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Wir lagen dort, unter dem dunklen Sternenhimmel, auf dem weichen Rasen. Die Luft kitzelte kalt an meiner Nase und Lukes Körper drückte sich warm an meinen. Die Stadtluft versperrte uns die Sicht auf die eigentlich unzähligen Sterne und das machte mich unglaublich traurig.

Ich mochte die Nacht, ich liebte es mich in ihr zu verlieren und alles zu vergessen, was mich tagsüber auf dem Boden gefangen hielt. Ich liebte es, jedem Stern einen Namen zu geben und das Nacht für Nacht wieder. Die Nacht war mein Zuhause, sie war der Ort, an den ich mich zurückzog, wenn es mir schlecht ging.

Sie war wie die große Schwester, die ich mir immer wünschte. Sie hörte mir zu, behielt meine Geheimnisse für sich und beschütze mich vor der Härte jener Welt, in der wir lebten. Die Nacht ließ mich so sein, wie ich wirklich war – und sie verurteilte mich nicht deswegen.

Noch vor einiger Zeit – als Luke mir noch nicht die meiste Zeit seines Tages schenkte – lief ich Tag für Tag wie ein Untoter durch die, von der Sonne durchfluteten, Straßen, versteckte mich in ihren Schatten und verbrannte mir meine Haut. Die Nächte hingegen wurden zu dem, was Leute wohl eigentlich als Tag bezeichneten.

Ich spazierte durch die dunklen Gassen, schrieb und schrieb und schrieb. Es hat mich nie gewundert, dass sich meine Eltern oder auch meine Lehrer um mich sorgten, doch genauer nachgefragt hatte nie jemand. Warum auch – es gar nicht erst zu wissen erleichterte einem schließlich das Leben, nicht wahr?

„Kara?", Lukes tiefe Stimme holte mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich zu ihm, auch wenn man nur wenige Schatten auf dem Gesicht des anderen erkennen konnte. „Worüber denkst du nach?", fragte er interessiert. Sein Interesse ließ die Sonne jedes Mal wieder in mir aufgeben. Endlich konnte ich gedeihen.

„Darüber, dass die Nacht für mich schon immer mehr Tag war als der Tag selbst", antwortete ich ihm ehrlich. „Du bist wirklich wie die Nacht. Blass, wie ein Schatten bewegst du dich hinter dem Licht her, aber falls es einmal dunklen um einen wird, so leuchtest du den Weg", hauchte er mir entgegen.

Seine Augen glänzten leicht im wenigen Licht des Himmels, meine Hand fand sanft ihren Weg auf seine rechte Wange, als sei sie dort zuhause. Ich wollte ihn nach diesen warmen Worten einfach küssen – ich musste es. Mein Gesicht neigte sich seinem noch etwas entgegen, bis meine Lippen sanft auf seinen lagen.

Wie die zarten Flügel eines Falters im Frühling, wenn er durch die Luft segelt und deine weiche Haut streichelt. Lächelnd ließ ich wieder von ihm ab und drehte mich auf meinen Rücken. Ich spürte seinen Blick auf mir kitzeln und ich hätte mich in diesem Gefühl baden können.

Wie konnte ein einziger Mensch einen so gut fühlen lassen?

„Wann hast du das letzte Mal einfach nur da gelegen und in den Himmel gestarrt?", fragte ich den Jungen neben mir. Ich spürte wie er sich leicht aufrappelte und sich auch wieder auf den Rücken drehte. „Ich weiß nicht – zuletzt wahrscheinlich als ich meiner Mutter noch Sorgen mit Grasflecken in meinen Klamotten gebracht habe", leicht vibrierte sein Körper neben mir, sein Lachen klang nostalgisch, als wünschte er sich seine unbeschwerte Kindheit zurück.

„Wann ist alles so anstrengend geworden? Wann wurde uns bloß diese Unbeschwertheit entrissen?", ich stellte nicht direkt ihm diese Fragen. Ich sprach mit uns, unseren vergangenen Ichs und dem Himmel, der sie alle kannte. „Ich weiß es nicht", Luke griff nach meiner Hand und hielt sie einfach in seiner.

Wie konnte man in so kurzer Zeit so vertraut miteinander werden?

„Luke?", fragte ich, nachdem ein wenig Zeit verstrichen war. „Mh?", fragte er hingegen geistesabwesend. „Ich hab Angst vor dem was kommt. Ich weiß nicht, was ich machen soll nach dem Abi – dabei ist es gar nicht mehr in ferner Zukunft. Ich weiß nicht, was ich aus meinem Leben machen soll, weiß nicht, wie ich die Welt ertragen kann – wo sie mir doch viel zu laut ist. Ich weiß einfach nichts und das macht mir unglaubliche Angst".

„Hey", meinte er, während seine Hand kleine Kreise auf meiner zeichnete, „das haben wir doch alle irgendwo. Unsere Generation ist so verdammt verloren – warum sollten wir es nicht sein? Und ich weiß, dass ich dir die Angst damit nicht nehmen kann, aber ich werde hier sein bis du sie überwunden hast, okay?".

Wie schaffte er es nur immer wieder mir genau die Last vom Leib zu nehmen, welche mich fast erdrückt? Und das alles nur durch ein paar Worte – ein paar Berührungen.

„Danke", antwortete ich ihm und kuschelte mich an seine Schulter. Zärtlich legte er mir den Arm um meine Schulter und drückte mich noch näher an sich. „Ich hasse es, dass der Stadthimmel so dreckig ist. Ich vermisse die Sterne", meinte ich zu Luke. Dieser lächelte nur zufrieden und betrachtete weiter den dunkler werdenden Himmel.

So lagen wir unter der finsteren Himmelsdecke, mit den wenig leuchtenden Pünktchen, nebeneinander und schwiegen. Die Stille legte sich über unsere Körper wie sie sich auch über den Straßen Berlins breitmachte. Jedoch gesellte sich auch Kälte allmählich zu der Ruhe, streichelte meine Gliedmaßen und zeichnete eine Gänsehaut auf diesen.

„Ich denke, wir sollten uns langsam auf den Weg machen", meinte Luke neben mir und zog mich noch näher an sich, wohl in der Hoffnung uns wärmer zu halten. „Da hast du wohl recht", meinte ich kichernd. Luke stieg in mein Lachen mit ein, bis sich die Stille wieder über uns legte.

Und obwohl uns beiden mittlerweile kalt war, machte keiner von uns Anstalten tatsächlich aufzustehen. 

Hello! Sorry, für das späte Kapitel, musste noch nen' Vortrag machen (hatte ja zum Glück nicht zwei Wochen dafür Zeit, ha ha). 

[28.04.2019]

The Sun and his MoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt