setenta y tres: Das Leben, meine Freunde, das Leben ...

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G R E T A

Nachdem wir im Hotel angekommen waren, hatten Louis und Harry eine Versammlung einberufen. Wir sollten uns alle in dem uns zugewiesenen Gemeinschaftsraum treffen - natürlich waren Nia und ich ein wenig spät dran. Unter normalen Umständen hätte mich das kaum gestört, aber das hier war eine Klassenfahrt, noch dazu unsere Abschlussfahrt, und scheinbar gab es davon an der Schule zu wenige, weshalb sogar Mr Malik und seine Tochter mitgekommen waren.
„Fuck", murmelte ich leise, als mir diese Tatsache nur allzu gut bewusst wurde. „Wir sind aufgeschmissen. Was sage ich da? Wir sind tot!"
Dabei packte ich Nia an den Schultern und schüttelte sie.
„Wir sind in Spanien!", rief sie hingegen gut gelaunt und riss die Hände in die Höhe.
„Ja", brummte ich, „Holla oder so. Aber das bringt uns jetzt auch nichts."
„Hola", korrigierte meine beste Freundin mich sofort. „Und du sprichst das 'H' nicht!"
Hola die Waldfee", kombinierte ich, „wird also eigentlich ohne 'H' gesprochen und heißt so viel wie 'Hallo, die Waldfee'?"
„Ja", bestätigte Nia wichtigtuerisch und ich sah sie etwas entgeistert an.
„Das hat gerade mein gesamtes Weltbild gesprengt."
Sie warf mir einen mitfühlenden Blick zu, doch ich war ruckartig stehen geblieben und starrte auf eine offene Tür, die den Eingang zum Essensbereich bildete. Dort sah ich nämlich keinen geringeren als Mr Malik, der sich Spaghetti gönnte. Direkt neben ihm saß seine Tochter.
„Sie sind nicht bei der Versammlung!", rief ich Nia triumphierend zu, woraufhin Mr Malik mitten in der Bewegung stoppte. Panisch zog ich meine Freundin hinter mir her und aus der Sichtweite unseres Schulleiters. Nicht, dass er noch erfuhr, dass wir zu spät zu einem Gruppentreffen gekommen waren!
„Ich weiß nicht, Greta", sagte Nia währenddessen, „ich bin irgendwie ... voll gut drauf."
„Das merke ich", gab ich mit deutlich weniger Enthusiasmus in der Stimme zurück und klopfte dabei an die Tür, hinter der ich unseren Gemeinschaftsraum vermutete.
„Das Leben, meine Freunde, das Leben ...", philosophierte die Grauhaarige ganz plötzlich ungerührt drauf los. Sie schlang ihre Arme um mich, hängte sich mit ihrem vollen Gewicht an mich und zog mich damit zur Seite.
„Und weiter?", fragte ich japsend, da sie mir, weil sie sich an meinen Hals gehängt hatte, fast die Luft abschnürte. Die Tür wurde geöffnet, Harry stand dahinter. Er musste sich anstrengen, um seine wütende Miene aufrecht zu erhalten, denn wir sahen wahrscheinlich einfach nur bescheuert aus, wie wir hier standen. Hätte man es nicht besser gewusst, so hätte man durchaus meinen können, wir wären siamesische Zwillinge.
„Warum seid ihr so spät dran?"
Gut ... was sollten wir darauf antworten. Die Wahrheit? Ich bezweifelte, dass 'Nia wollte ihre Sachen unbedingt in den Schrank einräumen und hat dabei das oberste Fach als ihr BH-Fach ausgewählt, woraufhin einer der BHs so weit nach hinten gerutscht ist, dass sie 'ne halbe Ewigkeit gebraucht hat, um ihn da wieder rauszubekommen' eine angemessene Entschuldigung sein würde. Männer verstanden solche Probleme nicht.
„Es gab Komplikationen", drückte ich es daher etwas freundlicher aus und lächelte scheinheilig. Harry zog daraufhin lediglich skeptisch eine Augenbraue hoch.
„Jaaa", grinste Nia.
Der Blick meines Freundes wanderte langsam zu ihr weiter.
„Ist sie ... high?", fragte er mich dann leise und gleichzeitig mit einer gewissen Empörung in der Stimme.
„Nein, die hat einfach gute Laune", stellte ich klar, schob mich an ihm vorbei und zog dabei Nia mit mir.
„Ihr habt bestimmt eh noch nicht richtig mit dem Programm angefangen", meinte ich dann etwas lauter und schaffte es währenddessen endlich, mich aus Nias Umklammerung zu befreien.
„Genau genommen waren wir gerade dabei, die Regeln unserer Abschlussfahrt zu besprechen", sagte Louis. Harry und er hatten sich scheinbar einen Tisch vor alle Bänke, auf denen wir Schüler saßen, geschoben und thronten dort vor allen anderen. Gleich bekam man das Gefühl, in einem Klassenraum zu sitzen.
„Und das braucht Mr Malik nicht mitzuhören?", entgegnete ich.
Harry, der wieder neben seinem Kollegen und Kumpel Platz nahm, lachte leise auf.
„Er hat die Regeln gemacht, natürlich braucht er das nicht."
Dann verwies er uns mit einer Handbewegung zu unseren Plätzen.
„Wir hatten gerade besprochen, dass es vor allem wichtig ist, dass niemand aus der Gruppe zu spät kommt", meinte Louis und warf uns dabei einen bedeutsamen Blick zu.
„Das wird nicht meine Fahrt", grummelte ich genervt.
„Ach was!", lachte Nia neben mir sehr viel besser gelaunt, „Das wird super. Es gibt ja sogar das weise Sprichwort: Wer zuerst malt, malt zuerst."
Entgeistert starrte ich sie an.
„Na, da hast du aber ganz schön was verdreht!"
Verständnislos zuckte sie mit den Achseln.
„Außerdem ist der Konsum von Alkohol, Zigaretten und sonstigen Drogen strengstens untersagt", fuhr Louis fort, schon wieder bohrte sich sein Blick in uns.
„Ich bin nicht high!", protestierte Nia, „Ich habe gute Laune! Das Leben, meine Freunde, das Leben ..."
„Und ich möchte auch nicht, dass irgendjemand heimlich etwas mitschmuggelt. Weder als Souvenir für die Eltern, noch sonst irgendwie. Es gibt hier keinen Alkohol."
„Also meine Eltern würden sich bestimmt über ein Bierchen freuen", meldete ich mich zu Wort. Louis sah mich strafend an.
„Ich bekomme raus, ob ihr irgendwas getrunken habt", warnte er. „Ich durchsuch' jeden Winkel eurer Zimmer, ich pack' eure Koffer aus und ich habe eine ziemlich gute Nase bei solchen Sachen. Ich würde euch sogar küssen, um herauszufinden, ob ihr Alkohol im Blut habt."
„Hey", machte Nia leise.
„Da stimme ich vollkommen zu", pflichtete Harry ihm bei. „Wir tun alles, um herauszufinden, ob ihr Alkohol dabei habt."
Nia seufzte leise.
„Das Leben, meine Freunde, das Leben ..."
„Was ist denn mit dem Leben?!", hakte ich genervt nach.
„Keine Ahnung", entgegnete sie darauf. „Ich hab' vergessen, wie es weitergeht."

They Don't Know About Us || l.t. ; h.s. ✓Where stories live. Discover now