Helle Monde (Teil 1)-4. Kapitel

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Der Vollmond erleuchtete die Senke am Meilenberg, dem Ort der großen Versammlungen, an dem alle vier Territorien der Clans aneinander grenzten.

Eichhornpfote wartete ungeduldig auf das Zeichen ihres Anführers, endlich auf die Lichtung preschen zu können. Nach über zwei langen Monden durfte sie mit ihrer Schülerausbildung fortfahren. Die junge Kätzin hatte lange darauf gewartet und heute, genau zur Versammlung, war es soweit.

Es wird nicht mehr lange dauern, dann bin ich auch eine Kriegerin...

Bei diesem Gedanken prickelten die Pfoten der jungen Katze und ihr Fell stellte sich auf. Sie konnte sich kaum noch zügeln.

Ich will jetzt endlich da durch! Warum dauert das nur so lange?

Bei dem Gedanken fuhr sie hoch.

Wo ist überhaupt Morgenstern?

Sie blickte sich um, konnte ihn aber nirgends sehen.

Nach einer Weile entdeckte sie den sandfarbenen Kater, der wenige Schwanzlängen von den Ginsterbüschen entfernt stand, die den Eingang zum Meilenberg markierten. Mit neugierigem Blick beobachtete die rote Kätzin den Anführer, der die Luft prüfend einsog und mit dem Schwanz unruhig hin und her zuckte.

Seltsam, Morgenstern ist doch normalerweise die Ruhe selbst, dachte die rote Kätzin und richtete sich auf.

„ Alles in Ordnung, Morgenstern?", fragte die Schülerin und tappte zu ihrem Anführer. Der drehte sich überrascht zu ihr um, wobei ihr der traurige Blick in den Augen des Katers nicht verborgen blieb.

„ Was? Ja, ja. Danke Eichhornpfote.", miaute er immer noch abwesend. Eichhornpfote tippte dem Anführer mitfühlend auf die Schulter.

„ Irgendetwas bedrückt dich, richtig?", hakte die Schülerin in der sanftesten Stimme nach, die ihr möglich war. Der Anführer senkte schweigend den Kopf. Traurigkeit strömte in Wellen von dem Kater aus und drohte Eichhornpfote zu überwältigen.

So habe ich ihn noch nie gesehen...

„ Morgenstern", begann sie sanft und blickte dem Anführer tief in die Augen, als dieser den Kopf zu ihr drehte. „ Ich weiß nicht, was für eine Bürde auf den Schultern eines Anführers lastet, aber du musst es nicht allein tragen. Deine Freunde und deine Familie können dir helfen. Du bist nicht allein." Sie stoppte kurz und vergewisserte sich, dass er ihr auch zuhörte.

„ Erzähl mir, was dich bedrückt. Du kannst deiner Enkelin ruhig vertrauen."

Nach kurzem Zögern begann er, wobei seine Stimme brüchig klang:

„ Weißt du, Eichhornpfote, es ist jetzt einen Mond her, dass Hellpelz zu den Ältesten gehen musste. Eigentlich müsste er jetzt neben mir stehen, unten vor dem mächtigen Felsen sitzen und mich von dort unterstützen."

Verstehe...

„ Aber du hast doch Finkenherz?", entgegnete sie.

„ Ja, ich weiß. Finkenherz nimmt seine Aufgabe auch sehr ernst und ich hätte mir keinen besseren Stellvertreter vorstellen können, aber..."

Er brach ab und ließ den Blick über die restlichen Katzen des WaldClans schweifen, die heute Nacht mitgekommen waren.

Glutherz und Ampferschweif saßen neben den beiden Heilerinnen Silberlicht und Tüpfelschweif und unterhielten sich miteinander, während Brombeerpelz, Bernsteinblick, Blattschweif und Wurzelschweif mit amüsiertem Blick die beiden Geschwister Heidelbeerpfote und Wieselpfote beobachteten, die ihre heute gelernten Kampftechniken trainierten.

Traurig erinnerte sich die rote Kätzin an den kleinen Bruder der beiden, der in der Blattleere an Grünem Husten gestorben war. Genau wie Blütenstiel.

Eigentlich hätte Braunjunges jetzt auch hier stehen sollen. Und Blütenstiel hätte sehen sollen, wie wir Schüler und dann Krieger werden.

Morgensterns tiefe Stimme riss sie aus ihren Gedanken zurück in die Wirklichkeit zu ihrem Anführer.

„ Aber Hellpelz war nun einmal mein Leidensgenosse. Wir haben gemeinsam unsere Schülerausbildung begonnen und haben auch zusammen unseren Kriegernamen von Dämmerstern erhalten. Weißt du, er fehlt mir einfach."

Heiliger SternenClan, ist das süß. Ich wünschte, sie könnten das hören...

Mitfühlend schmiegte sich die Schülerin an den sandfarbenen Pelz ihres Anführers.

„ Aber Morgenstern", schnurrte Eichhornpfote liebevoll. „ Er wird für immer bei dir sein, egal ob er nun ein Ältester, ein Krieger oder dein Stellvertreter ist."

Sie stoppte und tippte mit ihrem buschigen Schwanz auf Morgensterns Brust, da wo jede Katze ihr Herz hatte.

„ Er ist immer bei dir", flüsterte sie, wobei sie dem Kater in die Tiefen seiner bernsteinfarbenen Augen blickte. Nach mehreren Herzschlägen, die Eichhornpfote wie Monde vorkamen, nickte er ihr dankbar zu, hob dann stolz den Kopf und miaute das Kommando zum Aufbruch.

Die Katzen stürmten hinter ihrem Anführer her, durch die Ginsterbüsche hinein auf die Lichtung, wo sich inzwischen die restlichen Clans eingefunden hatten. Der Duft vieler Katzen strömte ihr entgegen, als die Schülerin auf die Lichtung trat und unter sich die kleinen, feinen Steine spürte, die sich leicht in ihre Ballen drückten.

Der WaldClananführer tappte eilig auf den mächtigen Felsen zu, der in der Mitte der Lichtung stand, kletterte hinauf und ließ sich neben den drei anderen Anführern nieder, die bereits ungeduldig auf ihn warteten. Morgenstern nickte ihnen zu, dann ließ er seine Stimme über die Lichtung schallen.

„ Die Große Versammlung ist hiermit eröffnet!"

Eichhornpfote tappte in die vorderste Reihe, damit sie den besten Blick auf die Anführer hatte, deren Schatten sich über die versammelten Clans warfen. Als die restlichen Katzen dem Ruf gefolgt waren und sich vor dem mächtigen Felsen niederließen, erhob sich der Anführer des BergClans.

„ Im BergClan gibt es drei neue Krieger", verkündete Schwalbenstern, wobei er die Muskeln unter seinem Pelz spielen ließ. „ Rußpelz, Graustreif und Kleefarn."

Jubelrufe erklangen und Eichhornpfote stimmte begeistert mit ein, wobei ihr auffiel, dass sich ihre Clangefährten ein wenig zurückhielten.

Ich verstehe diesen Stolz einfach nicht. Der Kampf ist über 10 Monde her. Warum können sie nicht...

Ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen, als Liliensterns Stimme über die Lichtung schallte.

„ Katzen der Clans", begann sie. „ Die Blattgrüne hat dem BachClan gut getan, wir haben so viele Jungen, wie lange nicht mehr. Igelpelz, Schneepelz, Tupfenschweif und Lichtherz haben ihren Kriegernamen erhalten und werden ihrem Clan treu ergeben sein."

Die schildpattfarbene Kätzin stoppte, als die versammelten Katzen Beifall jubelten und die Namen der neuen Krieger riefen. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, fuhr sie mit einem wehleidigen Ton in der Stimme fort.

„ Doch das ist noch nicht alles", miaute dieAnführerin des BachClans. „ Ich bedaure wirklich sehr, dass es so gekommen ist,aber Rotschimmer hat das Amt der Stellvertreterin niedergelegt, weil sie Jungeerwartet."

Schatten der VergangenheitWhere stories live. Discover now