Kapitel 2.3

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Ian beobachtete sie genau, sah wie sie sich rasch bekreuzigte, um das Gebet zu beenden, das sie offensichtlich im Stillen gesprochen hatte. Hölle, das Weib war wirklich übermäßig fromm.

- Und so etwas hatte MacKeith schänden müssen, was auch sonst. So etwas Reines und Zartes. Es musste ihn verlockt haben, ihre weiche Haut zu berühren, in ihr langes herrliches Haar zu fassen und ihr Schmerzen zu bereiten, sadistisches Monster.

Die Wut verschleierte Ian MacAlisters Blick und einen Moment lang wollte er sich auf seinen Rappen werfen, zur MacKeith Feste hinabreiten und dem teuflischen Clansherr sein Schwert bis zum Heft in den Leib rammen. Doch er wusste nur zu gut, dass der feige Hund sich mit einer Hundertschaft gewissenloser Söldner umgab, die alle so wie er verderbt waren und Freude an grausamen Überfällen, Schändungen und ja, auch noch an der Gefangennahme fremder Clanfrauen hatten, um sie erst für sich zu nutzen und dann niederzustrecken.

Der Clan der MacKeith war der verruchteste in den Lowlands, und Ian MacAlister stellte ihn auf eine Stufe mit den marodierenden Engländern, die manchen Ortes versucht hatten, das Tiefland zu erobern, aber in erbitterten Schlachten zurückgeschlagen und wieder aus dem Land gejagt worden waren.
Die Engländer fürchteten die hochgewachsenen Krieger, vor allem die Highlander, die erbitterte, bestens ausgebildete Krieger waren. Ein einziger Soldat konnte es leicht mit zehnen der Engländer aufnehmen, ohne dabei auch nur außer Atem zu geraten.

Nay, der König von England hielt sich seit seiner letzten Schmach gänzlich bedeckt und ließ sie hier oben weitestgehend in Frieden seit sie seine gesandten Barone, die das Land hatten unterjochen wollen, auf und davongejagt hatten. Doch sie hatten zumindest ihre Verderbtheit in das Volk gebracht, die Geister der Lowlander vergiftet und ihnen falsche Vorstellungen von Recht und Unrecht gezeigt.

Die Highlander hatten mit diesem neu erstandenen englisch-sympathisierenden Abschaum nichts mehr

gemein.

Sein Blick streifte wieder das englische Weib, das unglaublich langsam aß und so genüsslich, als hätte sie noch nie einen Bissen Fleisch zwischen den Zähnen gehabt.

Höllenfeuer, war sie schön ... und so anmutig wie nur ein Engel es sein konnte, trotz ihrer Blessuren. Ihr Haar loderte wie Flammenlichter im Feuerschein, wild und ungebändigt.

Das dunkle kastanienrot hatte es ihm angetan, obwohl er sonst eher blonde, blauäugige und sehr viel drallere Frauen bevorzugte. An der hier war absolut nichts dralles dran und unschuldig war sie auch noch, ... wenn man ihren wirren Worten glauben schenken konnte.

Allerdings bezweifelte er ihre Aussage, denn er hatte ja selbst gesehen, wie MacKeith sich an ihr zu schaffen gemacht hatte, ... hatte ihre qualvollen Schreie gehört.

Unwillkürlich verkrampfte seine Hand sich erneut um seinen Schwertgriff.

Noch so ein Opfer des MacKeith. Er war umgeben von dessen Grausamkeit und Falschheit. Nichts Anderes gab es noch für ihn, solange der Bastard leben würde.

Doch nicht mehr lange, das gelobte er sich. Er war nun seit

drei Jahren Clansherr der MacAlisters, der jüngste in den Highlands mit seinen Zwanzig Wintern.
Er würde den Clan indes nicht vernichten, wie es die Alten immerzu voraussagten, sondern die besseren unter ihnen lediglich von dem Joch befreien, das sich MacKeith nannte und selbst nach so vielen Jahren noch seine finsteren Schatten auf sein Land und seine Leute warf.

Plötzlich rutschte das Weib zur Seite weg. Das Stück Braten fiel ins weiche Gras zu ihren Füßen. Rasch fing Ian sie auf und blickte erstaunt auf sie nieder. Sie war schon wieder eingeschlafen ... oder bewusstlos ... tot gar?

„Hölle!", zischte er leise und legte eine Hand auf ihre Brust.

Doch - sie atmete noch. Sein viel zu rascher Herzschlag erholte sich wieder. Erleichtert ließ er seine zierliche Last zu Boden sinken und bedeckte sie erneut mit dem weichen Plaid.

Sie trug nun seine Farben und das gefiel ihm seltsamerweise wie nichts anderes. Ja, sie sollte sein Plaid in Zukunft immer tragen. Die Novizinnentracht würde er gleich nach ihrer Ankunft verbrennen. Sie gehörte nicht in ein düsteres Kloster zu fromm betenden Nonnen, welche das Leben an sich entbehrten. Sie gehörte ...

„Höllenfeuer!", murmelte er düster und verzog sich nun ebenfalls in den Schatten der Bäume. Am Feuer war es ihm zu warm, um nicht zu sagen, höllisch heiß.

„Das Weib ist doch nicht tot, oder? So plötzlich wie sie umgefallen ist?", hörte er Duncan aus der Dunkelheit grollen.

Ian wickelte sich in sein Plaid und setzte sich neben ihn gegen den Baum. „Nein. Sie schläft nur!", grollte er schließlich nach einiger Zeit des Schweigens zurück. „Willst du mich etwa herausfordern, Duncan?", fügte er bedrohlich sanft hinzu.

Der Krieger schnaubte nur leise.

„Hältst du mich für dumm, Ian? Nein, du hast meine Unterstützung, doch möchte ich nur zu gerne wissen, was du mit dem Weib zu tun gedenkst. Sie ist besudelt von MacKeith, schwach und dürr wie ein Ästchen. Sie wird vermutlich keinen Winter mehr erleben, ist dir das bewusst?"

Duncan wusste, dass er sich gerade in die Nesseln setzte. Doch Ian schwieg nur - erstaunlicherweise - und nahm die Herausforderung nicht an.
Duncan spürte, dass Ian nun grübelte und ließ es dabei bewenden. Zumindest hatte Ian Geordy damit beauftragt, sich in England zu erkundigen, ob das genannte Kloster noch stand und dabei auch gleich nachzuforschen, ob das Weib wahrhaftig eine echte Lady war, was indes offensichtlich erschien, so geziert wie sie sich oft verhielt.

Aber er mochte jetzt nicht mehr viel länger über sie nachgrübeln.

Engländerinnen waren verschlagen und falsch, schon von Geburt an. Und diese hier würde es bestimmt auch sein.
Nay, man konnte ihnen nicht trauen, egal ob jung oder alt.

Aber ein hübscher Anblick war sie dennoch. Ein entzückendes kleines Dingelchen. Wenn der Clansherr sie irgendwann nicht mehr wollte, wer weiß, vielleicht würde er sich dann später um sie kümmern.

Die Rache der Highlander - Bestseller bei BOD (Leseprobe)Donde viven las historias. Descúbrelo ahora