihm nicht verbieten. Er wollte diese Verbindung nie. Ich habe ihn nie gefragt, warum er sich dennoch auf sie eingelassen hat, und ich werde es auch jetzt nicht tun. Schließlich habe ich noch meinen Stolz. Papa meint immer, dass der Stolz die eine Charaktereigenschaft wäre, die uns in den Abgrund stürzen würde. Vermutlich hat er recht und ich sollte ihm glauben, aber das ist leichter gesagt als getan. Auch wenn ich es niemals zugeben würde, verletzte mich Cristoffs Verhalten. Vielleicht hatten wir keine erstklassige Beziehung aber ich gab mir wirklich mühe. Ob ich das von ihm auch behaupten konnte, wusste ich nicht.

Seufzend ließ ich mich wieder in meine Kissen sinken. Es war vier Uhr morgens und ich wartete darauf, das mein Mann heimkam, damit ich mich schlafend stellen konnte.  Ich war wirklich erbärmlich.

2014

Mit dieser Entwicklung hatte ich nicht gerechnet. Nach dem gestrigen Tag war ich eigentlich hoffnungsvoll gewesen, was Cristoff anging, aber scheinbar war er in der Vergangenheit nicht die treuste Seele gewesen. Irgendwann in der letzten Nacht war ich in meinen Bett gelandet, vermutlich hatte mich Cristoff hierher getragen, doch nun konnte ich ihn nicht mehr sehen. Hoffentlich war er gegangen. Ich musste erst mal über einiges nachdenken, bevor ich ihn wiedersehen wollte. Langsam erhob ich mich, um mich für den Tag fertig zu machen, allerdings war ich noch nicht bis zur Tür gekommen, als ich lautes Geklapper aus der Küche hörte. Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich tun sollte, doch dann hörte ich Isas Stimme, die irgendeines unsrer Lieblingslieder missbrauchte. Isa konnte nicht singen. Zwar kannte ich niemanden, der mit mehr Elan bei der Sache war oder sich mehr bemühte, aber ihr fehlte einfach jegliches Talent.

"Darling, erspar es  uns bitte!" Von alleine würde sie nie erkennen, wie sehr sie ihre Umwelt quälte. Isa setzte eine beleidigte Mine auf, stellte das Gejaule allerdings ein.

"Willst du Frühstück? Ich schätze, mit etwas Glück könnte ich dieses Teufelswerk hier in Betrieb nehmen", demonstrativ wies sie auf einen Toaster, der mit seinen drei Knöpfen wirklich nicht allzu kompliziert aussah.

"Ja, bitte, und einen Kaffee, wenn du schon dabei bist."

Isas Gesicht wurde noch mürrischer, doch sie machte sich an die Arbeit. Sie hatte einfach nicht das nötige Durchsetzungsvermögen, um jemanden eine Bitte abzuschlagen. Als wir uns schließlich gemeinsam in den Essraum setzten, fing sie wieder an zu planen. Am liebsten wollte sie sich sofort die ganze Stadt ansehen, und wenn ich ehrlich war, war ich auch neugierig. Von meiner letzten Besichtigung mit Merten war kaum etwas hängen geblieben. Lieber wollte ich gar nicht daran zurückdenken. Unvorstellbar, was er nun von mir denken musste. Rückblickend verstand ich nicht wirklich, warum ich davongelaufen war, aber damals erschien es ganz logisch. Merten konnte ich auf jeden Fall nicht fragen, ob er sich nochmal für mich Zeit nahm. Nach der Auseinandersetzung mit Lucas durfte ich nicht mehr darauf vertrauen, dass er sich Zeit für mich nahm. Ketlin war bis jetzt immer freundlich und zuvorkommend gewesen, vielleicht konnte sie uns einiges zeigen, aber ich vermutete, dass sie mir ziemlich böse wegen der Sache zwischen Lucas und Merten war. Ich verstand zwar nicht, in welcher Beziehung sie zu Merten stand, aber er war ihr ohne Zweifel wichtig. Außerdem musste sie arbeiten.

Und Ich Bleibe...Where stories live. Discover now