Eine ungewöhnliche Verbindung

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Angestrengt unterdrückte ich ein gähnen, doch den Argusaugen meiner Mitbewohnerin Meredith, die gerade vor mir stand und an der Kochinsel hantierte, entging leider nichts. Ihre Augen verengten sich verdächtig.

„Du bist in der letzten Zeit dauernd Müde" Es war eine Feststellung, keine Frage. Ich konnte die Schlinge um meinen Hals praktisch spüren.

„Im Club ist viel zu tun" versuchte ich mich zu Rechtfertigen.

Merediths Augen verengten sich wieder. Sie füllte Wasser in den Kocher und schaltete ihn ein. „Clarence sagte du wärst auf der Terrasse eingeschlafen" Sie holte zwei Tassen aus dem Schrank und tat jeweils einen Teebeutel hinein. Ich schluckte: Das waren Merediths typischen Verhörutensilien. Die Schlinge wurde enger. „Muss am Alkohol gelegen haben"

Der Wasserkocher begann zu pfeifen. Sie schaltete ihn aus und goss uns Tee auf. Als sie fertig war setzte sie sich mir gegenüber und wir starrten uns an. Meredith war die mütterliche Seele von unserer kleinen Clique. Schon wie sie mir gegenübersaß in schwarzen Jeans, einem blütenweißen T-shirt, einem grauen Cardigan und schwarzen Converse, sah sie aus wie eine typische Kleinstadt Mutter. Dabei war Meredith gerade mal dreiundzwanzig. Ihre langen braunen Haare vielen ihr in leichten Wellen über die Schulter bis hinunter zur Taille.

„Du willst also sagen du warst so betrunken, dass du während deinem Gespräch mit Jamie eingeschlafen bist?" Ihr Blick war skeptisch.

„Nein" seufzte ich.

„Was war es dann?" wollte sie wissen.

Ich schluckte. Warum bin ich überhaupt eingeschlafen? Ich wusste nur noch das ich mit Jamie auf die Terrasse ging um mit ihm zu sprechen. Ich wollte die Unstimmigkeit wegen der Beerdigung meiner verhassten Großmutter aus der Welt schaffen. Doch sobald ich über die Schwelle hinausgestiegen war, war ich Todmüde geworden und konnte mich gerade noch auf den Beinen halten.

„Erde an Maddison, Erde an Maddison. Schläfst du wieder ein?" riss mich Meredith aus meinen Gedanken. Ihre Mundwinkel zuckten belustigt als ich mich ihr zuwandte. Doch auf ihrem Gesicht war noch ein weiterer Ausdruck, der mir Angst machte: Besorgnis. Meredith machte sich wahrhaft Sorgen um mich. „Was passiert mit mir, Meredith?" wisperte ich ängstlich.

„Erzähl mir was du weißt. Wir finden den Grund, keine Sorge" beschwichtigte sie mich. „Wann hat es begonnen?"

Ich dachte angestrengt nach. Wann hatte es begonnen? Mir viel der seltsame Traum ein. „Der Traum auf dem Friedhof. Damit hat es begonnen" erzählte ich ihr.

Ihre braunen Augen glänzten Golden auf. „Erzähl mir von dem Traum" forderte sie mich auf.

„Das war vor zwei Tagen" begann ich. „Ich war auf einem Friedhof. Nebel und Raben überall, also richtig Hitchcock mäßig. Plötzlich stand ein Mann vor mir, mit Augen, die leuchteten wie Diamanten." Meine Stimme erstarb. Ich hob verblüfft meinen Blick. „Seine Augen glichen denen von Jamie" flüsterte ich.

„Kam dir der Mann sonst bekannt vor? Hat er etwas gesagt? Kanntest du den Mann?" Die Furche auf ihrer Stirn wurde tiefer.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe den Mann noch nie vorher gesehen" Nachdenklich nahm ich einen schluck vom Kräutertee. Der Geschmack von Pfefferminz, Zitronenmelisse und Himbeerblättern breitete sich auf meinem Gaumen aus und beruhigte mich. Entspannt stellte ich meine Tasse auf die hölzerne Arbeitsplatte. Die gesamte Küche war aus dunklem Holz und doch war sie gemütlich. Durch die großen Fenster viel das Licht der Vormittagssonne herein. Insgesamt war sie einer meiner Lieblingsräume in der WG. Wenn man sich umsah sah man sofort das sie das Reich von Meredith war. Küchenkräuter und Gewürze waren feinsäuberlich in Behälter gefüllt und kunstvoll beschriftet in den Regalen verstreut. Nicht eine Rosmarinnadel lag auf der Arbeitsplatte. Nicht mal ein Krümel hatte hier eine Chance. Ich nahm noch ein paar Schlucke von dem Tee und stellte die Tasse vor mich hin. Meine Gedanken schienen nun viel klarer. „Er hat mit mir gesprochen"

Meredith schien hellhörig. „Was hat er gesagt?"

„Zu beginn fragte er ob ich Angst vom schwarzen Mann hätte. Ich erkannte schnell, dass er ein Vampir war. Er hätte auch als Statue in einem Museum durchgehen können. Aber das auffälligste war sein Geruch" begann ich meine Erzählung von meiner Begegnung mit Graf Dracula.

„Seltsamer Traum" stellte meine Freundin fest.

„Warum?" Ich sah sie verständnislos an.

„Du hast den Vampir gerochen" sagte sie emotionslos.

„Ja der Geruch hing danach noch Stunden in meinem Zimmer. Ein pentranter Geruch von Lavendel" Es viel mir wie Schuppen von den Augen. „Es war also kein Traum?"

Meredith starrte nachdenklich auf ihre Tasse und schwenkte den Teebeutel. „Erzähl mir noch mehr. Du sagtest er hat mit dir geredet? Erwähnte er seinen Namen"

Ich dachte angestrengt nach. Jede Minute unseres Treffens ging ich im Kopf noch einmal durch bis ich das gesuchte Puzzleteil fand. „Ja hat er. Er fand es lustig das ich ihn Graf Dracula nannte da sagte er sein Name sei Damon Clifford"

Wie von der Tarantel gestochen sprang Meredith auf und rannte in ihr Zimmer. Verwundert folgte ich ihr. In ihrem blütenweißen Schlafzimmer, das so akribisch aufgeräumt war wie ihre Küche, fand ich sie in einem sehr alt aussehenden Buch blättern. Auf dem ledernen Buchrücken erkannte ich einen Drudenfuß. „Was ist das Meredith?" unterbrach ich sie neugierig bei ihrer fieberhaften Suche.

„Ein Familienstammbaum" erklärte sie knapp während sie nicht von den vergilbten Blättern aufsah, über denen ihrer Finger wanderten. Plötzlich stieß sie einen Freudenschrei aus.

„Ich wusste es" jauchzte sie freudig.

„Was hast du gefunden?" Ich trat neugierig näher.

„Schau" Sie hielt mir das schwere alte Buch vor. In kursiver feingliedriger Handschrift stand als Überschrift ‚Die hochwohlgeborene Familie Clifford'.

Mein Herz begann zu rasen. „Das ist ein altes Wächtergeschlecht" stellte ich atemlos fest.

Meredith nickte grinsend. „Ein sehr altes sogar. Das Clifford Anwesen ist ein uraltes Gebäude in Dover" erklärte sie mir neunmalklug.

„Was ist mit der Familie passiert?" fragte ich sie.

Sie seufzte und blätterte in dem Buch. „Eine tragische Geschichte" begann sie. „Fast die gesamte Familie kam bei einem Vampir übergriff ums Leben" sie machte eine dramatische Pause und klappte das Buch mit einem lauten ‚klatsch' zu. „Bis auf die drei Kinder. Die Leichen der zwei Söhne - Damon war fünfundzwanzig und Mason dreiundzwanzig - wurden nie gefunden. Die jüngste Tochter - Eleonora war sechzehn - hatte sich in einem Schrank versteckt und überlebt"

Geschockt starrte ich zu meiner Freundin, die den dicken Wälzer wieder zurück in das Regal stellte. „Das erklärt aber nur das Damon also in einen Vampir verwandelt wurde. Was hat das aber mit meinen seltsamen Träumen und Schwächeanfällen zu tun?"

Meredith seufzte. „Die Cliffords waren eine sehr starke mächtige Familie. Sie stammten aus direkter Linie zu Aurora, der dritten Tochter von Gaia, genauso wie deine Familie von Enya abstammt. In ihrer Blutlinie gibt es eine spezielle Gabe, Blutgabe genannt, die von Generation zu Generation weitergegeben wird. Es heißt sie hätten die Gabe auf eine spezielle Art zu kommunizieren"

Ich zog eine Augenbraue hoch. „Zu kommunizieren?"

„Sie drängen in dein Unterbewusstsein ein und du glaubst du träumst" nickte sie. Ihre Augen waren wachsam auf mich gerichtet.

„Das ist... Vergewaltigung" schrie ich aufgebracht. „Was hat es mit den Augen auf sich? Warum hat er die selbe Augenfarbe wie Jamie?" fiel mir noch eine Kleinigkeit ein, die mich skeptisch machte. Meredith biss sich auf die Unterlippe.

„Eleonora Clifford ist Jamies Urgroßmutter. Sie heiratete mit achtzehn Jahren Spencer Sinclair." Erklärte sie mir kleinlaut.

„Das bedeutet er hat die selbe Gabe"

Meredith betrachtete mich grüblerisch. „Wir sollten ihn fragen was er von der Gabe weiß"

„Und wie ich es unterbinden kann" schloss ich ihren Gedanken.



Afire Love - BlutmondnachtWhere stories live. Discover now