Callum Teil4

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Colin oder besser Callum, wie er eigentlich hieß, war alles andere als cool bei der ganzen Sache. Aber er würde den Teufel tun und nichts zugeben. Wenn man eines auf der Straße lernt, zu schnell lernt, lernen muss, dann ist es niemandem zu trauen und niemandem die Wahrheit zu sagen. Deswegen der bescheuerte Name. Colin! Er hatte schon überzeugender gelogen. „Ist der immer so?", fragte er den Hund, nicht sicher, was er eigentlich meinte. Aber die Frage selbst beschäftigte ihn schon. Kam nicht gerade oft vor, dass er in der Wohnung von jemandem landete. Die meisten Freier waren eher Typen, die es im Auto oder auf der Straße, hinter irgendeiner Ecke wollten. Und der hier war nicht mal einer. Auch gut. Oder besser: egal. Er war an einem trockenen Plätzchen, sauber, satt und dafür musste er ausnahmsweise nichts tun. Dumm nur, dass er das alles spätestens morgen früh bitter bereuen würde. Spätestens dann bräuchte er dringend einen Schuss und das Geld dafür würde er kaum auf der Couch von diesem Jem verdienen. Scheiß drauf. Das war morgen früh. Vielleicht hatte der Typ ja irgendwas in der Wohnung liegen, das man zu Geld machen könnte? Callum sah sich um. Nicht wirklich, es sei denn der Fernseher vielleicht. Am besten würde er seine Jackentaschen durchsuchen, wenn er schlief. Bestimmt war da irgendwo ein Portmonee. Irgendwie wäre der Typ selbst schuld. Kann man sich doch wirklich denken, wenn man einen Junkie mit nachhause nimmt. Das mit dem niederschlagen, war allerdings krass. Er hatte noch nie irgendwen geschlagen. Er würd's tun, aus Notwehr, aber ansonsten war schlagen echt das Letzte! Das Vorletzte wäre, 'nen Typen auszurauben, der wirklich nett zu einem ist und das, obwohl er nichts von einem will. Hellfire! Warum wollte der nicht? Ausnahmsweise wäre es gar nicht so übel geworden. Callum überlegte, wann es das letzte Mal war, dass er 'nen Typen attraktiv fand. Er kam nicht drauf. „Warum ist dein Herrchen so ein Mönch, hä?" Er sah ganz eindeutig nicht aus wie einer. Nicht, dass er sich da so genau auskannte, höchstens mit dem einen oder anderen Priester. Als erstes waren ihm seine Hände aufgefallen. Ausgerechnet, aber die waren feingliedrig und irgendwie sexy, wie die eines Pianisten oder Geigers. Bestimmt war er kein Typ, der viel mit den Händen arbeitete. Trotzdem waren sie kräftig, das hatte Callum schon zu spüren bekommen. Und wenn Jem ihn gelassen hätte, dann hätte er seine eigenen Hände in dessen blonden Haarschopf geschoben. Und auch sonst überall hin. Verdammt. Was der Typ in der Hose hatte, schien auch nicht ohne. Vielleicht wäre es gar nicht so verkehrt, sich zusammenzureißen und ihm den braven Jungen vorzuspielen. Vielleicht ergäbe sich dann noch eine Chance. Oder noch mehr Nächte im Trockenen. Mitten in diesen Gedanken öffnete sich die Tür zum Bad und Jem kam heraus.

„Dein Zeug ist jetzt im Trockner", sagte er, „alles gut bei euch?"

„Ich hab den Hund nicht belästigt, falls du das meinst." Okay, so viel zu dem Versuch, den braven Jungen zu geben. „Uns geht's gut", setzte Callum hinzu und versuchte „lieb" zu lächeln und nicht dorthin zu starren, wo vorhin noch Jems Kronjuwelen nicht zu übersehen waren. Er kraulte Buster ein wenig hinter den Ohren.

„Sag mal, willst du vielleicht irgendwen anrufen oder so?" Jem schaute in die Richtung des Telefons.

„Warum sollte ich das wollen?"

„Ich dachte nur, dass sich vielleicht jemand Sorgen um dich macht. Deine Familie?"

Callum verdrehte genervt die Augen. „Wenn ich so eine Familie hätte, wäre ich wohl nicht auf der Straße, oder?"

„Oh. Sorry."

„Hör mal, Jem, mir geht's hier gut und ich fänd's gut, wenn du dich entspannen könntest, okay?" Das klang jetzt aber schon richtig brav, oder?

„Wie alt bist du? Letzte Frage, ich schwör's!"

Callum seufzte genervt. „Alt genug." Warum fragte der Typ jetzt ausgerechnet das? War ihm etwa doch noch nach dem, was sie vorhin angefangen hatten? Callum warf ihm jetzt einen nicht braven Blick zu.

„Wird das auch 'ne richtige Antwort?"

„Zwanzig, ich bin zwanzig." Fuck. Das stimmte sogar. 

Verführt, verirrtWhere stories live. Discover now