2. Dezember - Lebkuchen

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Die Weihnachtszeit ist eine Zeit der Freude - zumindest sollte sie das sein. Für mich war sie das allerdings nicht. Vor einer Woche waren wir hierher gezogen - eine kleine Stadt mit einer ebenso kleinen Schule.

Den ganzen Tag über hatte ich in der letzten Reihe gesessen - alleine. Jetzt klingelte es zum Ende der sechsten Stunde. Ich sprang auf, warf meine Sachen in die Tasche und lief so zielstrebig aus dem Klassenzimmer. Gerade als ich meine Jacke angezogen hatte, tippte mir jemand auf die Schulter, worauf ich mich umdrehte. Vor mir stand ein brünettes Mädchen.

"Hast du Lust mit mir auf den Weihnachtsmarkt zu gehen?" Ich hatte schon gedacht, dass ich dieses Jahr alleine gehen müsste, weil meine Mutter weder Zeit noch Lust hatte mich zu begleiten. Schon als Kind hatte ich Weihnachtsmärkte geliebt, den Geruch von gebrannten Mandeln und die Atmosphäre. Erst zögerte ich, schließlich kannte ich dieses Mädchen überhaupt nicht, doch ich ging lieber zusammen mit einer Fremden als alleine, also willigte ich ein.

"Wie heißt du nochmal?", es war mir unangenehm nach ihrem Namen zu fragen, weil sie sich meinen mit Sicherheit gemerkt hatte. Den Namen der Neuen vergisst man nicht so leicht.
Doch sie lächelte: "Alice. Deinen Namen kenne ich ja - Leona."

Alice wohnte in der Nähe der Schule. Sie erzählte mir, dass se dadurch in fünf bis zehn Minuten an der Schule war und deshalb zu einer Zeit aufstand, zu der ich schon zur Bushaltestelle laufen musste. Für einen Moment stieg Wehmut in mir auf: Als ich noch auf meine alte Schule ging, war ich jeden Morgen zusammen mit meiner besten Freundin gelaufen.
Mein Gesichtsausdruck schien mich verraten zu haben, zumindest fragte Alice: " Leona, alles okay?" Ich nickte schnell und versuchte die Gedanken an mein altes zu Hause abzuschütteln. Wir stellten unsere Schultaschen bei Alice ab und machten uns auf den Weg.

Dafür, dass das hier bloß ein unbedeutendes Städtchen war, hatte es einen riesigen Weihnachtsmarkt. In der Mitte stand ein großer Weihnachtsbaum und darum standen die verschiedensten Buden: von Baumschmuck über gebrannte Mandeln zu Lebkuchenherzen.

Alice bewunderte gerade einen aus Holz geschnitzten Schwibbogen, als mein Blick auf das Karussell fiel. Die sich im Kreis drehenden Figuren und die Weihnachtsmusik erinnerten mich an die Zeit, in der meine Eltern noch nicht getrennt lebten. Ich wollte damals immer noch eine Runde fahren, und noch eine, und noch eine...

"Wollen wir mit dem fahren?" Ich zuckte zusammen, ich hatte gar nicht bemerkt, dass Alice sich neben mich gestellt hatte.
"Aber das ist doch für Kinder.", wand ich ein, unsicher ob sie das ernst meinte.
"Das ist doch egal!", rief Alice und lief zu dem kleinen Kassenhäuschen, in dem ein Mann mit grauem Bart stand. Kurz darauf kam sie mit zwei blauen Chips wieder. Einen drückte sie mir in die Hand, den anderen behielt sie selbst. Dann nahm sie mein Handgelenk und zog mich zu dem Karussell. Sie setzte sich auf eines von zwei weißen Pferden, ich mich auf das neben ihr. Der bärtige Mann, der Alice die Chips verkauft hatte, ging nun herum und sammelte diese wieder ein. Und schon begann das Karussell sich zu drehen. Alice und ich lachten, während die Pferde sich auf und ab bewegten.

Die Fahrt war viel zu schnell vorbei, doch Alice war kaum abgesprungen, schon hatte sie etwas Neues entdeckt. Sie zog mich zu einem Stand mit Lebkuchenherzen. Nach kurzem Überlegen kaufte sie eines und hängte es mir um den Hals. Es war schwierig die Zuckergussschrift über Kopf zu lesen, aber nachdem ich die drei Worte entziffert hatte, breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus.

"Ich mag dich"

Es sah so aus, als würde die Weihnachtszeit doch noch schön werden.




Wer von euch ist damals auch so gerne Karussell gefahren? Ich habe immer mindestens drei Runden gedreht :)

Morgen ist schon der erste Advent - ich freue mich!

~ Sarah

Wie man eine Welt in Lametta einwickelt- Adventskalender 2017Where stories live. Discover now