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   Als Cerise aus ihrem Schlaf erwachte, konnte sie sich nicht mal mehr daran erinnern, dass sie überhaupt eingeschlafen war. Doch an den beiden Mahlzeiten, die vor ihr auf dem Boden lagen konnte sie erkennen wie lange sie geschlafen haben musste. Ihre Erinnerungen waren verschwommen und überschnitten sich auf merkwürdige Weise. Erst als sie begann sich zu bewegen, wurde ihr schmerzhaft gewahr was ihr geschehen war, bevor der Schlaf sie in seine erholsamen Arme schloss. Ihre Glieder schmerzten mit jeder ach so kleinen Bewegung und nachdem sie sich leicht aufgesetzt hatte, sah sie die vielen blutigen Striche, die durch die Leinen ihres Hemdes gesickert waren.

Die Erinnerungen an die Folterkammer wurden klarer und, obwohl sie sich bemühte sie rasch wieder abzuschütteln, spürte sie, wie sie sich tief in ihre Seele brannten, um dort schlimmere Narben zu hinterlassen, als die vielen Wunden, die ihren Körper überzogen. So schnell es ihr geschundener Körper erlaubte machte sie sich über die Schüssel Wasser her und aß soviel sie runter bekam. Das einfache Tongeschirr klapperte, als es unachtsam von der Schurkin richtung Tür geschoben wurde. 

"Kleine Diebin! Seid ihr wohlauf?", drang die gedämpfte, säuselnde Stimme von Koltira Todesweber an ihre Ohren. Sie stieß geräuschvoll und ein wenig erleichtert die Luft aus. Sie würde es nicht zugeben, aber seine Gegenwart hatte etwas Tröstliches. 
"Ich lebe noch", erwiderte sie viel schwächer als sie erwartet hatte. 
"Beim verfluchten Lichkönig! Dieses Biest schreckt nicht mal vor einer zarten Blume wie euch zurück. Diese Teufelin", presste er hörbar zwischen den Zähnen hervor. War es so? Cerise Erinnerungen sortierten sich und merkwürdige Gefühle von Vertrautheit schlichen sich in ihr Bewusstsein.

Nein. Sylvanas hatte nicht gewirkt als wenn sie diese Entscheidung leichtfertig, oder gar mit Genuss getroffen hätte. Am Ende war das aber ganz egal. Sie hatte den Befehl gegeben und die Folter war geschehen. Egal wie schwer sich die Herrscherin der Verlassenen womöglich mit dieser Entscheidung getan hatte.
Die Türe zum Zellengang wurde aufgeschlossen, vertraute anmutige Schritte erklangen und Cerise riss sich aus ihren Gedanken. 

"Schämt ihr euch nicht, Bansheekönigin? Ihr macht aber auch vor gar nichts halt", keifte Koltira laut aus seiner Zelle und die Schritte verstummten. Für den Moment war es totenstill geworden und die Schurkin kam nicht umhin die Luft anzuhalten. Sylvanas entfernte sich wieder etwas, bis die Tür erneut geöffnet wurde, durch die sie herein gekommen war. Cerise hörte die schwere Stimme der dunklen Läuferin, die offenbar einen Befehl erteilte, doch konnte sie nicht verstehen was sie sagte. Ihre Schritte trugen sie wieder näher, gefolgt von anderen. Wieviel konnte die Diebin nicht heraushören.

Zu ihrer Überraschung wurde nicht ihre Zellentüre aufgeschlossen, sondern die von dem Todesritter. 
"Ihr könnt es wohl nicht haben, wenn man euch die Stirn bietet, Mylady." Sylvanas antwortete nicht und ein kleines Handgemenge war zu vernehmen, gefolgt von sich wieder entfernendem Schritten. Die Schritte der Wachen und von Koltira hallten noch lange nach und Cerise dachte die dunkle Fürstin wäre mit ihnen in den Tiefen des Kerkers verschwunden, aber schließlich wurde auch ihre Zellentür aufgesperrt und im Rahmen erschien die dunkle Gestalt von Sylvanas Windläufer.

Ihre Miene war undurchdringlich. Die Schurkin staunte nicht schlecht, als plötzlich ihre schwarze Lederrüstung samt Waffen vor sie auf den Boden geworfen worden. Sylvanas folgte ihrem Habe und kniete sich zu ihr auf den Boden. Mit einer schnellen und geübten Bewegung öffnete sie die Armschellen und ließ sie geräuschlos zu Boden gleiten. Cerise verharrte einen Augenblick, bevor sie sich verwirrt die Handgelenke rieb und in das viel zu nahe Antlitz der dunklen Fürstin starrte. 

"Was...?", brachte sie mühevoll hervor. Sylvanas Miene veränderte sich rapide und wurde ernst und gehetzt. 
"Rasch! Die Wachen werden bald wieder da sein", sagte die Bansheekönigin gedrungen und drückte der anderen ihre Kleider in die Hand. Noch immer verwundert beobachtete die Diebin wie Sylvanas sich erhob und ihr in der Tür den Rücken zuwandte. 
"Na mach schon!", zischte sie leise, aber bestimmt. Und die Erkenntnis was hier vorging drang nur langsam in Cerise' Bewusstsein. Sie packte ihre Kleider und riss sich eilig das Leinenhemd vom Leib. Jede Bewegung schmerzte sie, aber sie hatte nun erkannt, welches Geschenk die dunkle Fürstin ihr gerade machte.

Im Verlies der dunklen FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt