Kapitel 7 - ✔️

16.2K 533 27
                                    


James

Nachdem Misses Wave flüchtig ein paar Worte mit der Blondine wechselt, verschwindet sie ein zweites Mal und kommt nicht mehr zurück.
Ich beobachte jeden ihrer Schritte bis zur Tür.
Sehe, wie ihre kleinen Finger den eisernen Griff umfassen und aufziehen. Sie scheint einige Probleme und schwächende Stärke zu haben, aber sie schlüpft schließlich doch durch die Tür und mit dem Zufall des Flügels, bricht mein Blickkontakt endgültig.
Ein merkwürdiges Gefühl.

Ich blinzle wenige Sekunden und versuche krampfhaft mich zu konzentrieren. Auf einmal scheint es mir, als würde mich jeder merkwürdig von der Seite ansehen und ich nehme den Faden des Gesprächs wieder auf, um nicht noch komischer zu wirken.
Wie konnte mir so etwas passieren ? Und dann auch noch bei einer einfachen Frau.

Ich bin der erste, der das Meeting um kurz nach drei verlässt und schnellstmöglich versucht, an die frische Luft zu kommen. Mein Kopf  scheint nicht zu Verstand zu kommen und ich muss mich wirklich wundern.
»Mr. Sine, Mr. Sine, warten Sie !«
Eine hohe Frauenstimme pfeift mich zurück und ehe ich mich umdrehen kann, liegt eine Hand auf meinem Arm und Arabella steht neben mir. Ihr lockig rotes Haar ist streng nach hinten gebunden und ihr Körper steckt in einem engen Blazer und einer geöffneten Bluse.
Arabella arbeitet in diesem Gebäude und sie war es auch, die Mrs Wave zum Saal geführt hat, in dem das Treffen stattfand.
Seit ich das Gebäude betreten habe, klebt sie mir an den Hacken und auch wenn ich sie schon lange kenne, sie hübsch und auch nett ist, trifft sie noch immer keinen meiner Geschmäcke.
Ihre hohen High Heels klackern über den gläsernen Boden, als ich ohne ein Wort einfach weiterlaufe.
Sie gehört zu den Frauen, die einem auch ohne Nettigkeit folgen. Sie bemerkt es nicht, wenn man abgeneigt ist und lieber alleine wäre. Eine Sache, die ich an ihr und allen Frauen bemängle.

»Na wie geht's ?«, fragt sie mich und streicht meinen Arm hinauf.
»Gut, und dir ?«, frage ich und klinge abweisend, nicht das ihr das auffallen würde.
»Auch, sag mal hast du noch etwas wichtiges zu tun ?«, fragt sie und ihre Finger tippen auf meinen Arm, während sie ihren Blick erwartungsvoll in meine Richtung lenkt.
Am liebsten würde ich sie abschütteln, aber zumeist bringt das nichts und daher antworte ich wahrheitsgemäß mit einem »Nein« und entziehe ihr bloß meinen Arm.
»Wie wäre es dann mit einem Kaffee ?«, fragt sie und zieht eine bittende Schnute. Ich finde es sieht albern aus und rührt nichts in mir, aber sie scheint zu denken, es würde wirken.
»Gerne«, gebe ich nach einer Weile quälend von mir und trete zusammen mit ihr in den Fahrstuhl.
»James !«, ruft eine Stimme nach mir und ehe die Tür schließen kann stopft sich das grellrote Kleid von Nadja Braun durch den Fahrstuhl.

Völlig außer Atem steht die aufgetakelte Firmenleiterin vor uns und schenkt mir ein strahlendes Lächeln, als mein Blick ihren fasst.
Ihr Lippenstift verzieht sich und ihre gelben Zähne kommen zum Vorschein. Am liebsten würde ich das Gesicht verziehen und wegsehen, aber das wäre mehr als unhöflich.

Nadjas Blick fällt auf Arabella, die ihren Arm schon wieder um meinen gelegt hat, und ihr Grinsen verrutscht für einen Moment. Mit gerümpfter Nase sieht sie Arabella an und diese scheint auch nicht sehr erfreut über die Anwesenheit einer weiteren Frau. Die beiden Frauen töten sich mit Blicken, versuchen zwischendurch immer wieder meine Aufmerksamkeit zu erlangen, und ich würde am liebsten die Augen rollen und einfach verschwinden.
Solche Momente bin ich zwar gewöhnt - auf Galen und Bällen ist es immer so - aber das heißt nicht, dass ich es genieße mit flattrigen Frauen abzuhängen. Ganz im Gegenteil.

»Ich wollte dich fragen ob du heute noch etwas vorhast ?«, fragt Nadja mich und strahlt wieder zu mir auf. Eine Strähne ist ihr aus dem Zopf gefallen und nervös lächelnd streicht sie sie hinter ihr Ohr.
Ehe ich etwas antworten kann, mischt sich Arabella neben mir ein.
»Entschuldige Nadi', James hat mich gerade auf ein Date eingeladen.«, ruft sie aus und ich bereue meine Zusage. Von einem Date nie die Rede und es wäre auch nie so weit gekommen. Niemals freiwillig, würde ich sie nach so etwas fragen.
»Achso«, schmollt Nadja und versucht ihre Maske sitzen zu lassen. Ihr Blick wird beinahe traurig, als Arabella ihren Kopf gegen meine Schulter lehnt und glücklich aufseufzt.
Unbehagen keimt in mir auf und ich will nur noch weg. Erleichtert atme ich aus, als der Fahrstuhl unten ankommt. Ohne auf Arabella zu achten renne ich geradezu hinaus und versuche von beiden Damen wegzukommen.
An der Tür allerdings werde ich von der dritten Frau aufgehalten, die die letzten unfreundlichen Worte in ihr Telefon zischt, dann auflegt und wieder lächelt als ich an ihr vorbei laufe.
»James« sagt sie mit zuvorkommender Stimme und hält mich mit einem sanften Lächeln an.
»Schön, dass du heute wieder teilnehmen konntest. Ich danke dir schon jetzt für deine Hilfe und Unterstützung.«
»Es freut mich auch, Mrs. Wave, und kein Problem. Es ändert sich nichts an unseren Abmachungen.« sage ich knapp und sie nickt grinsend. Diese verzogenen Lippen, sind beinahe erschreckend und wieder stoße ich einen tiefen Hass an Lippenstift aus. Gruselig.
»Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden.«, versuche ich ihren Fängen zu entkommen und nicke zum Abschied.
»Natürlich«, bestätig sie und als hätte sie jemand gepfiffen, hängt Arabella beim Verlassen des Gebäudes wieder an meinem Arm.
Dem Chauffeur, der vorm Eingang steht und auf mich warten sollte, gebe ich für den Tag frei und bitte ihn, meinen Wagen einfach irgendwo zu parken.
Weil ich keine Lust habe mich in irgendeinem Restaurant anzukündigen und auch sonst nicht unnötig viel Zeit mit Arabella verbringen möchte, ziehe ich sie auf schlichtem Wege über die Straße und lasse sie dort ein Café aussuchen.
Sie entscheidet sich schließlich für ein relativ volles Café und setzt sich dort direkt vor das große Glasfenster. Die Aufmerksamkeit liegt schon beim Eintreten auf mir und meiner Begleitung, und Arabella scheint jeden Blick zu genießen.
Von draußen sehen Passanten durchs Fenster und auffällig posierend lächelt Arabella ihnen entgegen. Sie versucht nach meiner Hand zu greifen, aber ehe sie meine Finger fasst, kommt eine Bedienung zu uns und meine Hände landen rechtzeitig in meinem Schoß.
Die junge Brünette, die uns bedient, bekommt ein bleiches Gesicht, als sie sieht wen sie nach der Bestellung fragt.
Ständig streicht sie sich beim Aufschreiben durch die Haare und fragt gleich dreimal nach, ob das alles ist und sie nichts vergessen hat.
Nachdem ich ihr abermals erkläre, dass wir wirklich nur einen Milchkaffee, einen Cappuccino und ein Stück Erdbeertorte wollen, geht sie endlich.
»Was für eine Bedienung ...«, kritisiert Arabella abwegig und fasst sich an den Kopf, als sie der unbeholfenen Kellnerin nach sieht. So schlimm, wie sie guckt, war es nun auch nicht.
»Was du nicht sagst...«, murmle ich abwegig zurück, obwohl mich die Verwirrung von Menschen, die auf mich reagieren, immer wieder belustigt. Als wäre ich die Queen.
»Wie war dein Tag denn überhaupt so ?«, unterbricht Arabella die paar Minuten in denen gelangweilte Stille herrscht. Ich wüsste nicht, was ich sie fragen sollte und wenn sie ehrlich wäre, interessiert sie sich nicht die Bohne für mich. Für sie muss ich aussehen, wie ein glänzender Geldschein. 
»Nicht sehr spannend«, gebe ich knapp von mir. Aber ich lüge.
Das Wiedersehen der kleinen Blondine, die mir noch immer im Kopf schwirrt, hat das langweilige Meeting zu einem meiner Favoriten gemacht. Diese Tatsache geht Arabella aber nichts an und wie ich sie kenne, hat sie auch keinen lieblichen Blick für die Humpelnde übrig gehabt.
»Viel hatte ich heute nicht zu tun«, rede ich weiter und sehe wie desinteressiert Arabella mich ansieht. Ich hatte recht.
»Ah, mein Tag war auch noch nicht so spannend. Nur eben die Organisation von dem Meeting heute.«, fängt mein Gegenüber an und zupft ihre Bluse zurecht.
»Du musstest dich um Mrs Wave kümmern, stimmt's ?«, frage ich, obwohl ich die Antwort eigentlich weiß.
»Ja, so ungefähr, aber ihre komische Assistentin hat das meiste meiner Arbeit gemacht.«
Sie rümpft ihre Nase und wieder liege ich richtig. Ich kenne Arabella, sie hat keinen netten Blick für weniger Reiche über. Für sie sind das alles nur Zuschauer ihrer Modenschau, dem Leben.
Durch ihren Vater hat ein sehr luxuriöses Leben. Für das Geld, welches sie für ihre vielen Kleider ausgibt, hat sie keine Hand gerührt.

ROSE - Warum weinst du? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt