Kapitel 3: Kein Entkommen

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"Darf ich was fragen?" versuchte ich ein Gespräch zu beginnen, während wir den langen Gang hinunterliefen. Es war ein beschwerlicher Weg, eng und kaum beleuchtet. Vereinzelt hingen dort ein paar Lampen, die aber eher weniger zur Beleuchtung beitrugen. Ich starrte die meiste Zeit auf den Boden, um nicht zu stolpern, doch Nathan schien den Weg ganz entspannt entlang zu spazieren und kümmerte sich gar nicht darum.
Alle paar Meter gingen links und rechts von uns weitere Gänge ab, die noch enger und dunkler waren. Doch Nathan schien sich nicht beirren zu lassen, er kannte sich wohl aus.
Ich schätze, dass wir unter der Erde waren.
Nathan zog die Augenbrauen hoch und nickte stumm.
"Weißt du wo der Ausgang ist? Ich will hier nämlich endlich raus.", fuhr ich fort und blickte ihn hoffnungsvoll an. Sein Gesicht veränderte sich und er sah kurz verwirrt aus, dann blickte er ernst und angespannt. "Ja, ich weiß wo der Ausgang ist, ich kenne hier jeden Zentimeter, aber ich glaube du verstehst nicht." Er blieb abrupt stehen und er schaute mitfühlend. "Für dich gibt es keinen Ausgang. Du wirst hier nicht mehr raus kommen."
Entsetzt starrte ich ihn an, ich konnte es nicht glauben. "Wie bitte?", schrie ich ihn wütend an. Das konnte nicht sein Ernst sein! Das durfte einfach nicht wahr sein. Er rollte mit den Augen.
"Ich glaube du hast mich schon verstanden."
Dann ging er einfach weiter und schenkte mir nicht weiter Beachtung.
"Wo zu Hölle sind wir, was willst du von mir?" brüllte ich ihm hinterher, doch er ignorierte mich. Ich raste vor Wut. Wenn ich etwas gefunden hätte, was ich nach ihm hätte werfen können, dann hätte ich es getan.
Doch er lief weiter und rief nur ungeduldig: "Beweg dich jetzt!".
Na ganz bestimmt nicht, sind denn alle verrückt hier? Ich schaute mich nach einem anderen Weg um. Nathan war ungefähr 15 Meter von mir entfernt stehen geblieben.
Wenn ich jetzt losrennen würde, dann hätte ich einen guten Vorsprung. Ich schaute zurück und überlegte kurz. Ich hatte eine gute Chance, ich war eine gute Läuferin und hier überall waren weitere Gänge, ich könnte mich verstecken. "Isabel.", er unterbrach meinen Gedankengang und beobachtete mich. "Wag es dir nicht!", fügte er finster hinzu.
Zu spät! Ich rannte bereits, noch bevor er seinen Satz beenden konnte. Den Weg zurück und dann nach links. Meine Lunge brannte, aber ich durfte nicht stoppen. Die nächste bog ich rechts ab und dann wieder links. Ich hatte komplett die Orientierung verloren, aber es war mir egal.
Ich blieb kurz stehen und horchte.
Nichts. Gar nichts. Nathan ist mir wohl nicht gefolgt. Gott sei Dank, ich atmete auf. Ich konnte nicht mehr und lehnte mich an die kühle Wand. Ich schloss die Augen, um noch ein paar tiefe Atemzüge zu nehmen, bevor es weitergehen sollte.
Als ich die Augen öffnete, um weiterzulaufen, stand er da. Direkt vor mir. Das war unmöglich, aber doch stand er nur wenige Zentimeter von mir entfernt.
Er stützte sich mit seinen Armen links und rechts von mir an der Wand ab. Seine Muskeln zeichneten sich deutlich durch das schwarze T-Shirt ab. Trugen hier alle nur schwarz?
Kein Entkommen. Ich konnte nicht weg.
"Nettes kleines Spielchen, aber ich bin schnell und außerdem kenne ich mich hier aus.", meinte er nur gelangweilt.
"Also, du wirst jetzt mitkommen, entweder freiwillig oder ich werde dich dazu zwingen. Auch wenn mir die erste Variante besser gefällt, ich greife auch gerne auf die zweite zurück.", jetzt lächelte er zuckersüß.
Ich hatte Angst, aber ich war auch wütend. Die Wut gewann die Oberhand und er funkelte mich herausfordernd an. Ich ballte meine rechte Faust und schlug ihm so doll ich konnte ins Gesicht. Eine Kurzschlussreaktion. Das war wahrscheinlich ein Fehler. Auch wenn er nicht mal mit der Wimper zuckte, schien er für einen kurzen Moment verdattert zu sein und das nutzte ich. Ich tauchte unter seinem muskulösen Arm durch und fing wieder an zu rennen. Hinter mir hörte ich ihn wütend fluchen und dann lag ich auch schon auf dem Boden.
Ich hatte ein Stein übersehen. Das konnte nur mir passieren, ich rannte hier um mein Leben und dann wird mir ein verfluchter Stein zum Verhängnis.
Abrupt stand er neben und blickte mit einer Mischung aus unbändiger Wut und Belustigung auf mich herab.
"Reicht es dir jetzt endlich?", fragte er während er mich grob zu sich hochzog.
Plötzlich schubste er mich gegen die Wand und hielt mich dort fest. "Tu das nie wieder! Du wirst mit mir kommen, so oder so. Es gibt kein Entkommen für dich. Also entscheide dich jetzt wie du es haben willst, mit Gewa..", er stockte und unterbrach seine Rede. Ich sah ihn verwirrt an. Was war denn jetzt los? 
Er trat ein Stück zurück. "Du..du.." stotterte er vor sich hin. Ich schaute ihn verwirrt an. Er schien sich wieder gefangen zu haben und musterte mich argwöhnisch. "Du blutest...", stellte er nüchtern fest.
Ich blickte an mir herunter, mein blaue Jeans hatte sich an meinem
Knie verfärbt. Das war es jetzt, was ihn so aus der Fassung gebracht hat? Er hatte Angst vor Blut? Dann war er ja wohl das absolute Gegenteil zu seinem gestörten Beißer-Freund Liam.
"Los jetzt!", befahl Nathan und schaute sich um. Versuchte er sich zu orientieren oder hatte er was gehört? Ich lauschte. Da war nichts. Alles war still.
Plötzlich hob er mich hoch. Ich geriet in Panik und strampelte. "Was tust du da?", brüllte ich. "Du brauchst mir zu lange.", erwiderte er nur stumpf und plötzlich rannte er los. Nein er rannte nicht, so schnell konnte niemand rennen. Flash, Flash konnte das vielleicht, aber Nathan? Das war unmenschlich, die Wände zogen rasend schnell an uns vorbei.
Ich kniff die Augen zusammen, ich hatte Angst. Angst vor ihm. Angst, dass er mich fällen lassen würde. Angst, vor der ganze Situation. Ich wusste einfach nicht was los war.
Es wurde plötzlich immer heller, er stehen und lies mich sanft runter. Ich öffnete die Augen und blinzelte, um mich an die veränderten Lichtverhältnis zu gewönnen.
Ich stand auf einem großen runden Platz. Der Raum war lichtdurchflutet, als würde man direkt in der Sonne stehen, doch wir waren nicht draußen...

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