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Ich lief gerade zur Schule, da fuhr er an mir vorbei, auf seinem Fahrrad, was mehr ein Drahtgestell war, als ein tatsächliches Fahrrad. Ich schaute auf zu ihm und sah, wie sich sein Mund bewegte, aber ich hatte meine verdammten Kopfhörer drinnen, denn sind wir ehrlich, wer überlebte Busfahrten ohne Kopfhörer. Ich zählte jedenfalls nicht zu jenen Menschen. Doch wie konnte ein Mensch nur bitte so viel Unglück wie ich besitzen.

Seitdem ich auf eine neue Schule gewechselt hatte – um mein Abitur in drei anstatt zwei Jahren zu absolvieren – war er mir nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Der Junge mit den schönen Haaren und den noch schöneren Gedanken. Er schlich sich so unglaublich schnell in meine alltäglichen Gedanken ein, dass es mir gar unmöglich war, es überhaupt zu versuchen zu verhindern – er kam, ich sah, er siegte.

Nicht, dass ich ihn und seine Gedanken großartig kennen würde, doch mit allem was er sagte kämpfte er sich mehr und mehr in mein Herz ein und das ließ sich auch nicht bestreiten. Ich wünschte bloß, er hätte mir etwas Zeit zum Aufatmen gegeben.

Ich erinnere mich an keine einzige Situation, in der er mich aus eigenen Stücken ansprach, um mir etwas zu sagen oder ein Gespräch mit mir anzufangen und heute – wo er es doch tatsächlich einmal tat – da hatte ich meine Kopfhörer drinnen. Bravo. Manchmal hatte ich das dringende Bedürfnis mich von der nächsten Autobahnbrücke zu schmeißen – wobei das es wohl deutlich schneller gewesen wäre, das nächste Auto zu nehmen.

Noch kurz schaute ich ihm hinterher, wie er sich auf seinem Rad immer weiter von mir entfernte, bis ich merkte, dass ich fast stehengeblieben war. Mit warmen Wangen machte ich mich daran auch noch die wenigen Schritte zur Schule zu gehen. Meine Knie fühlten sich an wie Brei und schafften es gerade so meinen Körper die letzten Meter zu tragen.

Was hatte er mir bloß sagen wollen? Ich würde ihn wohl gleich in Englisch fragen müssen. Ganz sicher. Das redete ich mir zumindest gerne ein. Um ehrlich zu sein war ich viel zu ängstlich und unsicher um ihn überhaupt nach irgendetwas zu fragen.

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Englisch. Für gewöhnlich mochte ich Englisch, nicht zuletzt weil er mir gegenüber am Gruppentisch saß und ich somit schamlos seine atemberaubende Schönheit in Betracht nehmen konnte. Wie sich seine Lippen zu einem warmen Lächeln verzogen oder wie seine Augen interessiert den Raum und was sich in ihm befindet mustern. Ich wünschte, er würde mich so mustern.

Das Gefühl der Begierde in mir hervorrufen, allein nur durch den Blick seiner waldgrünen Augen. Ein Wald durch den ich gerne laufen würde, in dem ich alles was sich dort befindet kennen lernen will. Ein Wald, der mit so viel Licht geflutet wurde, dass du selbst in tiefster Nacht keine Angst hättest durch ihn durchzugehen. Da war so unglaublich viel Licht in ihnen, dass sie den Raum alleine bereits in einen angenehm warmen Schein hüllten.

Ich hoffte so sehr, dass er das gleiche dachte – alles was ich wollte war das Gefühl seiner Lippen auf meinen zu spüren. Ich wollte, dass seine warmen Hände sich ihren Weg auf meinen Hüften erkunden und meine kalte Haut zum Glühen bringen. Ich wollte nicht mehr als von ihm geliebt zu werden, nicht mehr als einmal im Leben Liebe zu spüren, nicht mehr als einmal wahrhaftig zu liebe, von Leidenschaft geflutet zu sein und nicht den Tod zu fürchten.

Ich spürte, wie meine Wangen sich abermals erhitzten. Seine Anwesenheit schien mir wirklich nicht gut zutun, denn seine pure Anwesenheit ließ mich Dinge denken, von denen ich es nicht für möglich gehalten hätte, sie irgendwann einmal denken zu können. Doch sie schenkte mir gleichzeitig mir so unglaublich viel Inspiration in einer Welt, die mir sie sonst wegnahm, sie mir gar aussaugte. Ich hatte schon so lange nicht mehr das pure Leben durch meine Ader pochen spüren, die Liebe meinen Körper kitzeln. Er musste das Gleiche fühlen wie ich. Er musste einfach.

Ich wollte seine Seele stehlen und sie einschließen, einschließen in den Wänden meines Herzens. Ich möchte ihn nicht missen müssen, er scheint so perfekt – so perfekt für mich. So perfekt für alles Verdorbene auf dieser Welt.

„Kara?", die Stimme meiner Lehrerin durchschnitt abrupt meine Gedanken. Panik machte sich in mir breit. Ich hätte verdammt nochmal zuhören sollen, wieso lasse ich meine Gedanken immer so schweifen. Hilfesuchend schaute ich zu Luke, wieso auch immer ich gerade zu demjenigen schaute, der mir das Debakel überhaupt einbrockte. Doch er schien zu verstehen und half mir tatsächlich aus der Patsche.

Ein sanftes Lächeln breitete sich auf seinen rosa Lippen aus. Gott, er musste von den Engeln geküsst worden sein. Das Sonnenlicht küsste seine Haut, wie die Bienen die Kinder des Frühlings küssten um Hönig zu machen. Es war nicht von den Engeln geküsst, er war ein Engel, ein Engel der sich auf dem Weg in den Himmel auf der Erde verirrt haben musste.

Das Zusammentreffen vor der Schule war mir wie aus dem Kopf gefegt, es schien nichts Unbedeutenderes zu geben als dieses Treffen. Denn dieser Moment, der machte meinen ganzen Tag bereits jetzt schon besser und ich hoffte, ich konnte mich noch lange von ihm nähren. Mehr wollte ich nicht.

Ich wollte nicht mehr, als endlich glücklich zu werden und ich wünschte mir so sehr das Luke ein Teil dieses Glückes sein könnte – ich hoffte so sehr, dass er mir gerade nicht nur aus reiner Nettigkeit geholfen hatte, sondern, weil ich auch etwas in ihm bewegte. Das Verlangen nach seiner Aufmerksamkeit war so unglaublich stark, dass es mich fast in Ohnmacht wiegte.

Ich schaute auf zu ihm, verlor mich in seinen sanften Gesichtszügen. Die Sonne blitze in seinen Augen auf und schien mir direkt entgegen. Ebenfalls sanft lächelnd hauchte ich ihm ein „Danke" entgegen, bevor ich anfing, wieder dem Unterricht zu lauschen. 

Hello, Hab's doch tatsächlich endlich geschafft, dieses Buch anzufangen, yes! Hope you'll like it.

[27.01.2019]

The Sun and his MoonDonde viven las historias. Descúbrelo ahora