treinta y uno: Ein verzweifelter Hundewelpe

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G R E T A

„Und?", grinste ich und sah von den Physikhausaufgaben - welch eine Ironie - auf, als Nia das Zimmer mit geröteten Wangen und einem fröhlichen Funkeln in den Augen betrat. Physik brauchte doch eh kein Mensch!
„Moment mal", fuhr ich jedoch fort und ließ sie gar nicht zu Wort kommen. „Hast du noch deine Schuluniform an?!"
Ihr Grinsen verschwand und sie schnaubte.
„Ja, dank deinem tollen Bruder und seinem besten Freund. Die haben mich aufgehalten!"
Dann wurde sie allerdings wieder fröhlich.
„Greta, ich kann es gar nicht glauben! Wir haben uns geküsst! Louis und ich haben uns geküsst!", sie hüpfte aufgeregt auf und ab, ließ sich irgendwann mit einem Seufzen auf ihr Bett fallen, vergrub den Kopf in ihrem Kissen und sah mich dann wieder an. „Weißt du, er hat mich einfach zu sich ins Zimmer gezogen und mich geküsst! Aber er war nicht aufdringlich oder so, er hat mich gefragt, ob ich gehen möchte, aber ich wollte nicht und wir haben uns-"
„-geküsst?", beendete ich ihren Satz mit hochgezogener Augenbraue. „Das erwähntest du glaube ich schon."
„Ja", meinte sie und in ihre Augen trat ein verträumter Ausdruck. „Er war so nett und zärtlich und er sieht so gut in Jogginghose aus und sein Bart ist so weich ..."
Ich hob abwehrend die Hände.
„Mehr Details als ich wissen wollte", gab ich ihr zu verstehen. Sie kicherte übertrieben und umarmte ihr Kissen.
Entweder sie war high oder wirklich verliebt.
Nach einigen Sekunden wurden ihre Augen groß und sie sah mich an.
„Warte ... wo warst du eigentlich die ganze Zeit? Du warst nicht im Zimmer, als ich reingekommen bin."
Ich zuckte mit den Achseln.
„Ich war ja auch hinter dir und habe die Spur der Verwüstung, die du durch deinen Sprint zum Zimmer hinterlassen hast, aufgeräumt."
„Was habe ich denn gemacht?", fragte sie mich erstaunt.
„Zum Beispiel Mr Styles umgerannt, sodass es im Flur Arbeitsblätter geregnet hat, die vorher in seiner Hand gewesen waren", begann ich. An ihrem Blick erkannte ich, dass sie es tatsächlich nicht bemerkt hatte. „Und da ich Mr Styles mittlerweile bestimmt eine riesige Torte mit Zuckerguss und allem Firlefanz schulde und ich genauso schlecht backen wie kochen kann, konnte ich ihn die Blätter nicht alleine aufsammeln lassen und habe ihm geholfen."
Ich erinnerte mich daran zurück, dass er ziemlich verzweifelt ausgesehen hatte und ich hatte es einfach nicht über mich bringen können, ihn nach allem, was er schon für mich getan hatte, im Stich zu lassen. Deshalb hatte ich ihm dabei geholfen, seine Arbeitsblätter aufzusammeln.
Zudem hatte ich ihm bei der Gelegenheit auch erzählt, dass ich dank seiner Hilfe ein A in Mathe bekommen hatte und habe mich bei ihm bedankt - diesen Punkt verschwieg ich Nia jedoch. Jetzt, da sie privaten Kontakt zu unserem Mathelehrer hatte, wollte ich es nicht riskieren, das Thema noch einmal aufzugreifen. Wer wusste schon, was sie ihm sonst erzählen würde.
„Aha, Mr Styles also", meinte Nia mit wackelnden Augenbrauen und grinste frech. „Und wann hast du ein Date?"
„Mr Styles ist so ein Hundewelpe", hielt ich entgegen. „Er ist putzig und man kann nicht 'Nein' sagen, wenn er was will, aber ich date doch keinen Welpen!"
„Man kann nicht 'Nein' sagen, wenn er was will", wiederholte Nia mich mit einem noch breiteren Grinsen. „Was wollte er denn?"
Ich stöhnte entgeistert.
„Ich sollte ihm in der Biosammlung helfen", erklärte ich.
Helfen", betonte meine Freundin und ich verdrehte die Augen.
„Nicht so wie du denkst, du kleines perverses Schweinchen!"
Sie quittierte meine Aussage mit einen 'Hey!'.
„Nein", berichtete ich weiter, „ich sollte ihm lediglich helfen, für die Kleinen ein paar Mikroskope vorzubereiten. Zum Mikroskopieren. Das war übrigens sehr schwierig, denn unter den Präparaten war auch eine lebendige Spinne!"
Ich schauderte bei dem Gedanken an das daumengroße Vieh.
„Und weiter?", wollte die Grauäugige wissen.
„Dann ... habe ich ihm halt geholfen und er hat sich sehr darüber amüsiert, dass ich das Gefäß mit der Spinne nicht anfassen wollte. Ich hoffe einfach mal, dass Stacy morgen unter den 'Kleinen' ist und die Spinne - wenn sie bis dahin noch lebt - irgendwie ausbüxt. Es wäre doch zu schön, wenn auf ihrer Hand plötzlich so ein nettes Krabbeltier wäre."
„Du lenkst ab!", lachte meine beste Freundin mit erhobenem Zeigefinger.
„Es gibt nichts, wovon ich ablenken könnte!", jammerte ich, da sie es einfach nicht verstehen wollte. „Nachdem wir die Mikroskope vorbereitet hatten, hat er sich bei mir bedankt. Und falls du da schon wieder was reininterpretieren willst: Er hat ganz einfach 'Danke, Greta' gesagt. Das war's. Dann hat er mir erzählt, dass wir demnächst irgendwann eine Deutscharbeit schreiben werden, dass er sich aber bei mir keine allzu großen Gedanken macht, weil ich gut in Deutsch bin. Und dann hat er angefangen, über den Besuch im Altenheim und die Theater-AG zu reden. Und dass er sich freut, dass ich auch in der Koch-AG bin. Und dann ist er gegangen. Detailliert genug?"
Enttäuscht nickte meine beste Freundin.
„Mr Styles steht doch garantiert auf dich!", vermutete sie dann aufgeregt. „Wenn er so lange mit dir gequatscht hat ...!"
Sie ließ das Ende unausgesprochen, aber ich schüttelte lachend den Kopf.
„Gott, Nia, Mr Tomlinson und du reichen doch an Schüler-Lehrer-Beziehungen."
Sie kicherte erneut.
„Louis", murmelte sie dann und ich seufzte entgeistert.
„Wenn du ihn jemals im Unterricht so ansprichst, ist eh alles umsonst. Also gewöhn' es dir gar nicht erst an!"
Sie drehte den Kopf zu mir.
„Aber wenn ich ihn privat versehentlich mit 'Mr Tomlinson' anrede, klingt es, als hätte ich irgendeinen komischen Fetisch", widersprach sie mir und ich musste ihr Recht geben.
Das alles würde noch ganz schön kompliziert werden!

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Where stories live. Discover now