Kapitel 6 - Vertrauen

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2014

Nachdem ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte, war ich gegangen. Ich fand schnell wieder zurück in die Wohnung. Scheinbar konnte ich mich inzwischen wirklich schon recht gut in der Stadt orientieren.

Isa war noch nicht zurückgekommen. Wahrscheinlich saß sie immer noch mit Maarja zusammen. Keine Ahnung was ich von Maarja halten sollte. Sie ergriff eindeutig für Lucas Partei und sie wollte, dass Isa verschwand. Zwar hatte sie sich nett mit ihr unterhalten und ich bezweifelte, dass Isa es bemerkt hatte, aber die Blicke, die sie mir zugeworfen hat, waren unverkennbar.

Zusammenfassend gesagt war ich einfach verwirrt, doch das wurde schön langsam ja zum Dauerzustand. Gestern noch wollte ich nichts mit Lucas zu tun haben, doch irgendwo wurde mir klar, dass er dennoch ein Teil von mir war, und dass ich ihn mit meinen Handlungen durchaus verletzen konnte.

Am besten war es wohl, wenn ich erst mal abwartete, bis ich wirklich verstand, was in meiner Vergangenheit passiert war, bevor ich wichtige Entscheidungen traf.

Das musste ich auch Cristoff mitteilen. Er war gestern so liebevoll gewesen und ich habe mich unendlich über seinen Blumenstrauß gefreut, aber soweit ich inzwischen wusste, war nicht immer alles so schön. Anscheinend hatten wir nicht aus Liebe geheiratet, und auch wenn er mir zu einem guten Freund geworden ist, für den ich vielleicht sogar mehr empfunden habe, ist dieses Thema nie Gesprächsstoff geworden, so dass auch er sich schließlich zurückgezogen hatte.

Ich wusste nicht, ob ich nur zu Lucas ging, weil ich einsam war, und er mich beachtete, oder ob ich ihn wirklich liebte. Ich wusste auch gar nicht, ob ich für Cristoff rein freundschaftliche Gefühle hegte, oder ob sie schon lange intensiver waren, und ich das nur nicht wahr haben wollte, da ich keine Hoffnung sah.

Außerdem musste ich mit Isa reden. Ich wollte sie nicht verlieren, so wie es Ketlin und Cristoff mit ihren irdischen Familien ging. Maarja hielt zwar nicht viel davon, aber sie war mir einfach wichtig und ich würde unsere Freundschaft nicht aufgeben, nur weil sich ein paar Dinge geändert hatten.

Ich wollte auch meine Eltern anrufen. Sie hatten die Wahrheit ebenso verdient. Ich wusste zwar nicht, wie ich ihnen alles erklären sollte, aber ich musste es zumindest versuchen.

Also verließ ich das Gebäude und versuchte zuerst Tobi zu erreichen. Er würde das alles noch eher verstehen als meine Eltern.

"Hey Minna, wo steckst du schon wieder? Mama ist echt sauer, dass du gestern nicht zuhause warst. Du weißt ja wie wichtig ihr dieser Tag ist. Ich denke, ich darf mich jetzt hochoffiziell ihr Lieblingskind nennen." Das war typisch Tobi. Selbst wenn er sich Sorgen um mich machte, brachte er diese mit einer Prise Humor herüber.

"Mir geht es gut. Es ist in den letzten Tagen nur einiges passiert und ich weiß gar nicht, wie ich es erklären soll. Ich kann mich in letzter Zeit an immer mehr Dinge erinnern, die in der Vergangenheit passiert sind, und damit meine ich nicht vor ein paar Monaten oder Jahren, sondern vor Jahrzehnten. Bevor du mich jetzt für total verrückt erklärst, hör mir bitte zu. Ich bin hier bei einer Gruppe die sich Besucher nennen, ich hab noch lange nicht verstanden, wie sie alle zueinander stehen, aber ich weiß, dass ich eine gemeinsame Vergangenheit mit ihnen habe und ich glaube, dass ich erstmal hierbleiben sollte, bis sich alles geklärt hat. Kannst du das verstehen?", ich wusste nicht was mich nun erwartete. Was sollte ich tun, falls mir Tobi nicht glaubte? Daran wollt ich gar nicht denken.

Tatsächlich herrschte am anderen Ende der Leitung verhältnismäßig lange Stille. "Meinst du das gerade alles ernst, Minna?" Tobis Frage war durchaus berechtigt.

"Ja, bitte denk nicht, dass ich den Verstand verloren habe oder so. Ich fühle mich momentan einfach, als würde sich die Welt viel zu schnell drehen, und immer wenn ich glaube, dass ich mich auf jemanden verlassen kann, entdecke ich etwas neues. Ich brauche meinen kleinen Bruder jetzt einfach." Ich war den Tränen nahe, aber ich würde trotzdem keine Gelegenheit auslassen, um ihn auf die elf Minuten aufmerksam zu machen, die ich älter als er war.

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 02, 2019 ⏰

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