21 - Entscheidungen eines Vaters

1.5K 69 7
                                    

Der Frühling in all seiner Pracht hatte endlich wieder Einzug gehalten in die endlosen Grasebenen der Plains. Unzählige bunte Blumen standen in einem farbenprächtigen Wettstreit. Jede unter ihnen wollte die Schönste unter ihnen sein. Etliche Bienen summten in freudiger Erregung von einer Blüte zur anderen und tranken sich am süßen Nektar satt, der dort schon dickflüssig und köstlich auf sie wartete.

Auch wenn ich in jedem einzelnen Moment des langen Winters darum gebetet hatte, dass endlich der Frühling kommen würde, war ich nun, da er hier war, doch nicht so ganz glücklich darüber. Zwar hatte ich es wirklich geschafft, und in den kalten Monaten, in denen der Schnee uns beinahe unter sich begraben hatte, mein eigenes Thípi fertig genäht, dennoch fürchtete ich mich nun vor der Entscheidung meines Vaters. Matȟó Wikčémna hatte schließlich gemeint, dass er nach unserer Rückkehr in die Prärie verkünden würde, welchen meiner Bewerber ich zu heiraten hatte.

So, wie die Bienen um die besten Blüten wetteiferten, versuchten sich auch meine Verehrer gegenseitig zu übertrumpfen, seit wir unser Lager wieder in der Nähe des kleinen Weidenwäldchens aufgeschlagen hatten. Naja, zumindest zwei von ihnen. Der Dritte hielt sich vornehm im Hintergrund, und behielt alles im Augen. Genauso, wie er es immer zu tun pflegte.

In meinem Herzen gab es nur Platz für ihn, und ich wusste, dass ich keinen Anderen an meiner Seite dulden würde. Dennoch war es mein Vater, der meinen zukünftigen Ehemann wählen würde, nicht ich. 

Obwohl es dann doch nicht ganz so schlimm war, wie es sich jetzt vielleicht anhört. Schließlich war ich die Tochter des Häuptlings. Auch wenn es offiziell immer noch er war, der meinen hiŋgnáku wählen würde. Inoffiziell durfte ich ihm sagen, wen ich mir an meiner Seite wünschte. 

Für mich gab es mittlerweile keine Zweifel mehr, dass ich die Frau von Ozuye Tȟáŋka werden wollte. Auch meine Mutter hatte schon gemeint, dass Matȟó Wikčémna sich über meine Entscheidung sehr freuen würde. Schließlich war er ein großer Krieger und von allen im Stamm hoch angesehen.

Nichtsdestotrotz gab es hier Spielregeln, deren Einhaltung vor allem anderen Stand. Kultur und Tradition wurde bei den Lakota groß geschrieben. Nach ihnen richtete sich ihr ganzes Leben.

So war es Brauch, dass mein Vater dieser Verbindung zuallererst zuzustimmen hatte, und dann musste Ozuye Tȟáŋka mich meiner Familie abkaufen. So zumindest hatte ich es verstanden, als Kimimila Sápa versucht hatte mir das kommende Prozedere zu erklären.

Allerdings war abkaufen hier vielleicht doch das falsche Wort. Es ging hier nicht darum, dass ich das Eigentum von Matȟó Wikčémna und seiner Frau war, und dann zu Ozuye Tȟáŋkas werden würde. Vielmehr ging es darum, dass meine Familie mich am Tage meiner Hochzeit als Arbeitskraft verlieren würde, und dieser Verlust ersetzt werden musste. 

Wie hoch genau mein Preis sein würde, wusste ich nicht. Und um ehrlich zu sein, hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie man ihn überhaupt festsetzen konnte.

Ich versuchte es mir so zu erklären, dass es in diesem Fall eine Art von verkehrter Mitgift war. Je höher der Stand der Frau, desto höher musste auch der Wert der Geschenke sein, die ihren Eltern übergeben wurden.

Lootah und Napayshni waren immer noch der Überzeugung genau so eine Chance auf eine Ehe mit mir zu haben, wie Ozuye Tȟáŋka. Keiner in diesem Stamm ahnte etwas von den Gefühlen, die ich dem großen Krieger der Lakota entgegen brachte, genauso wie er mir.

Das war auch gut so. Nicht auszudenken was passieren würde, wenn jemand es erfahren würde, der es nicht wissen durfte. Mein Ruf wäre zerstört, und ich hätte mein Recht verwirkt einen guten Mann heiraten zu können. Im Klartext hieß dass, wenn jemand Wind davon bekam, was zwischen mir und Ozuye Tȟáŋka lief, konnten wir nicht mehr heiraten.

Wie eine Feder im Wind - Die weiße LakotaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt