5. Kapitel

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Chloe's Kleidung war wie immer etwas speziell. Ihr enges orangenes Top passte mal so gar nicht zu ihrer hellrosa Hose, aber das sagte ich ihr besser nicht. Sie mochte es nicht, wenn sie merkte, dass mein Kenntnis für Klamotten etwas besser als ihres war.

Jedoch blieben meine Augen mal wieder an dieser "interessanten" Kombi hängen, während meine beste Freundin wegen der Adoption auf mich einredete. Beziehungsweise redete sie eher mit sich selbst und diskutierte allein, ob sie die Idee meiner Mutter gut fand oder eben nicht. Man konnte natürlich zuhören, man konnte es aber auch sein lassen. Kommentare waren bei ihr sinnlos, bevor sie sich ihre eigene Meinung gebildet hatte und das konnte immer etwas dauern.

"Alsoo... Deine Mutter will ein Kind adoptieren. Eigentlich keine so schlechte Idee. Ich meine, man muss sich mal vorstellen, ohne Familie in einem Waisenhaus zu leben. Ich weiß ja wie es ist, ein Elternteil verloren zu haben, aber beide.. Das muss echt krass sein. Dem Kind geht es wahrscheinlich seelisch gar nicht gut. Ob deine Mutter weiß, worauf sie sich einlässt? Das wäre ein hartes Stück arbeiten, das Mädchen oder den Jungen, dazu zubringen, sich zu öffnen. Und nur dann kann man ihr oder ihm helfen..." Chloe ging vor mir auf und ab. "Wahrscheinlich hat das Kind selten Liebe erfahren. Wahrscheinlich braucht es auch die Liebe deiner Eltern."

Sie sah mich an und ihre goldbraunen Augen bohrten sich ernst in meine, "Das ist eine schwierige Sache, Paddy. Es gibt kein richtig oder falsch. Es gibt nur das, was für euch richtig oder falsch ist. Wenn es für deine Mutter das Richtige ist, dann ist es auch richtig für sie. Aber für dich vielleicht nicht. Damit muss man leben."

"Ich weiß ja noch nicht mal, ob es für mich falsch wäre.", seufzte ich resigniert und rührte den Kaffee um, den Chloe mir gekocht hatte. "Vielleicht ist es auch ganz schön, jemanden wie einen Bruder oder eine Schwester zu haben... Aber... Ich kann und will Stella nicht vergessen...." Ich schluckte, "Verstehst du das?"

"Klar versteh ich das.", nickte Chloe. "Aber ich denke, deine Eltern können das auch nicht. Sie war schließlich ihr Kind, das darfst du nicht vergessen. Vielleicht solltest du dem Ganzen einfach eine Chance geben, Paddy. Dein Geschwisterchen könnte ja ganz nett werden."

"Aber was, wenn er oder sie herausfindet, dass es vor ihm oder ihr noch ein anderes Kind bei uns gab? Ist das nicht auch ein schreckliches Gefühl für das Kind?", fragte ich und sah meine beste Freundin an.



Diese Nacht träumte ich wieder von Stella. Zumindest von einem Mädchen, das so aussah wie ich mir Stella vorgestellt hätte, wäre sie in mein Alter gekommen. Sie saß im Schneidersitz auf einer Picknickdecke an der Spitze eines grün blühenden Hügels unter einem Baum, in den Händen ein schweres Buch. Ihre braunen Augen flogen über die Buchstaben und sie strich mit dem Finger sanft über ein Bild, das auf der Seite abgedruckt war. Das Bild zeigte einen Schmetterling mit großen blauen Flügeln.

Vostichtig hob ich meine Hand und legte sie in Stellas braunes Haar. Es war weich. Nur einmal wollte ich es fühlen. Ein paar Haarsträhnen flossen zwischen meine Finger und ich fühlte jede einzelne.

Dann hob Stella den Kopf als hätte sie bemerkt, das ich an ihren Haaren herumspielte. Noch noch bevor ihre Augen meine treffen konnten, löste sie sich auf. In viele winzig kleine blaue Schmetterlinge, die über den Hügel davon flatterten. Und ich starrte ins Leere. Dorthin wo eben noch meine Schwester gewesen war. Warum war das Leben nur so unfair? Warum mussten Menschen sterben?



Das Frühstück war komisch. Meine Mutter schwieg, ich schwieg und nur Sascha versuchte verzweifelt etwas gute Laune an unseren Tisch zu bringen. Erfolglos. Die Situation wurde dadurch eher nur noch angespannter. Genervt trank ich den letzten Schluck meines Kaffees und ließ mein Toast unangerührt liegen, als ich aufstand. "Darf ich in die Schule?"

"Ist das nicht ein bisschen früh?", fragte Sascha. Er hatte Recht. Ich war fast eine halbe Stunde früher dran als sonst. Aber ich wollte endlich weg aus unserem Esszimmer, die Stimmung war kaum auszuhalten. Also antwortete ich meinem Stiefvater bloß mit einem Nicken, drehte mich um und ging. Ich spürte seinen Blick in meinem Rücken, doch ich ging einfach weiter.

"Pat, warte mal kurz.", rief Sascha als ich schon draußen stand, Jacke an und Kopfhörer in den Ohren. Mit einem Seufzen drehte ich mich noch einmal um und zog einen Kopfhörer raus. "Was?" Wow, das hörte sich genervter an, als ich wirklich war. So sauer war ich gar nicht, eher verwirrt.

Sascha wirkte tatsächlich eingeschüchtert und stotterte etwas: "Kathi hat mir erzählt, ihr hättet einen Streit gehabt. Bist du wirklich so sehr gegen die Adoption?" Er trat einen Schritt näher, während ich die Musik wieder anstellte. So früh am Morgen wollte ich über dieses Thema nicht sprechen.

"Bitte, Pat. Hör mir zu.", flehte Sascha und legte eine Hand auf meine Schulter. "Kathi und ich haben darüber gesprochen. Du bist nicht nur ihr Sohn, Pat, du bedeutest mir auch etwas. Du gehörst zur Familie. Wir sind eine Familie, gemeinsam. Du hast genauso ein Mitspracherecht wie ich was Familienangelegenheiten angeht. Wenn du die Adoption wirklich so sehr nicht willst, dann respektieren wir das. Kathi und ich haben noch Zeit. Wir können auch erst ein Kind zu uns holen, wenn du ausgezogen bist. Das wäre für uns alle doch besser, oder nicht?"

"Sorry, Sascha. Ich hab jetzt nicht die Nerven dafür.", schüttelte ich den Kopf und ging weiter.

Diesmal rief mein Stiefvater mich nicht zurück.


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Ich hab jetzt einige gute Ideen wie diese Story weitergehen könnte! :)

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-gebackeneZucchini

Brüder küssen sich nicht. || KÜRBISTUMOR Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt