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Lord Voldemort hatte seine Anhänger zu einem weiteren Treffen gerufen. Malfoy Manor empfing Nadja und ihre Eltern wie immer mit Kälte. Nicht nur die Kälte des Steins, sondern die andere – die, die in Gesprächen saß, in Blicken, in der Art, wie Türen sich schlossen, ohne dass jemand sie berührte.

Der Versammlungssaal war voll mit Menschen. Dunkles Holz, schwere Teppiche, hohe Fenster, die kein Licht hereinließen. Die Todesser saßen bereits an ihren Plätzen, gekleidet in schwarze Roben. Gesenkte Blicke, ehrfürchtiges Schweigen.

Doch dieses Treffen war anders.

Zunächst schien alles wie gewohnt: Voldemort sprach über Strategie, über Schwächen der Feinde, über neue Namen auf Listen, über Loyalität und Strafe. Seine Stimme war ruhig, messerscharf wie immer, und in der Luft hing dieselbe angespannte Erwartung wie bei jedem seiner Worte.

Aber dann veränderte sich etwas. Seine Tonlage nicht. Aber der Inhalt. Er sprach nicht mehr von Blutschande oder Ungehorsam. Er sprach von Intelligenz. Von Voraussicht. Von der Macht des Verstandes über rohe Gewalt. Und dann fiel ihr Name.

„Nadja Avery", sagte der Dunkle Lord mit seiner flachen, schneidenden Stimme, die kein Echo brauchte, um sich im Raum festzusetzen.

Alle Blicke wandten sich zu ihr. Nadja konnte sich nicht rühren.

„Ihre Familie ist alt. Ihre Loyalität tief. Doch was sie besonders macht, ist nicht ihr Name."
Er ließ eine Pause. Fast, als würde er Nadja Raum geben zu atmen – oder sie zwingen, es nicht zu tun.

„Sie denkt. Anders als die meisten. Klar, strukturiert. Ihre Texte..." – seine Finger berührten ein altes, gefaltetes Blatt Pergament auf dem Tisch – „...sind präziser als viele meiner eigenen Berichte. Eine beeindruckende Fähigkeit."

Ein leises Raunen ging durch die Reihen, kaum hörbar. Nadja schluckte angespannt.

„Die Analyse. Logik. Ihre Fähigkeit, in Strukturen zu denken, ist bemerkenswert. Sie ist fortgeschrittener und reifer als andere Schüler in ihrem Alter. Daher habe ich auch große Pläne und Überlegungen für Miss Avery und ihre Zukunft bei uns."

Die Worte schnitten durch Nadja wie eine zu ruhige Klinge. Sie warf einen Blick durch den Raum. Die Blicke der Todesser hatten sich verändert. Kein Misstrauen mehr, kein Spott. Nur Respekt. Bewunderung. Denn Voldemort hatte noch nie so über jemanden gesprochen.

Und es war nicht als Geschenk gemeint. Es war eine Markierung. Er wollte aus ihr eine Todesserin machen.

Nadjas Atem ging flach. Ihre Hände lagen ordentlich gefaltet vor ihr, doch die Finger waren blass vom Druck.

Sie spürte, dass ihr Herz viel zu schnell schlug. Dass ihr langsam die Luft ausging. „Ich danke Ihnen", sagte sie leise. Ihre Stimme klang gebrochen, fern. „Aber... ich bin heute nicht ganz bei Kräften. Entschuldigt mich."

Nadja stand auf, schob mit zittrigen Händen den Stuhl zurück an den Tisch. Voldemort gab ihr einen kurzen Blick, ein leichtes Nicken. ,,Natürlich." Damit entließ er sie.



Nadja trat hinaus in den dunklen, leeren Korridor, wo der vorbereitete Portschlüssel lag, der sie zurück nach Hogwarts bringen würde. Es war ein alter, silberner Kerzenhalter auf einem Sockel.

Sie griff danach. Doch dann spürte sie einen brennenden Blick auf ihrem Rücken. Bevor der Schlüssel aktiv wurde, bevor sich die Magie verdichtete, drehte Nadja sich um.

Bellatrix.

Am Ende des Gangs, halb im Schatten, halb im Mondlicht aus dem hohen Fenster, stand sie.
Ihre blasse Haut schimmerte wie polierter Marmor, das dichte schwarze Haar rahmte ihr Gesicht wie Rauch. Der Zauberstab in ihrer Hand war gezückt, er glitt langsam zwischen ihren Fingern.

Ihr Grinsen war hasserfüllt. Süßlich. Und vollkommen ernst.

Nadja starrte sie mit geweiteten Augen an, starr vor Entsetzen. Denn Bellatrix blickte sie nicht länger an wie eine Rivalin – sondern wie eine Beute. Ihre Beute.

Nadja öffnete den Mund, wollte etwas sagen, irgendwie reagieren. Doch da war es schon zu spät. Der Portschlüssel glühte auf, riss ihr den Boden unter den Füßen weg, zog sie in das rotierende Dunkel der Teleportation, zurück nach Hogwarts.

NON SUM TUA - Bellatrix Lestrange FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt