Tag 2.1

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Den Flecken nach zu urteilen, musste Narvik viel Blut verloren habe, zwar ließ sich die genaue Menge so nur schwer schätzen, aber es musste sich um ein kritisches Ausmaß handeln.

„Was hat Narvik verletzt?", fragte Lancer, während er sich zu Cadoc umdrehte, doch dieser schwieg nach wie vor und zuckte zusammen, als Lancers Stimme erklang. Etwas musste ihm einen gehörigen Schrecken eingejagt haben. Ace eisblauen Augen lösten sich von dem völlig Verstörten und schweiften zu Lancer, bis sich ihre Blicke streiften und er für eine Sekunde den Kopf schüttelte. Lancer konnte dem nur zustimmen. Es machte keinen Sinn. Sie würden keine Antworten von ihm bekommen und die Zeit rannte ihnen weg. Sie mussten Narvik schnell finden. Was passieren würde, falls sie es nicht schafften, wollte er sich nicht ausmalen.

„Du bleibst hier", raunte Ace Cadoc zu, bevor er sich in einer fließenden Bewegung wiederaufrichtete und Lancer an der Schulter anstieß, um ihm still zu befehlen, ihm zu folgen. Sie hatten die Hütte kaum im Laufschritt verlassen, da knieten sie erneut am Boden und suchten diesen nach Spuren ab. Es fühlte sich seltsam vertraut an, dass sie wie früher ohne Absprachen dieselben Schritte ins Auge fassten und in dem was sie taten, perfekt harmonierten. Und es dauerte nicht lange, bis Ace fündig wurde, dem schummrigen Mondlicht zum Trotz.

„Lancer", flüsterte er und deutete auf eine noch feuchte Blutspur, die dem ersten Anschein nach aus dem Camp herausführte.

„Wir sind nur zu zweit", warf Lancer sofort ein, „in einem Gelände, das wir kaum kennen, ohne Nachtsichtgeräte. Das Risiko ist unkalkulierbar."

„Und du bist ängstlich geworden", erwiderte Ace hart, „Die Zeit ist der entscheidende Faktor. Wir haben keine um die anderen zu wecken und Verstärkung zu holen."

„Aber wir wissen nicht, woran Narvik sich verletzt hat. Wenn ihn jemand angegriffen hat? Wenn dieser jemand womöglich noch bei ihm ist? Wir sind unbewaffnet."

„Als ob du dir in einem Nahkampf nicht zu helfen wüsstest."

„Das minimiert das Risiko nur geringfügig."

„Lass es mich einfach für dich machen: Entweder du kommst mit mir oder ich lasse dich allein zurück und du kommst mit Verstärkung nach. Eine andere Wahl wird es nicht geben."

Er wusste wieder, warum ein Teil von ihm sich gefreut hatte, mit seinem Ausstieg Ace nie wieder sehen zu müssen. Es waren Momente wie diese, wo er ihn am liebsten gepackt und geschüttelt hätte, um ihm so etwas wie Vernunft einzubläuen. Wobei es dafür wahrscheinlich längst zu spät war. Das was Ace vorhatte grenzte an ein Selbstmordkommando. Es war dumm und viel zu wenig durchdachte, aber natürlich war sich der Schwarzhaarige sicher, dass Lancer ihn nicht alleine würde ziehen lassen. Und außerdem hatte er im Bezug auf Narvik nicht ganz Unrecht. Je länger sie brauchen würden, um sich an seine Fersen zu heften, desto höher wurde die Wahrscheinlichkeit ihn tot aufzufinden. Lancer blieb also keine Wahl. Er seufzte und das erste Mal in seinem Leben wünschte er sich die Abende auf seinem Sofa zurück.

„Nach dir", murmelte er schließlich.

Geschmeidig stand Ace vor seinen Augen auf, wobei er sich nicht die Mühe machte, sein Grinsen vor ihm zu verbergen und folgte dann kommentarlos der Blutspur, die sie erst durch das Camp und anschließend auf direktem Weg zu dem Waldgebiet führte, welches an das Camp grenzte. Natürlich hatten sie kein Glück und die Blutspur führte zwischen den Bäumen weiter, allerdings empfing sie dort tiefste Dunkelheit. Das dichte Laub der Bäume ließ keinen noch so kleinen Lichtstrahl hindurch, es war als türme sich mit dem Waldeingang ein riesiger schwarzer Vorhang vor ihnen auf, der keinen Einblick auf das erhaschen ließ, was hinter ihm lag.

Project Alpha.Where stories live. Discover now