Kapitel 10

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Sie umarmte mich. Ich konnte es nicht glauben und war einfach nur froh, dass sie nicht ausgeflippt ist. Nach einer Weile meldete er sich wieder. "Vielleicht sollten wir jetzt was essen. Soll ich dir helfen?" fragte ich.
"Nein, lass nur. Ich mach das schon." sagte sie und ging in die Küche. Ich rannte zu meiner Tasche und holte die Flasche Blut heraus. Einmal angesetzt war die Flasche nur noch halbvoll. Ich atmete tief durch, nahm die Flasche und ging zurück ins Wohnzimmer. Dann nahm ich noch einen großen Schluck.
"Ah, scheiße!" hörte ich Emma fluchen.
"Was ist denn los?" fragte ich besorgt und rannte in die Küche.
"Ich hab mich geschnitten." sagte Emma und steckte sich den blutenden Finger in den Mund. Sie hatte sich beim Gemüseschälen geschnitten. Sofort stieg mir der Duft von frischen Blut in die Nase. Blut allgemein riecht schon lecker, aber wenn es frisch ist, ist es noch intensiver. Der Hunger wurde immer stärker.
"Emma, wenn ich sage 'lauf' dann läufst du in ein Zimmer und schließt die Tür ab." sagte ich und versuchte mich zurück zu halten.
Sie sah mich fragend an. "Ok, lauf." rief ich. Während sie in ein Zimmer rannte, nahm ich den letzten Schluck Blut aus meiner Flasche. Nun war sie leer. Scheiße, was jetzt? Dachte ich. Mein Instinkt nahm langsam die Überhand. Ich flitzte hinter Emma her und knallte vor die verschlossene Tür. Ich schüttelte den Kopf. Nein, tu es nicht. Sie ist deine beste Freundin. Ich kam kurz zur Besinnung und zückte mein Handy.
"Hallo?"
"Hey, hier ist Meg. Ich brauch deine Hilfe. Sofort. Ich werde sie sonst umbringen..." sagte ich verzweifelt und nannte Emmas Adresse. "Emma, ich bin's. Olivia kommt gleich. Lass sie in deine Wohnung, ok?"
Ich hörte von drinnen ein leises Wimmern. Mein Instinkt wollte unbedingt diese Tür öffnen. Ich versuchte dagegen anzukämpfen. Es war wie ein Kräftemessen zwischen Gut und Böse. Kurze Zeit später klingelte es an der Tür. Olivia stellte sich kurz vor und Emma bat sie durch die geschlossene Zimmertür herein. Ich stand immer noch davor und wollte hinein. Meine Reißzähne waren ausgefahren und der Hunger war unerträglich.
"Meg, sieh mich an. Komm zu dir. Denk an unsere Übung. " holte mich Olivia langsam wieder in die Realität.
Ich merkte wie der Schleier von meinen Augen viel, aber der Hunger war immer noch da. Ich konzentrierte mich und versuchte dagegen anzukämpfen. Langsam funktionierte es und ich realisierte was gerade passiert war. Ich sah mich um. Olivia kam langsam auf mich zu und nahm mich in den Arm. "Alles in Ordnung da drinnen?" fragte sie.
"Ja, glaube schon." sagte Emma immer noch ängstlich.
"Du kannst raus kommen."
Das tat Emma auch und ich löste mich von Olivia. Mir liefen Tränen in die Augen und kullerten über meine Wange.
"Es tut mir so unendlich leid." sagte ich und senkte den Kopf. "Ich hab mich noch nicht ganz unter Kontrolle."
"Schon gut. Ist ja nichts passiert." erwiderte sie.
"Vielleicht ist es besser wenn wir jetzt gehen." sagte Olivia.
"Ok." willigte ich ein. Wie konnte das nur passieren? Es war nur ein kleiner Schnitt gewesen und ich raste so aus?! Das kann nicht wahr sein.
"Es wird alles gut. Das holen wir nach ok?" sagte Emma.
Emma holte mir meine Tasche und verabschiedete uns.
Bei den Autos angekommen, fragte ich Olivia ob ich noch mit zu ihr könne. Dann stieg ich in mein Auto und fuhr ihr nach.
-
Wortlos gingen wir nach oben in ihre Wohnung.
"Es tut mir so leid. Ich dachte, ich hab alles unter Kontrolle, aber da hab ich mich wohl geirrt." sagte ich immer noch traurig und enttäuscht von mir.
"Schon gut. Dann müssen wir halt mehr üben. Irgendwann schaffst du es." versuchte sie mich aufzumuntern. "Geht's denn jetzt wieder?" Sie sah mich besorgt an. Ich nickte und zückte mein Handy. Dann schrieb ich eine Nachricht an Emma.

Ich wollte mich nochmal entschuldigen. Wirklich, es tut mir voll leid. Ich dachte, dass ich alles unter Kontrolle hab, aber da hab ich mich wohl geirrt. Ich kann verstehen, wenn du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben willst.
Der Abend war trotzdem schön.
Danke noch mal.

Ich wusste nicht, was ich noch schreiben sollte, also drückte ich auf 'Senden'. Olivia reichte mir ein Glas. Ich nahm gleich einen großen Schluck, weil ich davon ausging es wäre Wasser oder Blut, aber es war Wein. Überrascht sah ich sie an.
"Das ist ja Wein." sagte ich ein bisschen perplex. Eigentlich wollte ich nie wieder Alkohol trinken, aber jetzt schmeckte dieses Glas Wein einfach nur gut.
"Ja." erwiderte sie und verstand wahrscheinlich nicht, weshalb ich so überrascht war. Sie bat mir einen Platz neben ihr auf der Couch an. Ohne zu zögern, setzte ich mich neben sie. Dann schauten wir noch ein bisschen Fernsehen.
"Ich fühle mich gerade so schlecht. Das wird sie mir nie verzeihen. Und ich könnte mir auch nicht verzeihen, wenn ich ihr etwas angetan hätte." sagte ich leise.
Sie sah mich mitleidig an. "Aber das hast du nicht. Schau mal, andere Hybriden hätten das nicht geschafft. Weißt du? Ich bin wirklich stolz auf dich, erstens weil du mich angerufen hast und zweitens, weil du dich schon selber kontrollieren konntest. Also zumindest ein bisschen" erwiderte sie.
"Wirklich?"
Sie nickte und ein leichtes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus.
"Eigentlich wollte ich nie wieder Alkohol trinken. Wie lange dauert es bis ich betrunken bin?" sagte ich und deutete auf mein Glas Wein.
"Ok." lachte sie. "Aber du wirst nicht betrunken."
"Ok... cool." lachte ich zurück. Zumindest kann ich damit niemanden mehr schaden.
Den Rest des Abends schwiegen wir. Ihre Nähe war so wunderbar und ich wollte sie am liebsten in den Arm nehmen und nie wieder loslassen.

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