Thirty-Eight. Frustration

20.8K 745 102
                                    

♦ Benjamin ♦

Die Tür prallt mit einem lauten Donnern gegen die Wand, der Putz der Wand rieselt zu Boden und ich fixiere Diego, der neben seinem Schreibtisch steht und die Arme vor der Brust verschränkt hat. Er grinst diabolisch, lässt seinen Blick über meine Gestalt wandern und hebt herausfordernd die Augenbrauen. „Hat ja lange gedauert", spottet er.

Mit einem Satz bin ich bei ihm, packe ihn am Kragen und drücke ihn gegen die Wand. Mit meinem Unterarm drücke ich gegen die Wunde an seinem Hals. Nicht zu fest, aber fest genug, dass er kurz nach Luft schnappt. „Was habe ich dir gesagt?", knurre ich. Meine Stimme überschlägt sich. Das Pochen in meinem Kopf ist unerträglich, doch ich konzentriere mich so gut es geht auf die Wut in meinen Adern. Es reicht immer wieder das Bild der beiden in meinem Kopf abzuspielen, wie er ihre Hand hält, um beinahe an die Decke zu gehen.

„Dass ich mich deiner heiligen Emily nicht nähern soll?", krächzt er und keucht, als ich den Druck an seinem Hals etwas erhöhe. Es ist das erste Mal, dass ich Diego bedrohe, dass ich ihn meiner Wut aussetze. Das kurze Aufflackern von karamellbraunen Augen in meinem Geist hält mich davon ab, ihn auf der Stelle die Luft abzudrücken. Auch er weiß es. Er weiß, dass ich ihr ein Versprechen gegeben habe, mich um ihn zu kümmern. Und so sehr es mich auch ankotzt, meine Versprechen halte ich immer.

„Exakt." Ich lasse ihn los, stoße ihn mit voller Wucht gegen die Wand, sodass sämtliche Luft aus seinen Lungen gepresst wird. Diego hält sich tapfer auf den Füßen, röchelt und richtet sich mit funkelndem Blick wieder auf. „Was also wolltest du an dieser Aussage nicht verstehen? Schließlich sah die Szene im Wohnzimmer nicht danach aus, als hättest du begriffen was ich gesagt habe."

„Leck mich, Ben!", stößt er hervor, „werde erst Mal wieder nüchtern, bevor du den Mafioso-Boss raushängen lässt." Er sieht die Faust genauso wenig kommen, wie ich begreife was ich tue. Meine Fingerknöchel knacken, als sie sein Gesicht treffen. Das Poltern als er zu Boden geht ist ohrenbetäubend und er ächzt schmerzerfüllt, während er sich herumrollt um mich wieder ansehen zu können. „Du treibst es zu weit!", zische ich ihm zu und baue mich direkt vor ihm auf. Seine Lippe ist aufgeplatzt, Blut tropft auf sein weißes Shirt und er grinst. Auch seine Zähne sind rötlich verfärbt. „Das kann ich nur zurückgeben." Kopfschüttelnd wischt er sich übers Gesicht. „Fick dich, Diego, und sieh zu, dass du mir die nächsten Tage nicht unter die Augen trittst."

Ich drehe mich um, wohlwissend, dass ich ihm sämtliche Knochen brechen werde, wenn ich jetzt nicht gehe.

„Sag mir nur eins", krächzt er, „seit wann kokst du wieder? Entwickelst du also doch etwas was einem Gewissen gleich kommt?"

„Vorsicht!" Ermahnend drehe ich mich um und zeige mit dem Finger auf ihn. Wie er so auf dem Boden kauert, ein sardonisches Lächeln auf den Lippen und ein Blitzen in seinen sonst so jungen Augen, erkenne ich ihn zum ersten Mal als Erwachsenen an. Der kleine Kerl von damals ist wie aus meinem Gedächtnis gewischt. „Entweder das, oder du verlierst wirklich langsam den Verstand. Du weißt selbst, dass du mit ihr die größte Scheiße deines Lebens abziehst!" Zähneknirschend lasse ich die Worte im Raum stehen, mache kehrt und haste den Gang entlang zu meinem Büro.

Meine Hände zittern vor aufgestauter Wut, das Hämmern in meinen Schläfen wird immer stärker und ich laufe ein paar Mal auf und ab, bis ich glaube mich beruhigt zu haben. Stöhnend setze ich mich an meinen Schreibtisch, stütze den Kopf in meine Hände und massiere mit Zeigefinger und Daumen meine Nasenwurzel.

Langsam gerät auf meinem Gelände alles außer Kontrolle und es lässt mich das Gefühl nicht los, dass ich mich auf sehr sehr dünnem Eis bewege. Von der Polizei habe ich seit ihrem Besuch auch nichts mehr gehört. Die Medien berichten von einer gefundenen Leiche im Dschungel, deren DNA erst noch geprüft werden muss, Santos hat auf mein Päckchen nicht reagiert und eine große Lieferung wurde letzte Nacht an der Grenze zu den Staaten abgepasst. Es lief schon mal besser.

Afraid of youWhere stories live. Discover now