9. Kapitel • (boy)friends

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„Du...Nina?"

„Hm?" Unkonzentriert blickte ich nur kurz von meiner Geschichtslektüre über den ersten Weltkrieg auf - da ich den Aufsatz aufgeschoben bekommen hatte, wollte ich ihn jetzt schnellstmöglich und unbedingt hinter mich bringen - um meine Mitbewohnerin zu zeigen, dass sie nun meine ganze - oder naja zumindest halbe - Aufmerksamkeit hatte.

„Was hast du eigentlich mit Matteo zu tun?"

„Nicht viel."

„Und deswegen hast du ihn in unserem Zimmer, auf deinem Bett verarztet?"

Ich verdrehte schnaubend die Augen. „Das war nur, um sicher zu gehen, dass er mir auch ja die sechzig Euro für meine Schuhe wiedergibt und nicht vergisst, dass er meine Lieblingsballerinas ruiniert hat."

„Lieblingsballerinas?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Ex-Lieblingsballerinas jetzt wohl."

„Ja und woher soll er das wissen?"

„Naja in dem ich ihm das sage?" Ich rollte mit den Augen und schob mein Lesezeichen zwischen zwei Seiten. „Ist das so schwer zu verstehen?"

„Also das zwischen euch schon. Vor allem wo ich dachte, dass du auf Gastón stehst." Sie hatte eine echt skeptische Miene drauf. Fast hätte ich lachen müssen.

„Oh Gott. Ich stehe weder auf Matteo noch auf Gastón, Ada."

„Dann bist du krank. Da sind zwei heiße Typen, die dir wohl offensichtlich zu Füßen liegen und du ignorierst das."

Ich lachte laut. „Du bist witzig."

„Das ist kein Scherz, Nina."

Ich blickte sie bloß amüsiert an. „Matteo ist mein Freund. Freundschaftlich. Mehr nicht. Ich meine...ich würde niemals..." Bei dem Gedanken was mit einem Typen anzufangen, der lange Zeit mit meiner besten Freundin gegangen war und dessen Schwanz schon so viele Pussys wie mein Intimbereich Unterhosen gesehen hatte, wurde mir irgendwie schlecht.

...obwohl Gastón...

„Was mit nem Player anfangen?"

„Genau.", ich nickte überzeugt und ergriff erneut den Einband meines Buches. „Ich meine er ist ganz nett und so. Aber nichts für was Festes."

„Von wem sprechen wir jetzt?"

„Wie?"

„Na Gastón oder Matteo?"

„Na beiden?!" Ich zuckte belustigt mit den Schultern. „Die beiden sind beste Freunde, seitdem sie in ihre Windeln scheißen, ich würde es nicht bezweifeln, dass sich das Verhalten des Einen da irgendwie auf das des Anderen auswirkt und auch wohl abfärbt..."

Vielleicht war Gastón ja nur so, weil Matteo es immer so gemacht hatte? Naja bis er Luna kennengelernt hat...

„Und woher hast du das jetzt?"

„Sieht doch jeder, Blinder. Obwohl...ich glaube die könnten schon eher denken, dass sie ein schwules Pärchen wären. Die sind zusammen anstrengender als Mädchen beim Shoppen." Ich verdrehte abermals die Augen, konnte das kleine Grinsen, das sich auf meine Lippen schlich, allerdings nicht wieder aus meinem Gesicht kriegen.

„Okay Nina." Ada setzte sich abrupt von ihrem Bett auf, sodass ebenso meine Matratze wackelte (ein Ehebett; wie gesagt) und verschränkte die Arme vor der Brust. „Jetzt komm schon. Du kannst mir unmöglich erzählen, dass du sie erst seit den knappen sechs Tagen, die du hier bist, kennst. Du kennst die beiden ja gefühlt auswendiger als deine Brillensammlung. Und die liebst du, das weiß ich."

„Du hast recht. Matteo und Gastón liebe ich auch."

Sie blinzelte über meine plötzliche Ehrlichkeit perplex und fast augenblicklich klappte ihre Kinnlade beinahe bis zum Mittelpunkt der Erde hinab.

„Aber auf eine andere Art und Weise."

„Wie ist denn das jetzt schon wieder gemeint?", schwer seufzend - und anscheinend auch sehr geschafft von meiner komplexen Wortwahl - fuhr sie sich angestrengt durch ihr schönes Haar.

„Die Beiden begleiten mich schon eine lange Zeit in meinem Leben. Mal mehr...mal weniger romantisch."

„Oh. Mein. Gott!" Sie sprang plötzlich schneller als ein Känguru auf ‚unserem' Bett auf und ab. „Ich will Alles wissen!"

Ich zuckte abermals mit den Achseln. „Matteo ist Gastóns bester Freund. Gastón war die Liebe meines Lebens. Er ist aber gegangen und hat mein Herz gebrochen. Matteo hat es aber anscheinend noch mehr mitgenommen. Daraufhin sind wir Freunde geworden und haben uns gegenseitig über unsere gebrochene Herzen geholfen. Das wars schon. Nichts Besonderes, wie gesagt."

„Nichts Besonderes?!" Sie riss mich beinahe schon gewaltsam an den Armen hinauf und veranlasste mich auch dazu so kindisch und aufgeregt wie auf einer Pyjama-Party auf dem Bett auf und abzuhüpfen. So würde das Gitterrost doch bestimmt ganz schnell durch sein...

„Das ist so süß Nina! Stell dir das mal vor! Gastón, Matteo, du und ich zusammen auf einem Doppeldate!"

Geradezu augenblicklich hörte ich auf mich wie ein Karnickel auf Ecstasy zu benehmen und hob eine Augenbraue, nachdem ich zum Stillstand gekommen war. „Moment mal...was?!"

„Na das wäre doch großartig! Du magst Gastón! Ich mag Matteo! Du hast die Verbindungen. Das wäre doch perfekt!"

„Warte mal, ich glaube du verwechselst da wa-...", versuchte ich ihren Enthusiasmus zunichte zu machen, allerdings war eine Ada auf dem Fröhlichkeitstrip nicht zu stoppen.

„Stell dir mal vor wie süß wir auf unserem Abschluss alle aussehen würden! Wir könnten damit angeben, dass die heißesten Typen des Colleges auf uns stehen und dann kriegen wir alle Kinder und benennen sie nach unseren Großeltern und - oh mein Gott! - ich werde doch Patentante von Gastón Junior richtig?!"

„Ada ich habe doch nie gesa-..." Ich stockte mitten in meinem Satz, als mein Blick auf den grell gelben Wecker auf Adas Betthälfte und Nachttisch fiel.

Halb fünf.

„...oh mein Gott ich komme zu spät!" Plötzlich ganz hysterisch sprang ich vom Bett auf den Boden und riss meine Tasche von der Stuhllehne, ehe ich hektisch meine Sachen zusammensuchte und dabei auch gleichzeitig meine Romeo-&-Julia-Lektüre hinein stopfte.

Ich hatte bestimmt eine ganze halbe Stunde pausenlos und durchgehend an Gastóns Zimmertür klopfen müssen, damit die beleidigte Leberwurst diese auch öffnete. Und dann hatte ich sicher noch eine ganze Stunde (mindestens!) damit verbracht ihn zu überreden mir und auch ihm selbst die gute Note zu gönnen bis er sich schließlich damit zurecht fand, dass er eine Stunde seiner kostbaren Freizeit opfern könnte um einen kleinen Ausschnitt aus der tragischsten Liebesgeschichte überhaupt mit mir umzuschreiben. Insgesamt würde er dann also zweieinhalb Stunden damit verbringen sich von mir vollquatschen zu lassen. Richtig sinnfrei ich weiß.

„Ada ich habe jetzt keine Zeit!", unterbrach ich dabei nur unwirsch und hektisch meine Mitbewohnerin, die wohl ziemlich verwundert über meine plötzliche Eile war.

„Aber Nina warte mal, wir sind doch noch gar nicht fer-...!"

„Ja ich besorge dir ein Date mit Matteo oder -noch besser! - verkupple dich gleich mit ihm! Wären wir dann hier fertig?!"

Auf ihr mehr als sprachloses Nicken, schlug ich nur die Zimmertür mit lautem Scheppern hinter mir zu.

The Blue Bracelet - Our History • {Gastina} - [✔︎]Where stories live. Discover now