Plötzliches Wiedersehen

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Ihre Entscheidung hatte L. noch mitten in der Nacht getroffen. Sie hatte ohnehin kein Auge zu tun können, auch nicht in dem Gästebett, welches sie vorgezogen hatte, da sie auf keinen Fall in Teeothys Bett schlafen wollte. Emilia hatte ihr mitgeteilt, dass Teeothy nichts von ihrer Anwesenheit wusste, doch L. war dennoch beunruhigt.  Wie hätte sie einer Frau, die noch dazu die Mutter Teeothys war ihren letzten Wunsch abschlagen können. Andererseits hörte sie Teeothys Worte in ihren Ohren hallen: „Meine Mutter ist ein Bereich, den ich ungern mit dir in Verbindung bringen würde."

Spöttisch hatte sie geschnaubt und die kleine Stimme in ihr hatte gemeint: „Als würde Teeothy es überhaupt noch jucken, was du machst...wenn dann wäre sie nur sauer, dass du nicht aus ihrem Leben verschwindest...denn das hier..Emilia, ihre Mutter ist ihr Leben, davon solltest du dich besser fernhalten." Wirre Träume hatten sie die Nacht über begleitet und nicht besonders erholt erwachte sie am nächsten Morgen. Gemeinsam saß sie mit Emilia beim Frühstück bekam aber kaum etwas herunter und klammerte ihre kalten Hände um ihre Teetasse.

Ein plötzliches Klingeln durchdrang das große Haus. L. spürte wie sich sämtliche Muskeln in ihr anspannten und sich eine Gänsehaut auf ihre Haut legte. Sie sah zu Emilia, hoffte verzweifelt, diese habe eine Erklärung, doch sie wirkte genauso überrascht. „Weiß sie, dass ich hier bin?", flüsterte L. und konnte sich nicht erklären, warum sie solche Panik hatte. „Teeothy?", fragte Emilia verwirrt und schüttelte den Kopf: „Aber auch wenn, brauchst du doch keine Angst haben." Sämtliche Farbe war aus Ls. Gesicht gewichen, als Emilia zur Wohnungstür lief.

Du wirst nie wieder auch nur in meine Nähe kommen. Wenn doch sorge ich eigenhändig dafür, dass du danach nicht mehr aufstehen kannst. L. sprang von ihrem Stuhl auf und lief ohne Nachzudenken ins Wohnzimmer, blieb zitternd hinter dem großen Eichentisch stehen und wartete auf das, was passieren würde. „Wo sie ist, wollte ich wissen?",fauchte Teeothy wütend. L. konnte es nicht glauben, dass es wirklich Teeothy war, doch ihre Stimme war unverkennbar. „Was willst du hier Teeothy?", hörte L. Emilias Stimme, die zu ihrer Überraschung vollkommen ruhig war. Schritte, die in die Küche wanderten. „Sag bloß, sie versteckt sich auch noch. Was für ein Feigling!"sagte Teeothy kalt und genau in diesem Moment trat sie in die offene Tür des Wohnzimmers.

L. fühlte mit einem Mal nichts mehr und alles zugleich. Kälte und Hitze durchflossen abwechselnd ihren Körper, ihr Herz stand für einen Moment still und nur mit Mühe bekam sie Luft. Die dunkeln, jetzt beinahe schwarzen Augen, die sie nächtelang in sämtlichen Träumen verfolgt hatten, durchbohrten sie und es war beinahe der selbe hasserfüllte, wutentbrannte Blick, der L. bereits vor Wochen in dem Club begegnet war.

Emilia war neben Teeothy getreten und versuchte sie beruhigend an der Schulter zu greifen, doch Teeothy schüttelte die schmale Hand ihrer Tante ab und war mit 3 schnellen Schritten an der anderen Seite des Tisches angelangt: „Du traust dich also wirklich hier her zu kommen." Ihre Stimme, war kaum hörbar, lauernd, ein ungläubiger Ton darin. Eiseskälte erfasste L. „Ich habe nicht deine Nähe gesucht, das hier hat nichts mit dir zu tun!", brachte L. stockend hervor und jedes ihrer Worte war falsch, das war ihr vollkommen bewusst. Eine Sekunde Totenstille, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Teeothy lachte auf: „Nichts mit mir?", stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Teeothy es reicht!", schaltete sich Emilia ein: „L. ist auf meinen Wunsch hergekommen, es war nicht ihre eigene Entscheidung und vor allem ist deine Wut unbegründet, wenn du dir doch anhören würdest..." Ein Knurren entrang Teeothys Kehle und sie fuhr zu ihrer Tante herum: „Ich habe dir gesagt, wir sind nicht mehr zusammen und da denkst du, ach das arme Kind, wusste nur nicht was es tut, ist doch ohne sie völlig lebensunfähig, holen wir sie her und regeln das. Hm, Emilia wirklich ich liebe dich, aber das du das getan hast, ist das Dümmste, was du jemals..." „Teeothy hör auf dich zu verschließen, lass verdammt noch mal mit dir reden!", unterbrach Emilia sie, diesmal ebenso aufgebracht. „Oh nein! Geredet habe ich genug,...mit dieser einschmeichelnden, heuchlerischen Frau. Ja, was war ich dumm, ich hatte ihr vertraut!", schrie Teeothy. 

„Du wirst sie zu deiner Mutter fahren lassen!" Teeothy entglitten sämtliche Gesichtszüge. Sie war sprachlos und ihre nächsten Worte blieben ihr im Hals stecken.„Oh ja! Stell dir vor! Es geht nämlich mal nicht um dich. Ich habe dich Jahre lang versucht vor allem zu beschützen und dich nie zurecht gewiesen oder angeschrien, aber jetzt geht es zuweit! Du weißt genauso gut, wie ich, dass du ihr gerade unrecht tust und würdest du einmal nachdenken, dann hättest du ihr schon längst die Chance gegeben das Ganze zu erklären. Aber nein, Teeothy Chiara Addario muss mal wieder ihren eigenen Kopf durchsetzen und der Frau, die sie mehr liebt als alles andere auf der Welt- oh ja mein Schatz, das waren deine Worte- drohen, weil diese sich gewagt hat, meiner Bitte nachzukommen. Deine Mutter liegt im Sterben und auch wenn du verwehrt hast, erneut zu ihr zu gehen, wird L. es tun, weil Michaela darum gebeten hat in ihrem letzten Wunsch, den sie mir mitteilte." Aufbrausend und Teeothy aus der Bahn werfend, stand Emilia mitten im Raum und L. war erstaunt, wie ein Mensch soviel Ausdruck haben konnte. Ehrfürchtig betrachtete sie die Frau und jedes ihrer Worte brannte sich in ihren Körper, sie konnte beinahe spüren wie Teeothy von jedem einzelnen Wort durchdrungen wurde und es ihr tief in ihrem Inneren ungeheuer weh tat.

Am liebsten wäre L. um den Tisch geeilt und hätte Teeothy in eine beschützende Umarmung gezogen. Doch wie erstarrt betrachtete sie den Engel, der mit einem Mal vollkommen verstummt war und dann ohne ein weiteres Wort an Emilia vorbei lief, ohne dass diese sie aufhalten konnte und auch auf deren Ruf hin nicht reagierte. Mit lautem Knall fiel die Tür ins Schloss. L. stürmte ans Fenster, während Emilia ihrer Nichte hinterhereilte...hoffnungslos. Teeothy war gerannt und schneller weg, als dass irgendjemand sie hätte stoppen können.

„Fuck!", fluchte Emilia und L. sah sie geschockt an. „Tut mir leid...ich glaube ich habe einen Fehler gemacht.", wisperte sie : „ich kann sie momentan nicht einschätzen. Vielleicht sollte ich die Polizei verständigen..."

L. versuchte sich nicht auszumalen, was Teeothy tat, wenn sie sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Oft genug hatte Teeothy ihr damals, als sie noch zusammen gewesen waren von ihren Ängsten erzählt, was passiert wäre, wenn sie die Kontrolle verliere, denn dann war sie sich absolut nicht sicher, ob sie nicht zu allem im Stande gewesen wäre. „Manchmal glaube ich, dass ich dann aufhören würde zu denken und ich vergessen würde, was mir lieb und teuer wäre...ich würde mich verlieren, würde mich verletzen, alle anderen mit und würde absolut nicht mehr realisieren, was ich gerade täte, eine Klippe herunterstürzen, vor das nächste Auto, frag mich nicht....es wäre ja dann egal....Oh L. pass gut auf, dass ich nie vergesse, dass ich dich habe, denn dann weiß ich, kann ich mich unter Kontrolle halten. Dann wird mir das nie passieren..." L. rang nach Luft. Diese Bürde zu tragen..diese Verantwortung, die Teeothy ihr niemals übergeben wollte, sie sich aber selbst zuschrieb, trotz sämtlicher Einwürfe, dass L. sich niemals für sie verantwortlich fühlen dürfe, lastete viel zu schwer auf L. Atme L. atme, schalt sie sich. Als sie die Augen wieder aufschlug sah sie, dass Emilia in der Tür mit dem Telefon stand und eine Nummer wählte.

„Ja guten Tag. Mein Name ist Emilia Addario, es geht um eine Vermisstenanzeige, ich würde gern nach meiner Nichte suchen lassen, die möglicherweise Gefahr läuft...." ihre Stimme verklang als sie in den Nebenraum ging und L. ließ sich erschöpft auf einen Stuhl sinken. Emilia kehrte zurück und meinte: „Sie suchen nach ihr. Es ist soweit...wenn du immer noch zu Michaela möchtest, dann ist es Zeit aufzubrechen."

„Ja, ich habe mich entschieden.", sagte L. entschlossen. Bevor sie allerdings aufbrach, griff sie entschlossen nach ihrem Handy. Ihre Hoffnung war gering, dass sie eine Antwort erhalten würde, doch ohne nachzudenken, öffnete sie den Chat mit Teeothy: „Wo bist du?"

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Das Geheimnis der Farbe SchwarzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt