16. Kapitel • detention

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„Könntest du bitte einmal stehen bleiben, Gastón?!" Ich war schon schwer am Schnaufen, weil ich ihm schon seit gefühlten zwanzig Minuten Hinterherhetzen musste. Er schien es sehr eilig zu haben. Oder er wollte einfach vor mir flüchten.

„Ich will aber nicht reden, Nina!" Flüchten. Eindeutig.

Er knallte mir fast die Tür der Bibliothek vor die Nase, weswegen ich etwas erschrocken nach Luft schnappte.

Obwohl sie mich nicht mal getroffen, rieb ich mir angeschlagen über die Stirn, ehe ich die Tür energisch aufdrückte und die Verfolgung wieder aufnahm.

„Du kannst nicht ewig davonrennen, Gastón!"

„Aber ich kann es wenigstens versuchen." Er bog scharf um die nächste Ecke, sodass ich fast in das nächste Bücherregal lief und dabei ausversehen einen Stapel mit Komödien umwarf. Achtlos lief ich allerdings weiter.

„Das ist kindisch! Und dumm!" Ich warf die Arme in die Höh und rannte ihn nun fast um, als er so abrupt stehen blieb und mich mit seinem bösen Blick strafte.

„Darf man sich jetzt nicht mal ein wenig Privatsphäre wünschen, nachdem man so offensichtlich abserviert wurde?! Es ist ja schon schlimm genug, dass ich jetzt diesen blöden Romeo spielen muss, obwohl wir es doch ganz offensichtlich verschissen haben!"

„Aber genau deswegen will ich doch mit dir sprechen!"

„Und ich will nicht darüber reden, was ist daran verdammt nochmal nicht zu verstehen?!" Sein Arm zuckte in einer beinahe schon ruckartigen Bewegung vor der zarten Bekanntschaft meiner Fingerspitzen und seiner Haut zurück.

Sein Blick war aufgewühlt und aufgebracht.

„Naja...Alles eben."

Und dennoch musste ich es auf die Spitze treiben.

Gastóns nächste Interaktion bestand nicht aus dem üblichen Versuch mich gegen die nächstbeste Wand - beziehungsweise hier das nächstbeste Regal - zu drücken, sondern eher genanntes Regal mit gesammelter Kraft umzuhauen - Nur um kurz darauf in die aufgeschreckten Augen des Lehrers zu sehen, der uns beiden noch vor drei Tagen nachts nur in Zipfelmütze und Nachtgewand gegenüber getreten war.

∞∞∞

Wir hatten eine Strafarbeit bekommen. Nicht nur für den Lärm, den wir in der heiligen Ruhestätte der Stille alias der Bibliothek, den wir veranstaltet hatten, sondern auch noch für unser Auftreten in besagter Nacht. Leider hatte der Señor, dessen Namen ich komischerweise immer noch nicht kannte, das nicht vergessen, wie ich es gehofft hatte. Er sah zumindest schon wie Mitte Vierzig aus. Naja vielleicht hatte er es ja auch vergessen, nur Gastóns kleiner Ausraster hatte seinem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge geholfen.

Nun stand ich also stumm und um fünf Uhr nachmittags neben Gastón und räumte die Bücher zurück in das Regal -für dessen Wiederaufrichten der Hausmeister und fünf der attraktivsten Sportlehrer benötigt worden waren! - natürlich sortiert nach Titel und Autor. Wir hatten die ganze Woche Zeit bekommen uns jeden Abend zwei Stunden mit unserem Leben und unseren Handlungen auseinanderzusetzen, während wir die Drecksarbeit der Bibliothekarin übernehmen durften - na vielen Dank auch!

Vermutlich würde ich wegen diesen tiefgründigen Stunden im Bücherkeller mit Eric Schluss machen, mit Gastón einen Beziehungsberater aufsuchen und ihn heiraten.

Quatsch.

„Um auf unser Gespräch zurückzukommen...", begann ich erneut zögernd, als ich mir sicher war, dass er fertig damit war die Buchrücken diverser alter Schriften zu vergewaltigen, indem er sie in enge Lücken im Bücherregal prügelte, bekam allerdings sofort einen entnervten Seufzer zurück.

The Blue Bracelet - Our History • {Gastina} - [✔︎]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt