Blut

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Zwei Tage verließ ich mein Zimmer nicht.
Sie war so stark... ich hörte jeden Morgen, wie sie im Treppenhaus an meiner Tür vorbei lief.
Und ich war so schwach...
Ich war ein niemand gegen sie.
Unnütz.
Sinnlos.
Eine Verschwendung von Platz und Energie.
Nicht einmal das war ich.
Sie war alles.
Sie war eine ganze Welt.
Meine Welt.
Und ich hatte meine Welt zerstört.
Sollte ich es wirklich so lassen?
Konnte ich es so lassen?
Nein.
Nein, das konnte ich nicht.
Von plötzlicher Zuversicht gepackt raffte ich mich aus meinem Bett auf und lief zu meiner Wohnungstür.
Schnell hatte ich sie geöffnet und war die paar Treppen, die ihre und meine Wohnung trennten, nach oben gerannt.
Nun stand ich vor ihrer Tür.
Komisch...
Sie war geöffnet.
Misstrauisch schob ich sie auf.
Es war später Nachmittag und nur das Licht
aus den Nebenräumen fiel in ihren Flur.
Hier war niemand.
Zumindest nicht, in den Räumen
mit den offenen Türen.
Aber eine Tür war geschlossen:
die Tür zum Badezimmer.
Ich rief ihren Namen.
Hämmerte mit der Faust gegen die Tür.
Aber sie wollte nicht öffnen.
Dann vernahm ich ein leises
»...nicht...«
von ihr.
Sie war also wirklich dort drinnen -
und sie lebte noch!
Sie würde niemals die Tür von alleine öffnen.
Meine Nerven brannten mit mir durch und kurzerhand entschied ich,
die Tür einzurammen.
So wie ich es beim Rugby gelernt hatte.
Meine Schulter krachte gegen das Holz.
Ein höllischer Schmerz jagte
durch meinen Körper.
Ich fand mich auf zerbrochenen Holz wieder.
Die Tür war zerstört und
ich befand mich im Badezimmer.
Sie saß da.
Zwei Meter von mir entfernt in der Badewanne.
Die Klingen lagen am Rand.
Überall war Blut.
Sie sah mich mit schmerzerfüllten Blick an.
»...nicht...«,
flüsterte sie noch einmal.

Vielleicht hätte ich mich
einfach neben sie legen sollen...

Aber ist ja sowieso egal...

Ist doch alles egal...

Sterben tun wir alle...

Hold OnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt