1. Beginn

2.7K 154 6
                                        

TEIL EINS

Prolog


Bellatrix Black war zwölf Jahre alt, hochgewachsen für ihr Alter, mit dunklen Augen, in denen etwas lauerte, das man nicht benennen konnte – und vermutlich besser auch nicht sollte. Es war kein einfaches Funkeln von Neugier oder Trotz, sondern etwas Tieferes, Kälteres, das selbst Erwachsene unruhig machte, wenn sie es zu lange ansahen.
Nadja Avery war im selben Alter, doch sie wirkte neben Bellatrix jünger, kleiner, beinahe zerbrechlich. Ihre Bewegungen waren zurückhaltend, ihr Blick oft gesenkt, als würde sie instinktiv spüren, dass jedes falsche Wort ein Fehler zu viel sein könnte. Es war nicht das erste Mal, dass sie ein Wochenende im Haus der Blacks verbrachte – ein altes, düsteres Herrenhaus mit dunklen Korridoren und hohen Wänden. Ihre Eltern, ebenfalls aus einer der traditionsreichen Reinblüterfamilien, waren seit Jahren mit den Blacks befreundet, verbunden durch gemeinsame Werte, alte Blutlinien und eine Weltanschauung, die auf Reinheit und Macht beruhte. Was einst nur politische Nähe gewesen war, hatte sich mit der Zeit zu offener Loyalität gegenüber einem Mann gewandelt, der versprochen hatte, die Zaubererwelt zu reinigen: Lord Voldemort.

Die Beziehung zwischen den Familien war geprägt von prunkvollen Zusammenkünften, von Diskussionen in gedämpftem Ton, geführt in schweren Ledersesseln bei einem Glas Wein, von Theorien über Ordnung und Kontrolle, die wie selbstverständlich in den Köpfen der Anwesenden herumgeisterten. Die Ideologie war nicht mehr nur ein Thema für Debatten, sondern zu einem festen Bestandteil ihres Alltags geworden, zu einem Glauben, der wie ein dunkler Strom unter allem lag.
Die Averys hatten sich früh dem Dunklen Lord angeschlossen, ohne zu zögern, sehr stolz darauf, Teil von etwas Größerem zu sein. Die Blacks waren bald gefolgt. Gespräche zwischen den Erwachsenen drehten sich längst nicht mehr nur um politische Entwicklungen oder gesellschaftlichen Wandel, sondern um Strategien, um Opfer, um Machtverschiebungen, die nicht öffentlich, sondern im Verborgenen vorbereitet wurden. Nadja hatte schon früh gelernt, bei solchen Anlässen zu schweigen, nicht zu stören, und stattdessen mit gespitzten Ohren jedes Wort aufzusaugen.

An diesem Nachmittag waren die Erwachsenen wie so oft im Salon versammelt. Die schweren Türen waren geschlossen, Stimmen drangen nur gedämpft durch das Mauerwerk, dazwischen gelegentlich ein Lachen, das nicht heiter klang, sondern fast wie ein Echo von etwas Düstern. Die Gläser klangen leise aneinander, während sich im flackernden Licht des Kamins die Schatten an der Decke zu bewegen schienen.

Die Mädchen waren in Bellatrix' Zimmer im Westflügel. Die Tür war verschlossen, wie immer. Und wie immer war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass alles, was dort geschah, auch dort blieb.
Schon als Kinder, wenn ihre Eltern sich gegenseitig besuchten, ließ man die beiden stundenlang allein. Für Nadja war das manchmal eine willkommene Abwechslung. Sie war ein stilles, einsames Kind, und Bellatrix lange Zeit die einzige, mit der sie überhaupt spielen konnte. Und solange Bellatrix bekam, was sie wollte, solange sie sich im Garten das Spielzeug nehmen konnte, das ihr gefiel, verliefen diese Nachmittage ruhig und beinahe fröhlich. Aber Nadja wusste genauso, wie schnell sich das ändern konnte. Sie kannte den plötzlichen Wechsel in Bellatrix' Augen, dieses flackernde Feuer, das sich entzündete, sobald ihr etwas nicht passte. Sie hatte früh gelernt, wie unberechenbar Bellatrix war.


Bellatrix kauerte auf dem Boden, die Knie angezogen, vor sich ein kleiner vergoldeter Käfig, sorgfältig auf ein besticktes Kissen platziert. In dem Käfig saßen vier Meerschweinchen, zusammengedrängt in einer Ecke, zitternd, mit bebenden Schnauzen und aufgerissenen Augen. Sie schienen zu spüren, dass hier etwas nicht stimmte. Dass dies kein Spiel war, auch wenn es auf den ersten Blick danach aussehen mochte.

NON SUM TUA - Bellatrix Lestrange FFWhere stories live. Discover now