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Was tue ich eigentlich hier? Ich sitze mit dem Kerl, den ich gestern Abend geküsst hatte auf einer Parkbank und trank Bier, und das ohne wirklichen Abstand zueinander. Vor ein paar Wochen wäre ich sofort auf die Seite gerutscht! Und wieso jetzt nicht? Gute Frage... nächste Frage.

''Ist irgendwas?'', fragte Fynn dann plötzlich. Ja? Ich sitze hier mit dir, habe dich vor noch nicht mal 24 Stunden geküsst und du tust, als wäre nichts? Ist dir das nicht irgendwie unangenehm, wenn du näher darüber nachdenkst? Würdest du nicht in Betracht ziehen, dass ich etwas für dich fühlen könnte? Nein?

''Nein, was sollte sein?'', antwortete ich äußerlich gelassen und nippte an meiner fast nicht angerührten Flasche. Fynn zog nur die Augenbrauen hoch und seufzte leise, als er sich wieder abwandte. Soll das jetzt so weiter gehen? ''Tun wir so, als wäre nichts passiert?'' Natürlich hab ich mich entschuldigt, aber glaubst du denn, das war ernst gemeint? Vielleicht anfangs, aber doch nur, weil ich so überrascht war!

Ich hörte kurzes Klimpern und wurde davon aus den Gedanken gerissen. Es dauerte etwas länger, bis ich realisiert hatte, dass Fynn seine Flasche auf den Boden gestellt und sich zu mir gedreht hatte. ''Du kannst mir nicht weiß machen, dass nichts ist. Also?'' Ist das nicht offensichtlich? Kann es sein, dass du dumm bist? ''Ich sagte doch schon, dass nichts ist'', entgegnete ich etwas aufgebrachter, als ich eigentlich wollte. ''Ist es wegen gestern?'', fragte er unbeirrt weiter. Nein, Noah, mein Chamäleon, ist vor zwei Stunden gestorben. Das ist mir aber so peinlich, dass ich es dir nicht erzählen will. ''Natürlich ist es das!'', während ich das sagte hob ich die Arme. ''Was dachtest du denn?!'' Ich war kurz davor, ihm alles, was ich vorhin gedacht hatte, ins Gesicht zu schreien, weil ich so verzweifelt war. Stattdessen sah ich Fynn dabei zu, wie er sich frustriert durch seine - extrem weichen - Haare fuhr. Ist das ernsthaft deine einzige Reaktion?, wollte ich entgeistert fragen, als er zum Reden ansetzte. ''Hör zu..-'' Ihn unterbrechend hob ich eine Hand. ''Wenn das jetzt eine Ansage wie: ''Das hätte nicht passieren sollen'' oder ''vergessen wir das einfach wieder'' ist, will ich's gar nicht erst hören, verstanden? Dann kannst du jetzt nämlich direkt gehen.'' Grinsend sah er mich an. ''Was grinst du denn jetzt so?!'', fragte ich gereitzt. ''Vielleicht hättest du mich ausreden lassen sollen, Lou'', meinte er und legte einen Arm auf die Lehne. ''Aber dein eben Gesagtes hat mir jetzt nur bestätigt, dass ich es ruhig sagen kann.'' Es ruhig sagen? Was zum Teufel meinte er dami-

''Und ich will, dass du dich jetzt darauf konzentrierst, okay?'', er sah mir ernst in die Augen und lehnte sich etwas zu mir. ''Als du mich geküsst hast, hast du extrem nach Alkohol geschmeckt.'' ...und das war's, oder wie?, dachte ich verwirrt. Aber er fuhr fort. ''Und.. kurz wollte ich doch nachgeben.. aber du warst betrunken und dann.. ja, ich hab abgewehrt.'' Während er das sagte sah er mir ständig in die Augen. Weriterhin redete er über den Kuss, aber ich hörte nicht ganz hin und ließ meinen Blick durch den Park wandern, ohne wirklich etwas zu sehen.

Kurz wollte ich nachgeben. Dieser Satz brannte sich bei mir ein. Wieso wollte er nacheben? Weil ich betrunken war? Weil er dachte, dass es nicht schlimm wäre, wenn er erwidern würde, wenn ich betrunken bin? Oder wollte er es einfach kurzzeitig? Wieso kurzzeitig? Wieso nicht immer? Was dachte ich schon wieder? Diese ganzen Wiesos wiederholten sich die ganze Zeit in meinem Kopf, ich nahm nichts mehr wirklich wahr und war extrem weggetreten.

Jedenfalls bis auf einmal eine Hand vor meinem Gesicht auftauche und ich erschrocken zusammenzuckte. ''Du hast mir gerade mit Sicherheit nicht zugehört, hm?'', gab Fynn belustigt von sich. ''Ähm... nein?'', beschämt zog ich die Schultern hoch. ''Manchmal bist du komisch..'', sagte er daraufhin. ''Das ist mir doch egal!'', empört richtete ich mich auf und sah ihn leicht böse an. ''Und was beschäftigt dich jetzt so? Ich wollte doch, dass du mir ganz genau zuhörst'', während er sprach lehnte er sich ernst weiter nach vorne und mein Blick huschte über sein Gesicht. Heilige Scheiße, wieso musste er mir jetzt so nahe kommen? War das ein Test? Hatten sich seine Freunde hier versteckt und würden, nachdem er fertig war, aus dem Gebüsch kommen und mich auslachen?

''Könntest du mir jetzt zuhören?'', fragte mein Gegenüber schon leicht gereizt. Wie denn?! ''Dann fang an'', gab ich genauso gereizt zurück. ''Hatte ich schon'', schnaubte Fynn. Oh.. ja gut.

Er fing wieder an, zu reden, und diesmal konnte ich mich wirklich auf sein Gerede konzentrieren. Die ganze Zeit sah er mir dabei in die Augen, weswegen ich bestimmt schon extrem rot geworden war.

Als du mich geküsst hast, habe ich einen Typen aus unserer Stufe gesehen, der sofort sein Handy gezückt hat.

Evelyn ist deswegen so verletzt und abweisend gewesen, weil sie schon seit einer Weile auf dich steht, und nicht weil sie homophob ist, Lou.

Ich hasse dich nicht, Lou, wie kommst du darauf.

Wenn ich nichts mehr mit dir zu tun haben wollen würde, säße ich nicht hier und würde dir das alles erklären.

Nein, Lou, ich verarsche dich nicht. So etwas würde ich nie machen.

''Ich wusste nie, wie ich dir das alles sagen soll, weil du nie in irgendeiner Weise Interesse gezeigt hast. Und Eve hat mit mir darüber geredet, wie sie dir sagen könnte, dass sie auf dich steht-'', redete Fynn weiter. ''Warte, warte. Hast du gerade gesagt, dass du auf mich stehst?'', fragte ich ihn und sah ihn überrascht und mit großen Augen an. ''Habe ich das?'', entgegnete er neckisch. Ich verdrehte die Augen. ''Eigentlich wollte ich das nicht sagen'', setzte er drauf, ''ich wollte nämlich etwas anderes sagen.''

Diesmal lehnte er sich endgültig zu mir, genauer gesagt zu meinem linken Ohr. ''Weißt du, was ich dir sagen wollte?'', flüsterte er. ''Nein..'', antwortete ich mit kratziger Stimme. Ich hatte ein komisches, aber trotzdem angenehmes Gefühl im Bauch, das sich langsam in meinem gesamten Körper ausbreitete.

''Ich liebe dich''

Und urplötzlich spürte ich seine warmen Lippen an meinen.

End.
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Strange BoyWhere stories live. Discover now