4. Kapitel

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Als meine Mutter kam, war es später als sonst. "Ich hab uns Essen mitgebracht!", trällerte sie und ließ eine große Tüte auf den Tisch fallen. Misstrauisch beäugte ich diese. "Nicht schon wieder französisch, oder?", fragte ich, was meine Mutter zum Schmunzeln brachte. "Nein, diesmal kein Französisch. Ich lerne aus meinen Fehlern." Auch ich fing an zu grinsen.

Das letzte Mal, als Mama Essen mitgebracht hatte, war es französische Küche gewesen, genauer gesagt Schnecken in irgendeiner salzigen Sauce. Und das hatte mir überhaupt nicht geschmeckt. Ihr zum Glück auch nicht.

"Nein, Pat. Diesmal sind es Nudeln." "Nudeln mit Schnecken?" Mama streckte mir die Zunge heraus, während ich lächelnd die Nudelboxen auspackte.


"Gibt es einen besonderen Anlass?", wollte ich mit vollem Mund wissen.

Meine Mama kaufte Essen nur selten außerhalb, weil sie es viel zu teuer fand. Wenn ich mal überlegte, waren selbst die Schnecken schon fast zwei Jahre her.

"Tatsächlich ja." Meine Mutter hob den Blick von ihrer Gabel und sah mich ernst an. "Patrick, ich muss mit dir reden." "Schieß los.", nickte ich und sog eine lange einzelne Nudel durch meine Lippen. Dass dabei ganz schön viel Sauce woanders landete, als sie hingehörte, war mir in dem Moment egal. Wenn Mama mich mit meinem vollen Namen ansprach, wurde das Gespräch ernst.

"Also... Patrick, ich... Ich habe mir was überlegt. Was heißt "ich"? Sascha und ich haben uns was überlegt.", fing sie an, ihre Augen rollten unruhig von links nach rechts, man sah ihr ihre Nervosität an. "Naja... Wir haben uns gedacht, es... dass es- vielleicht- eine gute Idee... naja... wäre-" "Wollt ihr heiraten?", fragte ich gerade aus und legte den Kopf schief. Es wäre keine Schande. Ich liebte meine Mutter und sie liebte Sascha und er liebte sie. Außerdem war Sascha immer nett zu mir gewesen, ich fände es sogar schön, würden sie endlich heiraten.

Jetzt war es Mama, die den Kopf schief legte und die Brauen zusammenzog. "Darauf wollte ich eigentlich nicht hinaus, Sascha ist nicht so für's heiraten." Das war eine Lüge. Ihr Freund und ich hatten uns vor Kurzem erst darüber unterhalten, ob und wie er meiner Mutter einen Antrag machen sollte. Schnell aß ich noch eine Nudel, um nicht so auffällig auszusehen.

"Nein, was ich eigentlich sagen wollte..", murmelte Mama und ihre Finger zuckten nervös. Sie hielt ihre Gabel fester. "...ist, dass ich... ein Kind adoptieren möchte."

Das kam hart.

Es dauerte ein paar Sekunden, bevor ich überhaupt realisierte, was sie gesagt hatte. "Ähmm... Ein Kind? Adoptieren?" Ich war ehrlich verwirrt, eine Nudel fiel von meiner Gabel, doch es störte mich nicht.

"Genau.", antwortete Mama, "Ich möchte ein Kind adoptieren. Sascha und ich. Wir möchten gemeinsam ein Kind adoptieren." Sie sagte es mit Nachdruck.

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste noch nicht einmal, was ich denken sollte. Das war alles... irgendwie krass. "Warum?", schaffte ich es gerade mal herauszudrücken, nachdem wir uns schweigend gegenüber gesessen hatten. Die Nudel in meinem Schoß war vergessen. "Was ist mit Stella?"

"Stella ist tot. Das haben wir verstanden. Und wir haben sie geliebt. Wir beide. Uns ist diese Entscheidung nicht leicht gefallen, aber... Die Liebe, die wir Stella geschenkt hätten. Die ist noch da. Wir können diese Liebe einem anderen Kind schenken. Einem Kind, das wirklich dringend Liebe braucht. Das ein sicheres Zuhause braucht und eine glückliche Familie."

Je länger sie redete, desto wütender wurde ich. Anfangs war ich nur verwirrt, doch die Wut kochte nun langsam, aber sicher in mir hoch.

"Ihr wollt sie ersetzen." Ich war fassungslos. "Nein, Patrick. Nein, das wollen wir nicht." "Sie war meine Schwester!" Mama zog eine Grimasse: "Sie war auch meine Tochter, Patrick! Ich habe auch gelitten, genau wie du!"

"Dafür willst du aber schnell ein anderes Kind haben. Stella ersetzen, als hätte es sie nie gegeben!", erboste ich mich. So kannte ich meine Mutter gar nicht. "Lass mich raten: Sascha hat dir diese Idee eingeredet." Nun wurde auch Mama sauer. "Sascha war Stellas Vater! Auch er hat gelitten. Wir wollen einen Neuanfang. Und das nicht, um sie zu vergessen, nein. Wir wollen einem anderen Kind die Chance auf ein liebevolles Umfeld bieten!"

"Ihr könnt Stella nicht einfach aus eurem Leben streichen, Mama!" "Das. wollen. wir. nicht.", sprach Mama gefährlich leise. "Und das werden wir nicht. Stella war unser Kind! Werde du erstmal Vater, Patrick, dann weißt du wie sehr Eltern ihr Kind lieben!"

"Anscheinend ja nicht so sehr.", zischte ich, weshalb bei Mama der Geduldsfaden riss. "Das reicht, Patrick. Ich hatte gehofft, du würdest uns verstehen. Aber anscheinend bist du noch viel zu unreif dafür! Wir werden ein Kind adoptieren und wenn du damit nicht klarkommst, dann ist das dein Problem!" Sie griff wütend nach ihrer Nudelbox. "Ich esse im Wohnzimmer weiter."

Und mit den Worten verschwand sie.

Ich sah ihr nach und mein Kopf rauchte vor Verwirrung und Fassungslosigkeit.

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Hallu :D

Ich hatte ja versprochen, dass diese Fanfiction weitergehen wird und hier ist sie!

Wie hat es euch gefallen? :3

-Zucchini



Brüder küssen sich nicht. || KÜRBISTUMOR Donde viven las historias. Descúbrelo ahora