Kapitel 55 - Diebe und Räuber

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Am nächsten Morgen spürte er jeden einzelnen Muskel in seinem Leib, trotzdem hielt er seinen Vorsatz und ging zu den Hochöfen. Bereits nach der zweiten Runde mit den Säcken fragte er sich, wieso zur Hölle er sich das antat. Nur weil er sich nicht eingestehen konnte, dass er schwach war? War es denn so wichtig, stark zu sein? Halt die Klappe, fuhr er den Zweifler in sich an. Du willst nur, dass ich aufgebe, damit du später mehr zu jammern hast.

Als es endlich Abend wurde, konnte er sich kaum mehr auf den Beinen halten. Er wusch sich an einem Brunnen, stolperte nach Hause, füllte seinen Magen mit was an Essen gerade herumstand, ohne irgendetwas davon zu schmecken, liess sich auf seine Matratze fallen und blieb lieben wie ein gefällter Baum, bis ihn eine Stiefelspitze hart in die Realität zurückholte.

Es war dunkel geworden und Jaz ragte als düsterer Schemen über ihm auf, bleich aber vergleichsweise nüchtern. „Poss will dich sehen", sagte er kalt.

Falrey hob den Kopf und drückte eine Hand auf die schmerzenden Rippen. Verfluchte Stahlkappe. Er realisierte, dass er immer noch seine Stiefel trug. „Wann?"

„Morgen."

„Wo?"

„Bei ihm. Ore."

Falrey nickte nur und liess sich hintenüberkippen.

Er verschlief am nächsten Morgen, aber vermutlich war es ohnehin besser, wenn er nicht fix und fertig bei Poss auftauchte. Den Nachmittag verbrachte er in der Stadt, kehrte heim zum Abendessen und brach dann wieder auf. Als er bei Poss eintraf, wartete der Dieb bereits auf ihn. Er grüsste Falrey mit Handschlag und meinte: „Ich hätte dich eher wieder brauchen können, aber ich konnte Jaz nicht erreichen. Wär praktischer, wenn ich einen direkteren Kontakt zu dir hätte und nicht jedes Mal über ihn gehen müsste."

Falrey nickte und dachte nach, aber ihm fiel nicht ein, wie sie das bewerkstelligen sollten ohne dass er ihm zu viel verriet. „Wie erreichst du Jaz?"

„Ich hinterlasse eine Nachricht für ihn im Roten Fuchs und der Wirt richtet sie ihm aus, wenn er wieder aufkreuzt."

Falrey nickte erneut. Das war keine schlechte Idee, allerdings lag der Rote Fuchs nicht an irgendeiner Strecke, die er lief, wenn er nicht ohnehin mit Jaz unterwegs war, ausserdem betrat er das Lokal nicht gerne, denn er fühlte sich darin wie der Hase im Hundezwinger. Er brauchte eine Schenke, die näher an seinen üblichen Routen lag, aber nicht zu nahe an der Steingasse, damit ihn niemand erkannte. Und auch nicht zu weit für Poss. „Kennst du ein Lokal im mittleren Min, in dem das funktionieren würde?"

Poss dachte nach. „Der Marschall könnte passen", meinte er schliesslich. „Liegt etwas südlich des Runden Platzes."

Falrey nickte knapp. Das war perfekt. „Ich versuche, jeden zweiten Tag da aufzukreuzen. Wo genau?"

„Ich zeigs dir", erwiderte Poss. „Wir müssen sowieso in diese Richtung."

„Beobachten?"

„Nein, Einbruch", erwiderte Poss.

Falrey entledigte sich seiner Weste und der Stiefel und sie brachen auf. Der Marschall lag hinter einem kleinen Brunnen an einer Gasse, die vom Runden Platz wegführte, und war eine nicht ungemütliche Schenke mit einem halben Dutzend Tischen und einem Tresen, hinter dem zwei grosse Fässer thronten. Der Wirt begrüsste Poss wie einen guten Bekannten. „Abend, Poss. Ein Dunkles?"

„Abend, Jeskin. Nein, heute bin ich nicht unterwegs, um zu trinken. Ich möchte dir den Jungen hier vorstellen." Er schob Falrey nach vorne und der runde Wirt musterte ihn. „Sein Name ist Fal, und wenn ich dir in Zukunft eine Nachricht für ihn dalassen sollte, ist er der, dem du sie ausrichten sollst."

Niramun II - Mörder und BastardWhere stories live. Discover now