Kapitel 38

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Ariana

I Found - Amber Run

Den restlichen Tag durchlebe ich wie eine Leiche. Ich bin da, aber irgendwie auch nicht. Der Unterricht zieht an mir vorbei, in den Pausen verkrieche ich mich in der Bibliothek und auch sonst gehe ich jedem aus dem Weg, den ich kenne und der auf die Idee kommen könnte, ein Gespräch mit mir zu beginnen.

Monoton schlendere ich durch die Straßen und mache mich auf den Nachhauseweg. Der Unterricht ist zu Ende.

Endlich.

Glaubt mir, die Zeit bis jetzt zu überstehen war alles andere als einfach. Es war die ganze Zeit über schwer nicht an Ort und Stelle in Tränen auszubrechen, denn das ist es, was ich am liebsten den ganzen Tag getan hätte. Weinen. Alles raus lassen. Einfach mal nicht stark sein. Und das nicht nur wegen Edon. Nicht nur wegen seinen Worten, die sich tief in mein Herz gefressen haben. Wegen einfach allem. Wegen meinem ganzen, verkorksten und zutiefst beschissenen Leben.

Ich kann einfach nicht glauben, dass dieser ganze Albtraum wahr sein soll. Edon erwidert meine Gefühle nicht und geht mir aus dem Weg, meine Mutter liegt im Koma und es ist meine Schuld, mein Vater ist irgendwo im nirgendwo und schert sich einen Dreck um uns und der einzige, der mich nie verletzt hat, ist der, den ich belüge. Der, den ich unfair behandle und das ohne das er etwas getan hat.

Mace hat das einfach nicht verdient...

Ich fahre mir erschöpft übers Gesicht und laufe die Terrasse hoch zur Haustür. Stumm krame ich nach meinem Schlüssel und mache mich innerlich auf eine große Portion Schokoladeneis bereit.

Das ist das einzige, was mir nun helfen könnte.

Traurig über meine eigenen, dummen Gedanken öffne ich die Tür und betrete mein Zuhause. Doch mich empfängt keine Ruhe, wie ich es sonst nach der Schule gewohnt bin. Nein, vielmehr höre ich Stimmen.

Mace...

Ja, dass muss Mace sein. Aber mit wem spricht er und warum hört er sich so wütend an? Verwirrt runzle ich die Stirn und lege meine Schlüssel auf die Kommode. Nachdem ich mich auch meiner Jacke und meinen Schuhen entledigt habe, laufe ich seiner Stimme nach, die mich zur Küche führt.

»Ich kann echt nicht glauben, dass du die Frechheit hast, nach all den Monaten einfach wieder hier aufzutauchen!«, brüllt Mace und hört sich zutiefst erschüttert an. Ich halte kurz inne und bemerke, wie sich mein Herzschlag beschleunigt.

Mit wem spricht er da?

Langsam halte ich inne und luge durch den offenen Türspalt.

»Ich kann das wirklich nicht glauben... Nein, - verschwinde! Verschwinde sofort!«, knurrt Mace erneut und er ist auch der erste, den ich erkennen kann. Er steht mit dem Rücken und ist total verkrampft.

So habe ich ihn schon lange nicht mehr erlebt.

»Mace... ich bitte dich. Hör mir zu. Das ist alles eine lange Geschichte. Ich brauchte einwenig Zeit für mich aber jetzt... jetzt will ich wieder für euch da sein. In guten wie in schweren Tagen.«, höre ich nun eine andere, mir allzu bekannte Stimme sagen.

Mein Herz setzt aus und mir wird eiskalt.

»Einen scheißdreck willst du!«, schreit Mace, der mit seiner Faust auf den Tisch haut und zur Seite taumelt. Dadurch gibt er mir die Sicht auf ihn frei. Den Menschen, den ich nun am aller wenigsten zu Gesicht bekommen will. Der Mensch, der mich am meisten auf der Welt verletzt hat.

Casanova ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt