Lageralltag und nährende Sorgen-10. Kapitel

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Glutherz' tappte gähnend aus dem Bau der Krieger. Die Luft roch noch feucht vom Regen in der Nacht, Wasser tropfte von den Büschen und die Sonne tauchte das Lager in ein blasses Gelb.

Der Krieger streckte die steifen Glieder und leckte sich ein paar Mal über das goldene Fell, bevor er sich langsam zum Frischbeutehaufen aufmachte. Freudiges Quieken ertönte vor der Kinderstube, wo sich Frostjunges, Weißjunges und Leopardenjunges von ihrem Vater Haselschweif um die Kinderstube herum scheuchen ließen. Eiszauber, die Mutter der drei, ruhte sich vor dem Eingang aus und genoss die wohlige Wärme des Morgens. Ab und zu warf sie einen flüchtigen Blick auf ihre Jungen, um sicherzugehen, dass sie den getupften Krieger nicht ärgerten. Glutherz beobachtete die drei Jungen mit neugierigem Blick.

Sie müssten bald zu Schülern ernannt werden. Vielleicht...

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als der Krieger Pfotenschritte durch den Ginstertunnel donnern hörte. Wenige Herzschläge später kehrte Hasenpelz an der Spitze der Morgenpatrouille ins Lager zurück, zwei Mäuse baumelten in seinem Maul. Hinter ihm folgten mit ein paar Schwanzlängen Abstand Tannenschweif, Blattschweif und Feuerschwinge mit seiner Schülerin Heidelbeerpfote, die ein riesiges Kaninchen durch den Ginstertunnel zerrte.

Der goldene Tigerkater machte große Augen bei dem Fang der jungen Schülerin.

Wahnsinn. So ein fettes Kaninchen habe ich ja noch nie gesehen.

„ Gratuliere Heidelbeerpfote!", rief er ihr entgegen und tappte hinüber zur Patrouille, die gerade ihre restliche Beute auf den Frischbeutehaufen warf. „ Das ist ein ausgezeichneter Fang. Darüber werden sich die Ältesten bestimmt freuen."

Die schildpattfarbene Kätzin ließ das Kaninchen auf den Frischbeutehaufen fallen und blickte ihn mit glitzernden Augen an. Ihm entging nicht, dass die Brust der Schülerin vor Stolz anschwoll.

„ Vielleicht solltest du ihnen das gleich bringen", bemerkte Feuerschwinge mit einem amüsierten Unterton in der Stimme. Die junge Schülerin nickte ihrem Mentor zu und machte sich mit dem Kaninchen auf Richtung Ältestenbau. Der goldfarbene Tigerkater blickte Heidelbeerpfote so lange nach, bis die schildpattfarben Kätzin hinter den Brombeerbüschen in der Felshöhle verschwunden war.

„ Sie macht große Fortschritte, Feuerschwinge", bemerkte Hasenpelz und blickte den Kater mit blitzenden Augen an, während ein warmer Luftzug durch das Lager streifte und das Fell der Katzen gegen den Strich wehte.

„ Sie ist eine eifrige Schülerin, das muss ich sagen. Aber manchmal kommt ihr das in die Quere. Sie muss noch lernen, sich für längere Zeit zu konzentrieren", erwiderte der braune Kater und richtete die feuerroten Augen, die ihm auch seinen Namen gegeben hatten, unverwandt auf den braunen Tigerkater.

Doch das Gespräch wurde unterbrochen, als Morgenstern aus seinem Bau getappt kam und mit einem Satz die Hochnase herunter sprang, um die zurückgekehrte Patrouille zu begrüßen.

„ Sieht so aus, als läuft die Beute richtig gut."

Blattschweif schnurrte zufrieden, während ihre Pfoten ungeduldig den Sand unter ihr bearbeiteten.

Anscheinend will sie sofort wieder hinaus. Kein Wunder, bei den ganzen frischen Gerüchen, die im Wald auf jemanden warten, der bis jetzt nur Blattfall und Blattleere erlebt hat...

„ Der Regen hat dem Wald gut getan. So viel Beute habe ich noch nie gesehen und überall in den Erdbauen ist Bewegung", miaute die dunkelbraun getigerte Kätzin mit dem weißen Bauch aufgeregt.

Morgenstern sah sich auf der Lichtung um. Glutherz folgte dem Blick des Anführers zu einem Wacholderstrauch, der den Bau der Krieger markierte.

„ Finkenherz?"

Der zweite Anführer kam wenige Herzschläge später aus dem Kriegerbau geeilt, dicht gefolgt von Bachblüte, einer cremefarbenen Kätzin mit weißer Nasenspitze.

„ Ich will, dass du eine zweite Patrouille Richtung BachClangrenze anführst und dort jagst."

Finkenherz' Augen leuchteten begeistert. Er nickte Blattschweif und Wolkennase zu, der ebenfalls gerade gähnend aus dem Bau der Krieger auftauchte, und sie machten sich gemeinsam mit Bachblüte hinaus in den Wald.

Feuerschwinge verabschiedete sich mit einem höflichen Nicken des Kopfes und verschwand mit wippendem Schwanz in der Kinderstube, wo Nebelfluss und ihre gemeinsamen Jungen auf ihn warteten.

Die beiden sind einfach füreinander bestimmt, dachte der Krieger und unterdrückte amüsiertes Schnurren. Während er seinen Gedanken nachhing, strich ein kühler Wind über das Lager und ließ den Kater frösteln.

Er schüttelte sich und blieb dabei mit den Augen am Eingang zum Heilerbau hängen. Traurigkeit umwölkte ihn plötzlich wie Nebelschwaden und er unterdrückte ein Zittern, das sich in seinem Pelz ausbreitete.

Wie es wohl Eichhornpfote geht? Ob sie schon aufgewacht ist? Was ist da nur passiert? Wird sie überhaupt wieder aufwachen? Sie schläft schon mehrere Tage und wenn sie nicht bald etwas ist, wird sie sterben. Was soll ich nur machen?

Fragen überschütteten ihn und drohten ihn zu überwältigen. Er hatte ganz plötzlich das Gefühl, als müsste er dringend in den Heilerbau hinein. Mehrere Herzschläge später straffte der goldfarbene Kater seine Schultern, hob die Elster auf, die ganz oben auf dem Frischbeutehaufen lag, und tappte hinüber zur Felsspalte, die den Eingang zum Heilerbau markierte.

Blinzelnd schlug Eichhornpfote die Augen auf. Dämmriges Licht umwölkte sie und so musste sie ungeduldig warten, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Weiches Moos polsterte den Boden unter ihr. Den Heilerbau erkannte die Schülerin sofort.

Immerhin ist es vor einer ganzen Weile mein Zuhause gewesen...

Der Duft nach Kräutern erfüllte die Luft und Eichhornpfote versuchte mühsam sie zuzuordnen.

Schließlich erkannte sie den süßlichen Geruch von Malvenblättern und erinnerte sich daran, wie Tüpfelschweif dies der roten Kätzin gegeben hatte, nachdem die Schülerin zu viel Frischbeute gegessen und anschließend über Magenschmerzen geklagt hatte.

Wenige Herzschläge später stieg ihr der scharfe Geruch nach Ampferblättern in die Nase, eine weitere Erinnerung blitzte vor ihrem geistigen Auge auf – ein drahtiger Tigerkater mit dunkelbraunem Pelz, der gemeinsam mit einem goldfarbenen Kater gegen einen Dachs kämpfte und verlor.

Armer Hellpelz...

Die rote Kätzin löste sich von dem traurigen Gedanken und versuchte sich zu bewegen. Sie zuckte jedoch zusammen, weil ihr ganzer Körper so sehr schmerzte, dass ihr die Luft wegblieb.

Was ist nur passiert?, fragte sich die Schülerin und kramte in ihrer Erinnerung. Bilder sausten Eichhornpfote durch den Kopf.

Blut, das ihr den Pelz verklebte. Zerfetztes Fell, das in die Luft geschleudert wurde und ein markerschütternder Schrei, der durch das dichte Blätterdach schallte.

Entsetzt riss die rote Kätzin die Augen auf und betrachtete ihren Körper. Sie entdeckte einen tiefen und langen Riss, der sich wie ein schneidendes Band über die Flanke der Schülerin zog. Ein Windstoß zog durch den Bau und ließ die Kätzin erschaudern, als ihr eine sanfte Stimme etwas ins Ohr flüsterte.

Die Dunkelheit wird nicht siegen, denn du bist am Leben.

Die Worte hingen wie Nebelfetzen in der Luft und ließen die Schülerin nicht in Ruhe.

Die Dunkelheit wird nicht siegen...

Die Pfoten der Kätzin begannen zu kribbeln. Ihr Pelz fühlte sich wie ein Igel an, der sich zusammengerollt hatte, um sich vor seinem Feind zu schützen.

Ein Geräusch vor dem Eingang des Baus ließ die rote Kätzin hochschrecken. Ihre Nase zuckte aufgeregt, als ein köstlicher Duft die Nase umwehte und ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Dabei hörte sie ihren Magen knurren.

Frischbeute!

Wenige Herzschläge später tappte ein goldfarbener Tigerkater mit einer fetten Elster in den Heilerbau und ließ sie mit einem lauten Platsch auf den Boden plumpsen.

„ Hey, dubist ja wieder wach!", miaute der Krieger sichtlich erfreut. „ Ich dachteschon, du schläfst jetzt für immer."


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⏰ Last updated: Jul 23, 2017 ⏰

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