Friedhofsgespräche

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Immer und immer wieder ging ich im Geiste die Selbstverteidigungsschritte durch die mir Jamie in meiner Ausbildung gezeigt hatte. Doch dafür müsste ich mich Bewegen und das fiel mir im Moment irgendwie schwer. Also blieb mir nichts anderes übrig als mein Gegenüber zu betrachten. Dies hingegen war außerordentlich leicht denn seit Graf Dracula sich zu mir auf den Friedhof gesellt hatte, schien dem Mond wieder eingefallen zu sein das er scheinen soll. Der Nebel war wie durch Zauberhand verschwunden und wir standen uns gegenüber im vollen Licht des Mondes. Graf Dracula – wie ich meinen Gegenüber in Ermangelung eines Namens getauft hatte – schien das Mondlicht schier anzuziehen. Er stand vor mir wie eine gut ausgeleuchtete Schaufensterpuppe oder irgendeine Engelsgleiche Statue in einem Museum. Seine Gesichtszüge könnten auch von einer dieser Engelsstatuen von Michelangelo oder sonst wem gemeißelt worden sein. Diese kantigen Wangenknochen bildeten ein krasses Gegenbild zu seinen schwarzen kurzen Haaren, die in alle Himmelsrichtungen standen als hätte er noch nie von einem Kamm gehört. Oder vielleicht gehörte er ja zu denen die es mit Absicht so verwuschelten, ging es mir durch den Kopf. Ein seufzen seinerseits holte mich wieder in die Kalte Realität zurück: Ich stand immer noch mit einem wildfremden Mann um Mitternacht auf einem Friedhof. Dazu kam das es hier Hitchcock mäßig viele Raben gab.
„Du bist ein Vampir" rutschte es aus mir heraus. Im selben Moment hätte ich mich Ohrfeigen können. ‚Was für ein blöder Kommentar' schelte ich mich innerlich. ‚Selbst ein Blinder hätte das erkannt'
Graf Dracula hob langsam eine Augenbraue. „Die kleine Wächterin hat ihre Hausaufgaben gemacht" neckte er mich und schenkte mir wieder sein halbes Lächeln. Blendend weiße Zähne strahlten mir entgegen. ‚Na toll: Graf Dracula hat den besseren Zahnarzt als ich'
„Ich bin nicht ‚klein'" murrte ich da mir keine bessere Antwort einfiel. „Und ich kann Karate" fügte ich hinzu im Glauben dann nicht mehr wie ein kleines jämmerliches Kind rüberzukommen.
Doch das schien den werten Grafen herzlich wenig zu imponieren. Er begann schalend zu lachen und ich begann mir zu wünschen das sich unter mir die Erde doch bitte erbarmen sollte und mich verschlucken soll. Doch sie tat es nicht.
„Wie alt bist du Kind?" fragte der Vampir schließlich nachdem er mich minutenlang ausgelacht hatte.
„Was geht dich das an? Hast du eine Altersgrenze für dein Mitternachtssnack?" Nachdem ich mich bis auf die Knochen blamiert hatte war mir alles egal. Diese Ausgeburt der Hölle sollte sich mit seinem Vorhaben beeilen. Ich fror mir hier den Hintern ab. Lächelnd stemmte er sich von dem Grabstein ab, an dem er zuvor lehnte und trat langsam auf mich zu.
„Maddison Haylee Grant" sagte er zu mir zu. „Nun, ich habe mir einiges von dir erwartet, doch so eine scharfe Zunge nicht"
Verblüfft sah ich in seine wasserstoffblauen Augen. Sie waren klar wie ein Bergbach und in anderen Situationen hätte ich ihn wahrscheinlich in diesem Moment angehimmelt wie ein Teenager, doch die Tatsache das mein Gegenüber obwohl ich ihn noch nie in meinem Leben gesehen habe meinen vollständigen Namen kannte – was ich von meinen Besten Freundinnen nicht mal behaupten könnte – lies mich aufhorchen.
„Woher kennst du meinen Namen, Graf Dracula?" wollte ich wissen und trat weiter zurück. Doch leider vereitelte ein Grabstein meine Flucht.
Die Kälte des rauen Steines drang durch den Stoff meines Pullis und lies mich zittern. Wieder hob er eine Augenbraue. Das ‚Graf Dracula' schien ihm ein wenig aus dem Konzept gebracht zu haben. Ich schmunzelte ein wenig überlegen und hob trotzig das Kinn.
„'Graf Dracula'?" Seine Stimme klang erheitert. „Nun, von einem Grafen bin ich weit entfernt. Mein Name ist Damon. Damon Clifford. Ihnen zu diensten Madam" Er verneigte sich spielerisch vor mir. Selbst das machte er mit engelsgleicher Eleganz. Wie konnte ein Monster nur so sexy sein?
‚Reiß dich zusammen, Maddison' schelte ich mich wieder nachdem ich ihn bewundernd beobachtet hatte.
„Clifford?" Der Name kam mir seltsam bekannt vor. Doch woher kannte ich diesen Namen? „Nun, Damon Clifford" fuhr ich meine Inspektion fort. Er trug ein schwarzes Hemd unter dem sich seine Muskeln zeigten. Ich räusperte mich und betrachtete einen der Grabsteine. „Was willst du von mir?"
„Wie kommst du darauf das ich etwas von dir möchte Maddison?" Selbst mein Name klang aus seinem Mund zart wie Schokolade die auf der Zunge zerging. Ich biss mir auf meine Unterlippe und wandte mich wieder ihm zu. Sein Mundwinkel zeigte ein leichtes lächeln. Ich schenkte ihm meinerseits ein zartes lächeln. Soll er doch denke er hätte es mit einer Prinzessin zu tun. Doch ich bin keine Prinzessin, ich wusste mit einem Schwert umzugehen.
„Warum sonst wäre ich um Mitternacht auf einem Friedhof, wenn nicht aus dem Grund das du mich hierhergebracht hast?" antwortete ich ihm mit einer Gegenfrage und trat näher zu ihm. Nun standen wir nur noch eine Handbreit voneinander entfernt. Ich hörte wie mein Herz augenblicklich schneller schlug und war mir meinem rauschenden Blutfluss seltsam bewusst. „Also, warum?" fragte ich ohne auf mein pumpendes Herz und meinem Fluchtinstinkt zu hören.
Damon schien auf dies nicht vorbereitet gewesen zu sein. Meine plötzliche nähe schien ihn ein wenig aus dem Konzept gebracht zu haben. Er stand merkwürdig steif vor mir und biss die Zähne zusammen. Nach wenigen Minuten schien er sich wieder gefangen zu haben.
„Nun, den Treffpunkt habe nicht ich ausgewählt. Ich hätte einen stilvolleren Ort ausgewählt" antwortete er, krampfhaft um Lockerheit bemüht und lächelte. „Aber es stimmt: Ich habe dich zu mir gerufen"
„Wer hat den Treffpunkt dann ausgewählt? Und warum hast du mich gerufen?" wollte ich nun neugierig wissen.
„Nun, du. Du scheinst Vampire mit Tod zu assoziieren" lachte er wieder ein wenig lockerer. „Und das ‚Warum' ist einfach: Ich brauche dich"
„Warum brauchst du mich?" Irritiert sah ich ihn an, darauf gefasst ein spöttelndes lächeln zu sehen, doch er meinte es ernst. Tot ernst.
„Wir sind alle in Gefahr" sagte er bloß mit ernstem Blick, bevor der Friedhof vor meinen Augen verschwamm und ein lauter Schrei mein Bewusstsein durchdrang und ich keuchend und mit klopfendem Herzen in meinem Bett saß.

Afire Love - BlutmondnachtWhere stories live. Discover now