11. Zerbrechlich

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In den Wochen nach ihrer Rückkehr hatte sich etwas verändert. Bellatrix sprach kaum noch mit Nadja. Sie schien zurückhaltender, fast höflich. Und obwohl Nadja nie ganz vergaß, wozu dieses Mädchen fähig war, fühlte sich der Abstand zwischen ihnen nach Ruhe und Gelassenheit an.

Wenn sie sich begegneten – bei einem Treffen in Malfoy Manor oder in einem überfüllten Flur auf dem Weg zum Unterricht – war Bellatrix' Verhalten überraschend friedlich. Manchmal schenkte sie ihr ein kurzes, beinahe freundliches Lächeln vom anderen Ende des Klassenzimmers. Manchmal ließ sie beiläufig eine Hand auf Nadjas Schulter gleiten, wenn sie sich an ihr vorbeidrängte – sanft, flüchtig, fast wie eine Geste der Nähe.
Jedes Mal zuckte etwas in Nadja, tief im Bauch: ein Rest aus Angst, Unverständnis und jener stummen Anspannung, die bleibt, wenn man weiß, dass man mit jemandem spricht, der einem einmal fast das Leben genommen hätte.

Auch von Lord Voldemort hatte sie in dieser Zeit nichts mehr gehört. Kein Zeichen, kein Ruf. Als hätte er sie vergessen. Oder in Ruhe gelassen, um zu beobachten, was sie mit der Stille anfangen würde.


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In der Zwischenzeit hatte sich Lily wieder Ärger eingehandelt. Ihre heimlichen nächtlichen Treffen mit James waren aufgeflogen – endlich, wie sie selbst halb lachend zugab –, und Professor Royce hatte sie dabei ertappt, wie sie nach Sperrstunde aus James' Schlafsaal schlich.

Die Strafe: Sozialstunden. Müll sammeln im Innenhof. Ein bisschen Demütigung, ein bisschen körperliche Arbeit. Für Lily halb so wild.

Die Sonne hing tief über dem Innenhof, golden und mild. Nadja und Sirius hatten sie begleitet, ohne zu fragen, ob sie überhaupt Hilfe wollte. Sie waren einfach dagewesen – wie eine kleine, eigens gebildete Fraktion gegen die Welt, während sie zusammen alte Pergamentfetzen, Verpackungen und zerknitterte Flugzettel aufsammelten.

Lily schleppte einen alten Eimer voll leerer Schokofroschverpackungen über das Kopfsteinpflaster, während Sirius mit seinem Zauberstab vergeblich versuchte, ein zusammengeknülltes Pergament in den Abfallkorb zu balancieren, der ihm mit jedem Versuch höhnisch entglitt.

„Accio Müll," murmelte er. Nichts. „Accio Würde." Der Papierball flog ein paar Zentimeter in die Luft, fiel dann in eine Pfütze.

Nadja lachte. Ein echtes, helles Lachen – das erste seit Tagen, das nicht irgendwo in ihr stecken blieb. „Vielleicht solltest du deine Zaubersprüche mal nach Farbe sortieren. Das scheint dein Gehirn ja auch zu brauchen."

„Ich sortiere nach Ästhetik, nicht nach Funktion," erwiderte Sirius trocken und warf ihr einen gespielt gekränkten Blick zu. „Aber klar, du als Ravenclaw kennst dich natürlich mit pragmatischem Denken aus. Sag, macht ihr in eurem Turm eigentlich auch Wochenpläne fürs Atmen?"

„Nur mittwochs." Nadja hob eine Augenbraue. „Freitags meditieren wir über den Sinn von Getränkezutaten. Sonntags machen wir Gruppendiskussionen über das Wetter von übermorgen."

„Das klingt furchtbar organisiert." Lily verzog das Gesicht und ließ sich mit einem dramatischen Seufzen auf die niedrige Mauer plumpsen. „Ich glaube, ich wäre nach einem Tag in eurem Haus klinisch tot. Würde aus versehen sterben an einer Überdosis Selbstdisziplin."

„Deswegen züchten wir bei uns intern kleine Gewissen, die uns nachts anschreien, wenn wir nicht genug gelernt haben," sagte Nadja und warf ein zerfleddertes Taschentuch in den Eimer.

Sirius schnaufte vor Lachen. „Ich wusste gar nicht, dass du lustig bist, Avery."

Nadja zuckte mit den Schultern, das Grinsen blieb in ihren Mundwinkeln hängen. „Kommt selten vor. Muss man genießen, solange es andauert."

Lily sah sie einen Moment an – liebevoll, aber wach. „Ich hab dich vermisst," sagte sie, leise genug, dass es fast in der Luft verschwand. „So wie du jetzt bist. Das bist du."

Nadja antwortete nicht. Aber ihr Lächeln wurde weicher. Etwas in ihr wollte diesen Moment behalten. So, wie er war: warm, albern, voll kleiner Bedeutungen.

Dann war es Sirius, der die Stille brach. Er wirkte erst noch wie Teil der Leichtigkeit – bis sein Blick sich veränderte, bis aus dem Scherz plötzlich etwas Ernstes wuchs. „Gab es eigentlich noch was mit Bellatrix?" Er sah Nadja an. Lang. Fragend.

Der Wind zog eine loses Blatt durch den Hof, trug es davon, während Nadja schwieg. Sie zögerte. Nein, sie würde ihm nicht von jener Nacht erzählen. Nicht von der gebrochenen Luft in ihrer Kehle, nicht von Bellatrix' Händen auf ihrer Haut.

Nadja sagte nur: „Sie ist... seltsam freundlich in letzter Zeit. Nett. Manchmal fasst sie mich sogar an. Streicht mir durchs Haar. Umarmt mich."

Lily verschluckte sich fast an ihrem Lachen. „Bellatrix? Du meinst Bellatrix Black? Die? Streicht dir durchs Haar? Umarmt dich?" Sie hielt sich den Bauch. „Ich glaub, ich hab sie zu lange für einen Dämon gehalten. Vielleicht hat sie ja Gefühle entwickelt. Oder sowas wie Menschlichkeit."

Aber Sirius lachte nicht. Sein Blick war dunkel geworden. Er schüttelte langsam den Kopf, als hätte er etwas Bestimmtes erwartet und jetzt bestätigt bekommen.

„Das ist kein gutes Zeichen, Nadja." Seine Stimme war leise. Kein Vorwurf, keine Panik – nur etwas, das zu oft erlebt worden war, um sich noch in Hoffnung zu kleiden. ,,Erinnert mich an früher... Da war sie auch so – kurz bevor sie jemanden umgebracht hat."

Lily sah zwischen ihnen hin und her, das Lächeln noch halb auf den Lippen, aber langsam verblassend.

Sirius fuhr fort, und seine durchforschenden Augen lagen nun nur noch auf Nadja. „Ich kenne meine Cousine gut... und das ist ihr Spiel. Sie tut so, als würde sie dich mögen. Fast liebevoll. Sie lächelt, berührt dich, macht dich weich – und du denkst, du kannst endlich durchatmen."

Er machte eine Pause. „Aber das ist der Moment, in dem sie dich hat. Wenn du denkst, du bist sicher. Wenn du denkst, vielleicht hast du dich in ihr geirrt."

Er trat einen Schritt näher. „Sie genießt das. Dieses falsche Vertrauen. Diese Verwirrung. Die Kontrolle. Es macht ihr Spaß, wenn du nicht mehr weißt, wo du mit ihr stehst."

Lily starrte ihn an, dann Nadja, und zum ersten Mal war auch in ihren Zügen eine Ahnung von echter Sorge.

„Ich mein das ernst," sagte Sirius. Die Stimme war jetzt fester. Klarer. „Du musst hier weg. Nicht irgendwann. Nicht vielleicht. Jetzt."

Er hielt inne, als müsste er selbst noch einmal schlucken, was er gerade ausgesprochen hatte.
„Sie hat sich entschieden, Nadja. Es ist nur noch eine Frage der Zeit."

Nadja sah ihn an. Schweigend. Und zum ersten Mal war da kein Widerwort auf ihren Lippen.

Nur ein leises, dumpfes Pochen in ihrer Brust, das sie kaum mehr ignorieren konnte.

NON SUM TUA - Bellatrix Lestrange FFTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang