Kapitel 18

898 51 2
                                    

“Du willst was?” Seit einer geschlagenen Stunde tigerte meine beste Freundin durch mein Wohnzimmer, während ich auf der Couch saß und meine Hände knetete.

“Ich habe ein sehr gutes Jobangebot aus einer Klinik aus Stuttgart. Du weißt, dass ich eine Ausbildung als Kinderkrankenschwester habe. Es war immer mein Traum auf der Säuglingsstation zu arbeiten und nun würde dieser Wunsch endlich in Erfüllung gehen. Es ist eine einmalige Chance”, antwortete ich ihr und sehe zu Elena, die nur ungläubig mit dem Kopf schüttelte.

“Du rennst vor deinen Gefühlen weg”, sagte sie und nun war ich die, die mit dem Kopf schüttelte.

“Nein, dass tue ich nicht. Ich habe dieses Angebot seit einigen Monaten und nun wollen sie meine Entscheidung. Ich habe mich entschieden und du kannst mich nicht davon abbringen, dass ich nach Stuttgart gehe. Niemand kann das. Niemand außer einer.” Ich stand auf und ging zum Fenster, um auf die Straße zusehen. Natürlich würde alles hier vermissen  doch es war die richtige Entscheidung. Ich wollte meinen Traum einfach endlich verwirklichen.

“Ich versteh dich einfach nicht. Du willst einfach aus Dortmund verschwinden. Hast du eigentlich an mich gedacht? Du bist meine beste Freundin.” Elenas Stimme brach, während sie versuchte ihre Tränen unter Kontrolle zu behalten. Ich wusste, dass sie dachte, dass es eine Entscheidung gegen sie war. Doch das war es nicht. Es war eine Entscheidung für meine berufliche Zukunft.

“Du hast immer noch Marco. Du bist nicht allein”, sagte ich und drehte mich zu ihr um.

“Und was mache ich, wenn Marco nicht da ist? Wir sind seit dem Kindergarten befreundet. Es gab keinen Tag, an dem wir nicht durch dick und dünn gegangen sind. Willst du das alles hin schmeißen?” Ich verstand Elena nicht. Ich würde doch niemals unsere Freundschaft aufgeben, woran dachte sie nur?

“Ich möchte unsere Freundschaft doch nicht wegschmeißen, wie kommst du nur darauf? Ich möchte einfach nur meinen Traum verwirklichen, so wie es Marco und Erik es getan haben.” Unverständnis breitete sich in meinem Inneren aus, während ich wieder auf der Couch platz nahm.

“Es fühlt sich aber so an. Es spricht nichts dagegen, dass du deinen Traum verwirklichen willst. Aber muss es wirklich Stuttgart sein?” Fragend sah mich Elena an, der es immer schwerer fiel ihre Haltung zu bewahren.

“Ja, es ist das einzige Krankenhaus, das mir die Möglichkeit anbietet”, erzählte ich ihr, doch sie schüttelte wieder nur mit dem Kopf.

“Wie kann ich dich zum bleiben überreden?” Meine Entscheidung war gefallen. Es war endgültig.

“Das kannst du nicht. Das kann niemand.” Meine Worte waren hart, aber es entsprach der Wahrheit. Es war nichts als die Wahrheit.

“Nur Erik könnte dich vom Gegenteil überzeugen?” Elena sah mich nur an und wusste sofort die Antwort. Natürlich konnte Erik das nur, doch er akzeptierte meine Entscheidung. Er wollte mich sogar unterstützen.

“Er freut sich für mich und möchte mich von der ersten Sekunde an unterstützen.” Ich wusste, dass sie diese Worte nicht hören wollte, doch es entsprach nun einmal der Wahrheit.

“Ihr seid beide so dickköpfig.” In diesem Fall hatte Elena sogar recht. Erik und ich waren dickköpfig und stritten uns bis zur erbarmungslosen Wahrheit. Nur wenige Sekunden später verließ sie meine Wohnung.

Ich fühlte mich plötzlich so schlecht. Es war so als hätte ich sie verletzt, wahrscheinlich hätte ich das auch. Doch ich musste selbst wissen, was das Richtige war. Es war eine einmalige Chance. Auch, wenn ich dadurch die Menschen verlassen musste, die mir etwas bedeuteten.

Mein Smartphone riss mich aus meinen Gedanken als es anfing zu klingeln. Ich griff nur wenige Sekunden danach und nahm den Anruf an.

Josi? Mein Vater klang besorgt. Ich hatte ihn sehr selten so erlebt. Vorwiegend war es in der Zeit, in der ich noch ein kleines Mädchen war.

Ist irgendetwas passiert? Fragte ich sofort nach und umklammerte mein Handy fester. Wahrscheinlich traten meine Knochen schon weiß hervor, aber ich hatte Angst.

Nein, es ist alles in Ordnung. Ich habe nur einen Brief aus Stuttgart auf meinen Tisch liegen. Sie wollen, dass du in 3 Wochen anfängst. Das schockte mich nun doch ein wenig. In 3 Wochen. Es gab noch so viel zu erledigen und zu regeln. Wie sollte ich das nur schaffen?

In 3 Wochen schon? Ich dachte, dass sie mich erst in 2 Monaten wollen. Sagte ich und spielte an meiner Kette, die mir Erik erst vor kurzem geschenkt hatte. Der Anhänger war ein verschnörkeltes E. Er wollte vermutlich sicherstellen, dass ich ihn nicht vergessen würde.

Bei Ihnen ist Not am Mann. Erwiderte mein Vater und hörte sich alles andere als glücklich an.

Gerade, als ich ihm antworten möchte, klingelt es an der Tür.

Du, ich rufe dich später nochmal an. Es hat gerade an der Tür geklingelt. Doch ich wusste nicht wer hinter der Tür wartete. Eins wusste ich, dass es Elena auf keinen Fall sein würde. Sie war sauer auf mich und das würde ich noch Tage später zu spüren bekommen.

Mach dir keinen Stress. Du weißt jetzt, dass wichtigste und über die anderen Details können wir später darüber reden. Ich habe dich lieb, meine Große. Ich schloss für einen Moment die Augen, bevor ich sie wieder öffnete und langsam zur Tür lief.

Danke für alles. Ich hab dich auch lieb, Papa. Erwiderte ich und beendete das Telefonat.

Es klingelte zum wiederholten Male. “Ich komm ja schon”, rief ich und legte mein Smartphone auf die Kommode im Flur.

Ich wischte mir meine schwitzigen Hände an meiner Hose ab, da mich das Telefonat mit meinem Vater schon etwas aufgewühlt hatte, bevor ich nach der Türklinke griff und diese nach unten drückte.

Langsam öffnete ich die Tür und könnte nicht glauben, wer dahinter stand.

“Was machst du denn hier?” War das Einzigste was über meine Lippen kam. Ich war einfach zu geschockt.

Eigentlich war es unmöglich, dass er jetzt hier vor meiner Tür stehen konnte. Schließlich hatte ich ihm alles erklärt, doch langsam konnte ich mir denken wer ihn geschickt hatte. Es konnte nur meine beste Freundin sein. Er würde auch auf niemand anderes als sie hören. Denn so wie ich ihn kennengelernt hatte, war er ein unabhängiger Mann, der auf niemanden hörte als sich selbst. Nicht einmal das Gesetz konnte vor ihm halt machen. Aber ich wusste wer es konnte. Nämlich Elena.

Perfection Where stories live. Discover now