14

668 26 1
                                    

"Ich würde deinen Freund gerne einmal kennenlernen, wenn ich darf?" Mein Vater schaute mich mit hochgezogener Augenbraue an. "Ich weiß nicht Dad, er ist ja noch nicht einmal offiziell mein Freund, wir sind nur ganz normale Freunde." Antwortete ich ihm und spielte auf meinem Handy weiter Candycrush, was ich nur tat, damit ich meinem Vater nicht in die Augen sehen musste. Er erkannte immer, wenn ich log und das konnte ich gerade überhaupt nicht gebrauchen. Vor nicht einmal dreißig Sekunden hatte unser Gespräch sich noch um meinen psychischen Zustand gedreht und ich wollte wirklich nicht, dass er sich Sorgen machte.

"Gut, wir sehen uns dann Kumpel!" Rief mein Vater mir noch hinterher als ich aus dem Auto ausgestiegen war. Heute würde ich zwar bei Kylie übernachten, aber das würde Ian meinem Vater schon noch erklären. Der mochte es nämlich nicht, wenn ich bei anderen schlief, weil er sich Sorgen machte, dass ich wieder trank. Aber Kylie unterstützte das sowieso nicht. "Komm doch rein und fühl dich wie zu Hause! Ich habe für uns zwei hübschen gekocht!" Kylie hatte mir die Tür geöffnet, nachdem ich die gefühlt zehntausend Treppenstufen erklommen hatte.

"Wow, riecht es hier gut! Was gibt es denn?" Fragte ich, während ich meine Jacke und die Schuhe auszog. "Ich dachte mir, ich mache heute Alaska-Seelachsfilet mit Kartoffelbrei und gedünstetem Gemüse, du hast ja Mal erwähnt, dass du Fisch sehr gerne magst!" Er lachte und stand schon wieder am Herd, wo er das Gemüse in einen Topf gab. "Du musst dir doch wegen mir nicht so viel Arbeit machen!" Lachte ich und setzte mich auf einen der Stühle. Natürlich wollte ich nicht so viel essen, aber Kylie bestand darauf, dass ich einmal die Woche zu ihm kam und er etwas Gesundes für uns beide kochte. Und ich liebte Essen ja sowieso.

"Wow, du bist wirklich ein Meisterkoch Kylie!" Lobte ich ihn und er nahm einen weiteren Löffel Kartoffelbrei aus dem Topf. "Danke, ich freue mich natürlich, wenn es dir schmeckt!" Er grinste mich an und trank dann einen Schluck seines Weines. "Wenn du Lust hast können wir nach dem Film ein bisschen Fernsehen?" bot er mir an und ich nickte als Antwort energisch. Da Sebastian nicht mehr hier wohnte, war ich wirklich gerne hier, auch weil Kylie immer versuchte, mich zu verwöhnen.

"Kylie, bevor wir anfangen, eine neue Staffel zu schauen, darf ich dir ein Geheimnis anvertrauen?" Ich schaute Kylie nervös an und er nickte nur. "Wenn dir was auf dem Herzen liegt, dann kannst du es mir jederzeit sagen!" Versicherte er. "Gut, ich muss eigentlich nichts sagen, du musst nur zusehen." Ich schluckte schwer und krempelte dann die Ärmel meines Pullovers hoch. "Finn? Warum?" Er schien geschockt zu sein und nahm meine Hände in die seinen.

"Kylie, ich kann nicht mehr." Ich schaute zu meinem Freund nach oben, welcher mit besorgter Miene meine Arme musterte. "Warum hast du mir nie gesagt wie schlimm es wirklich ist?" Wollte er wissen und küsste vorsichtig die unzähligen weißen Narben, die sich auf meinen Unterarmen wiederfanden. Das war doch nicht auszuhalten! In seinen Augen hatten sich Tränen gebildet, die nun auf meine empfindliche Haut tropften. "Finn, wenn es dir so schlecht geht, hättest du mit mir reden müssen! Vielleicht hätte ich dir helfen können! Oder zumindest nach Hilfe suchen! Warum hast du das alles stillschweigend hingenommen und vor dir hergetragen, bis du es nicht mehr ausgehalten hast? Du hättest zu mir kommen können! Ich hätte auf dich aufgepasst, dich im Arm gehalten, dir gesagt wie wichtig du mir bist und dir Mut zugesprochen. Ich hätte dir helfen können!"

Er küsste sich von meinem Arm bis zu meiner Wange nach oben und schließlich bekam ich einen kurzen, scheuen Kuss auf den Mund. "Warum nur Finn?" Er schien vollkommen fertig von der Information zu sein, dass ich mich selbst verletzte. Aber was wollte ich schon tun? Er hätte es sowieso irgendwann herausgefunden, auch wenn ich es ihm nicht gesagt hätte. Also warum verheimlichen? Andererseits hätte ich nicht gedacht, dass ich diesen starken, unabhängigen Mann, der mit jeder Situation gelassen umging, damit zum Weinen bringen könnte.

"Kylie, weinen bringt doch nichts. Ich hab es dir gesagt, und das ist doch gut so, oder?" Ich setzte mich auf den Schoß meines Freundes, der sich neben mich auf die Couch hatte fallen lassen und küsste ihn sanft. Ich wollte ihn nicht wegen so einer Kleinigkeit verlieren, er war mir wichtiger als alles andere auf dieser Welt! "Finn, ich kann nicht." Wieder liefen Tränen über sein Gesicht. "Was kannst du nicht? Sag es mir! Komm schon!" Während ich seinen Kopf an den Haaren nach oben zog, weinte auch ich. "Kylie! Was kannst du nicht?" Dieses Mal versteckte ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge. "Ist schon gut kleiner. Alles wird gut. Jetzt bin ich ja da. Ich helfe dir! Pscht!" Beruhigte Kylie mich, während er gleichzeitig mit seiner Hand meinen Rücken auf und abstrich. Ich war ihm so unendlich dankbar für das was er gerade tat. Hoffentlich würde es für immer so schön in meinem Leben bleiben, wie es im Moment war, denn es war irgendwie neben der ganzen Traurigkeit auch perfekt.

"Du bist so ein schöner Junge, Finn. Dein Körper und auch deine Seele haben es nicht verdient so gequält zu werden!" Sanft streichelte Kylie meine Wange, während ich mich an ihn kuschelte. Er war so warm und roch so gut! Wie ein richtiger Mann, einer zum Anfassen. "Denkst du das? Ich bin ein hässlicher Mensch. Und ich hasse mich, schon immer. Ohne es jetzt zu übertreiben, ich bin wirklich kein guter Mensch. Mein Leben lang habe ich Menschen verletzt und sie verlassen. Eigentlich habe ich das doch alles verdient!" Gestand ich ihm. "Finn, du hast es auf gar keinen Fall verdient, vergewaltigt zu werden!" Kylie hatte mich geschockt ein Stück von sich weggedrückt. "Du weißt doch gar nicht was ich alles Schlechtes getan habe!" Ich hatte wieder angefangen zu weinen und mein Gesicht an seine Brust zu drücken. "Finn, egal wie du zu anderen warst, für mich zählt nur, wie du dich mir gegenüber verhältst und in der Hinsicht bist du einer der tollsten Menschen der mir jemals begegnet ist!" Er küsste sanft meine Stirn und ich musste mein Gesicht kurz von seiner Brust lösen. "Danke Kylie."

"Wie wäre es, wenn wir über etwas Angenehmeres reden? Wie geht es deinen Eltern? Sind sie gut zu Hause angekommen?" Fragte er. "Ihnen geht es gut, mein Dad hat mir zwar versprochen Mal wieder etwas mit mir zu machen, aber in seinem Job geht es grad drunter und drüber, da hat er eigentlich nicht so viel Zeit, um sich groß mit mir zu beschäftigen. Und Ian? Der hat sein neues Projekt angefangen und schließt sich ziemlich häufig ein, um Ruhe zu haben, aber er hilft mir viel bei meinen Hausaufgaben!" Erzählte ich Kylie und er lächelte. Im Moment waren all die negativen Gedanken weg, die ich sonst immer mit mir herumschleppte und sie wurden ersetzt, von Glücksgefühlen und Zufriedenheit.

"Noch eine Frage, wenn ich noch eine stellen darf?" Kylie sah mich unsicher an. "Natürlich darfst du eine stellen!" Ich lachte und boxte ihm sanft gegen die Schulter. "Ok, ich hab dich doch vor noch nicht allzu langer Zeit Mal gefragt ob du in deinen nächsten Ferien mit mir zu meiner Familie nach Kanada willst? Erinnerst du dich? Hat sich deine Meinung mittlerweile geändert?" Hoffnungsvoll hatte er die Augenbrauen gehoben und grinste mich etwas komisch von der Seite an.

Damals hatte ich einfach nein gesagt, weil ich nicht wirklich Lust auf Kanada gehabt hatte, aber jetzt sah die Sache natürlich etwas anders aus. Ich fühlte mich einfach bei keinem Menschen so wohl wie bei Kylie und ich wollte verdammt nochmal mit ihm wegfahren. Und vielleicht würden wir dann auch endlich als richtiges Pärchen zusammenkommen? Wenn er mich schon seiner Familie vorstellen wollte? "Ja, habe ich. Ich würde sehr gerne mit, wenn mein Vater es erlaubt!" Antwortete ich also und Kylie schien sich wirklich zu freuen. "Gut, dann haben wir tatsächlich bald unseren ersten gemeinsamen Urlaub!" Lachte er und drückte mich sanft an sich.   

Wanted to be lovedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt