Tag O

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Ein paar Wochen später war ein weiterer Brief eingetroffen, allerdings ohne das Wappen des Militärs und ohne Absender. Er hatte ihn natürlich trotzdem geöffnet, wohlwissend, dass er weitere Informationen enthalten würde. Dem Umschlag hatte er ein Flugticket entnommen. Es ging also nach Canada und er hätte mit dieser Standortauswahl nicht zufriedener sein können, dennn so blieb ihm eine weite Anreise erspart. Der Flug von Portland nach Juneau dauerte gerade einmal vier Stunden.

Es war ein merkwürdiges Gefühl im Flugzeug zu sitzen und zu wissen, dass sich ab dem heutigen Tag alles ändern würde. Bald wäre er keiner dieser normalen Menschen mehr, die mit ihm im Flugzeug saßen, sondern Teil eines streng geheimen Projekts. Bald würde er sich über dreckige Wäsche oder lange Einkaufsschlangen keine Gedanken mehr machen müssen. Er würde all dies hinter sich lassen. Ein Verlust, der ihm nicht schmerzte. Im Gegenteil er atmete erleichtert auf. Trotzdem war da diese mahnende Stimme in seinem Kopf, die ihn vor der Gefahr seiner Unternehmung warnte. Unzählige Narben an seinem Körper waren Beweis genug, dass in der Welt, in der er gelebt hatte und die er wieder betreten würde, keine Sicherheiten gaben und Fehler nicht verziehen wurden. Matthew war sich also bewusst, dass dieses Projekt kein Zuckerschlecken werden würde, aber er hatte Herausforderungen schon immer gesucht, anstatt sie zu meiden. Daher konnte er seine Vorfreude nicht zügeln, die sich ausbreitete, sobald sich das Flugzeug in die Lüfte erhoben hatte und er von seinem Fensterplatz hinaus in die Wolken sah. Das letzte Mal, dass er mit einem normalen Flugzeug geflogen war, lag weit zurück. Die Ruhe war ungewohnt. Vor seiner Verletzungen war er mit den Maschinen des Militärs gereist, die eine deutlich lautere Geräuschkulisse aufwiesen. Er musste lächeln, als er an seine Ausbildung zurück dachte und sich daran erinnerte, wie man ihm beigebracht hatte aus den unterschiedlichsten Höhen mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Das Gefühl des freien Falls in der Luft hatte er nie vergessen und für ihn gab es keine bessere Droge, nichts, was ihm solch einen Glücksmoment schenken konnte. Vielleicht würde er bald wieder in diesen Genuss kommen, wenn das Projekt sich bewies.

Ganz in dem Ausblick versunken, hatte er die restlichen Passagiere ignoriert. Der Flug war beinahe ausgebucht, deshalb war auch der Platz neben ihm besetzt. Ein kleines Mädchen saß dort und spielte mit ihrer Mutter Karten, die am Gang saß. Es war die Kleine, die ihn aus seinen Überlegungen riss, als er sich unbewusst den Ärmel seines Pullovers etwas nach oben schob. Sie quietschte aufgeregt und deutete auf sein Handgelenk, während sie sich an ihre Mutter wandte und dieser freudestrahlend von ihrer Entdeckung erzählte: "Sieh mal Mama, der Mann da hat das Symbol von unseren Karten aufgemalt."

Tatsächlich schmückte ein kleines, schwarzes Ass seine Haut. Dieses Tattoo hatte er sich kurz nach seiner Ausbildung stechen lassen, als er sich spezialisiert hatte und klar geworden war, dass er niemals undercover aktiv werden würde. In diesem Fall hätte ihn das auffällige Zeichen für jegliche Einsätze disqualifiziert. Für einen Moment ließ er das Mädchen das Tattoo bewundern.

"Du spielst wohl gerne mit Karten", stellte das Mädchen grinsend fest, woraufhin er ihr nur ein Lächeln schenkte und sich danach wieder von ihr abwandte.

Dass er Kartenspiele hasste, sagte er ihr nicht. Es war besser sie in diesem Glauben zu lassen und ihr zu verschweigen, dass es eigentlich für Ace stand. Ein Relikt aus alten Zeiten. Eigentlich hatte er überlegt, es sich entfernen zu lassen und Ace von seiner Haut zu verbannen, wie er ihn aus seinem Herzen verbannt hatte. Aber irgendwie hatte er es sich nicht über sich gebracht. Eine Schwäche, die er sich selbst übel nahm. Vielleicht hatte die Zeit als Zivilist ihn verweichlicht. Leider hatte sie ihn nicht vergessen lassen, wie Ace ihn gespannt beobachtet hatte, als man ihm das Tatto gestochen hatte. Er hatte seine Hand gehalten, während die Nadel in seine Haut stach, hatte das Ass mit funkelnden Augen bewundert und ihn mit diesem typischen Ace-Lächeln angesehen, das an Überheblichkeit nicht zu überbieten war.

Project Alpha.Where stories live. Discover now