41. Kapitel • stormy

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Tatsächlich fühlte ich mich am nächsten Tag wieder wie neugeboren. Anscheinend hatten Gastóns Küsse und Berührungen eine ziemliche heilende Wirkung auf meinen Körper, sodass ich bereits bei unserem Nachmittagsspaziergang schaffte ohne Krücken zu gehen. Den ganzen Morgen und Mittag hatten wir tatsächlich verschlafen. Die ganze Nacht war länger gewesen als erwartet. Viel länger. Und trotzdem kamen mir diese unfassbar schönen Stunden so kurz und auch schon wieder ganz weit entfernt vor. Als wäre es eine Erinnerung auf die ich nach Jahren wieder zurückblickte.

Gastón hielt wenigstens sein Wort und hatte unsere Manuskripte ins Gepäck genommen, sodass wir nun versuchten gegen den Wind, der um unsere Ohren pfiff, anzuschreien und unseren Text mal gescheit zusammen zu proben. Die anderen beiden Male, waren wir ja beide an der gegenseitigen Anziehungskraft gescheitert. Besser gesagt hatte Gastón mich um den Finger gewickelt, als wäre der Junge dafür geboren worden mich zu verführen.

Lästig schob ich mir mehrere Haarsträhnen aus dem Gesicht, die allerdings schon im nächsten Moment quer über Augen, Nase und Mund lagen, während ich die nächste Textzeile aufsagte. „Oh Romeo Romeo."

Naja zumindest versuchte ich es.

Gastón war zumindest nicht eine sonderlich große Hilfe, indem er nach ein paar kläglichen gescheiterten Versuchen meinerseits - ich hatte mich einfach an der Menge Luft verschluckt, die mir entgegengeschlagen war und hätte nicht mal bis hierhin geglaubt, dass das möglich wäre! - lachte er zumindest nur. Ich hätte jetzt missbilligend die Nase gerümpft und hätte ein paar wütende Beschimpfungen auf ihn losgelassen, die man sowieso nicht gehört hatte (nicht mal ich selbst), hätte er nun nicht meine Hand so zärtlich ergriffen, als hätte er Angst ich würde gleich davonfliegen. Was bei diesem Wind echt kein Wunder wäre. Abgenommen hatte ich die letzten Woche ja sowieso schon.

Als er auch noch meinte unsere Finger verschränken und mich so lieblich anlächeln zu müssen, konnte ich nicht anders als mit einem verlegenen Lächeln und roten Wangen den Blick zu Boden zu senken. Ich fühlte mich wie ein frisch verliebter Teenager, nach seinem ersten Mal; ohne Scheiß.

„Ich glaube ein Sturm zieht auf!", versuchte ich meine Nervosität und Verlegenheit sowie auch urplötzlich wieder auftauchende Unsicherheit wie sie immer nur bei Gastón gekommen war, weil ich unbedingt seinen Erwartungen entsprechen wollte, zu überspielen und unter Kontrolle zu bringen.

Er entgegnete nichts Weiteres darauf und ein paar Minuten liefen wir einfach schweigend und händchenhaltend nebeneinander her, bis Gastón abrupt mit mir unter einem Kirschblütenbaum - und somit auch in einen kleinen windgeschützten Ort - hielt und die Hand in die Höhe streckte.

Noch während ich ihn neugierig dabei beobachtete, kam seine Hand schon wieder auf meinem Scheitel zum erliegen und zwei seiner Finger schoben mir sanft und noch zärtlicher als zuvor eine Kirschblüte zwischen Ohr und Wange. Darauf kicherte ich nur unwillkürlich wie ein dämliches Kleinkind und konnte mir gar nicht vorstellen, wie breit mein Lächeln noch werden sollte. Mein Gesicht müsste wahrscheinlich bereits eine hässliche Grimasse zur Schau stellen.

Wenn sie wirklich so schrecklich war, ließ Gastón es sich allerdings nicht anmerken. Ganz im Gegenteil: Da erneut eine Haarsträhne den Weg durch mein Gesicht gefunden hatte, strich er mir sie zart zurück zur Blume hinters Ohr und richtete dann diese sogar nochmal, damit sie auch ja perfekt saß. Schlussendlich verharrte seine Hand an meinem Ohrläppchen, worüber er sanft strich. Seine Stirn legte sich in süße Falten und seine noch niedlicheren Nachdenk-Grübchen machten sich in seinen Wangen bemerkbar.

The Blue Bracelet - Our History • {Gastina} - [✔︎]Where stories live. Discover now