Kapitel 88 - Selbstlos

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Er fühlte sich immer noch benommen vor Glück, als er die Tür des Marschalls aufstiess und in das Gemisch aus Lärm, Rauch und Biergeruch eintauchte. Es war bereits spät und Jeskin hatte alle Hände voll zu tun mit den Leuten, die aus früher schliessenden Lokalen herüberschwappten, dennoch kam er sofort auf Falrey zugeeilt, als er ihn am Tresen erblickte. Ohne auf eine Bestellung zu warten, schob er ihm ein dunkle Bier hin und steckte die Münzen dafür ein, bevor er meinte: „Jemand hat eine Nachricht für dich hinterlassen. Ein junger Bursche, in deinem Alter, dunkle Haare, etwas blass um die Nase. Er lässt fragen, ob du vorbeikommen kannst, er könnte deine Hilfe gebrauchen."

„Wann war er hier?", fragte Falrey.

„Vorgestern, denke ich", antwortete Jeskin. „Soll ich ihm was ausrichten?"

Falrey schüttelte den Kopf. Er trank zügig aus und machte sich dann direkt auf den Weg zum Liliths.

Zuerst klopfte er an die Hintertür, aber niemand öffnete und so war er gezwungen, den Vordereingang zu nehmen. Das erste, was er hörte, nachdem er eingetreten war und die Tür hinter sich zuziehen wollte, war ein Quieken, dann fiel ihm Ezali um den Hals. Er lachte und umarmte sie, bevor er auch die anderen begrüsste.

„Schön, dich zu sehen", grinste Samalja.

„Ebenfalls", erwiderte er mit einer schalkhaften Verbeugung, dann fand sein Blick Djora, der an der Wand lehnte und schief grinste.

„Bei mir freuen sie sich nie so", murmelte er, als Falrey zu ihm trat und ihm die Hand entgegenstreckte. Djora schlug ein und Falrey zog ihn kurzerhand ebenfalls in eine Umarmung, denn er wirkte, als hätte er sie bitterer nötig als die Mädchen. Seine Handflächen waren kalt, die Haut unter seinen Augen dünn.

„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat", meinte Falrey leise.

Djora winkte ab. „Komm, ich geb dir Klamotten."

Mit einem Blick durch den Empfangsraum, in dem sich niemand ausser den Mädchen aufhielt, ging er Falrey voran. „Ruhiger Abend heute?", fragte Falrey, während sie die Treppen hochstiegen.

Djora nickte. Er schloss die Tür zu seinem Zimmer auf und öffnete die Truhe, um etwas herauszusuchen. Der Raum wirkte weniger ordentlich als beim letzten Mal, Hemden lagen zusammengeknüllt am Boden, neben dem Bett reihten sich mehrere leere Tonkrüge und die Überreste eines Abendessens. Falrey probierte drei Hemden an, bis ihm eines passte, und zog sich um. Djora wartete auf dem Hocker neben dem Bett sitzend, dann meinte er leise: „Danke fürs Kommen."

„Keine Ursache", erwiderte Falrey mit einem aufmunternden Lächeln. „Ruh dich aus."

Djora liess sich einfach seitwärts vom Hocker ins Bett kippen.

Dort verbrachte er die ganzen nächsten Tage über, zumindest soweit Falrey das beurteilen konnte. Auf jeden Fall sah er nicht viel von ihm vor oder während der Arbeit. Am dritten Abend tauchte Jelerik auf und reagierte überrascht, als er Falrey dastehen sah. „Was machst du hier? Wo ist Djora?"

Falrey setzte zu einer Erklärung an über die Vereinbarung, die sie getroffen hatten, aber nach der Hälfte winkte Jelerik ab. „Regelt das, wie ihr wollt. Solange immer jemand da ist und die Arbeit macht."

Falrey nickte, Jelerik verschwand im kleinen Büro, um seine Buchhaltung zu machen, und als er etwa zwei Zeiten später wider ging, meinte er zu Falrey: „Ach übrigens: morgen hätte Djora ohnehin frei. Du brauchst also nicht zu kommen. So wie ich ihn kenne, hat er vergessen, dir das zu sagen."

Falrey grinste leicht, gab aber keinen Kommentar dazu ab.

Jaz Bett war unbenutzt, als er am nächsten Mittag erwachte. Bereits die letzten Tage über hatte Falrey nicht allzu viel von ihm gesehen, vielleicht war er an einem Auftrag, der mehr Beobachtung erforderte. Falrey war nicht unbedingt glücklich darüber, denn er hätte das Training gut gebrauchen können als Ablenkung von Nemi. Die drei Tage Hausarrest, von denen sie gesprochen hatte, waren jetzt zwar um, aber ihm blieb kaum etwas anderes übrig als zu warten, bis sie versuchte ihn zu erreichen, und ein Blick nach draussen zeigte ihm, dass Misty nicht einmal an seinem Platz sass.

Niramun II - Mörder und BastardUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum