Kap 15 Julia Dortmund, 26 November 2017

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„Brauchst du irgendetwas?", fragte ich ihn, da ich duschen gehen wollte.

Ich hatte so viele Überstunden gemacht, das ich diese nun abbummeln konnte und an meiner Professur in der Notfallmedizin und der Notfallchirurgie weiterschreiben. Die Arbeit war ja fertig.

„Ja, nur dich."

Jetzt wurde ich mal wieder feuerrot.

„Komm her."

Ich tat ihm den Gefallen, da ich nicht wollte, das er es wagt und zu viel auf den Beinen ist. Er sollte sich schonen und das funktionierte bekanntlich nur, wenn ich zu ihm ging. Leise seufzend setzte ich mich neben ihn.

„Hier bin ich. Also was kann ich für dich tun?"

Wortlos zog er mich in seine Arme und hielt mich gut fest.

„Du ruhst dich jetzt mal endlich aus. Du machst dich noch kaputt. Heute wird sich ausgeruht und morgen setzt du dich neben mich und schreibst an deiner Arbeit weiter. Wie viel brauchst du noch? Bis wann muss sie fertig sein?"

„Ich habe die Professurarbeit am 13 November diesen Jahres abgegeben. Danach habe ich erst einmal Urlaub. Anschließend muss ich zur Uni. Ja, auch angehende Professoren müssen Vorlesungen besuchen. Wenn ich in der Uni bin, bist du bei Roman. Abends bringt er dich, weil du ja noch Medikamente bekommst, die Roman aber nicht geben darf."

Marco nickte und war zufrieden.

„Darf ich denn wenigstens mit ihm Fifa zocken?"

„Klar, solange du dich schonst und liegen bleibst."

Brav nickte er. Ich lehnte mein Kinn auf seine Brust.

„Weißt du was doof ist?", fragte Marco völlig ernst.

„Nein, was denn?", wollte ich nun natürlich wissen.

„Das ich dich nicht tragen kann."

Ich lächelte.

„Bald kannst du es wieder", tröstete ich ihn und er zog mich ganz eng an sich ran.

Nun lag ich schon zur Hälfte auf ihm drauf.

„Was wird das, wenn das fertig ist?", neckte ich ihn sanft.

„Das hier!"

Nun zog er mich zu sich hoch und küsste mich einfach so, als ich ihm nah genug war. Ich genoss es nur noch und schloss die Augen. Wir wurden leidenschaftlicher und lösten uns atemlos, da unsere Lungen nach Sauerstoff schrien.

Halloween war ereignislos vergangen. So ein Tag ist glücklicherweise nur einmal im Jahr und in der Klinik ist dann, vorsichtig ausgedrückt, der Teufel los. Roman war mit einigen aus der Mannschaft in meinem Haus zu Besuch und kümmerte sich liebevoll, um seinen kleinen Bruder, den er sehr liebte. Marcel war auch dabei. Er hatte sich angeboten, da er ja einige Zeit hier gelebt hatte, kannte er das Haus am besten und ich hatte nur seine Regeln für dieses Gebäude übernommen.

Alles was ich Marco erlaubte war der Gang ins Badezimmer oder in sein Bett. Noch schlief er nicht bei mir im Zimmer. Aber ich war in Rufweite und so hatte er das schönste Gästezimmer bekommen, das ich aufbieten konnte. Marco hasste es, nicht wirklich baden oder Duschen zu können. Aber da musste er jetzt durch.

Ich erklärte Marco gerade, das ich morgen Bereitschaftsdienst habe und was dies genau bedeute. Er nickte sanft.

„Ist gut. Aber bitte pass auf dich auf."

„Das werde ich, Engel. Keine Sorge. Es geht nur darum, für den Notfall genügend Personal stellen zu können. Halloween ist beispielsweise einer der Tage im Jahr, an dem viele Unfälle passieren, deswegen mag ich den Tag auch nicht. Aber ich war nur für den absoluten Notstand eingetragen."

„Was bedeutet das genau?"

Ich überlegte kurz und hatte die passende Erklärung gefunden.

„Also gut. Ich weiß, dieses Szenario ist absolut unwahrscheinlich, aber an diesem Beispiel kann ich dir den Notstand erklären", begann ich und Marco nickte.

„Alles klar."

„Sehr gut. Also folgendes Beispiel: Stell dir den Signal Iduna Park vor bis du es bildlich vor dem Geistigen Auge siehst."

Er nickte wieder und gab mir so zu verstehen, das dies nun der Fall sei.

„Da passen 81.360 Besucher hinein und erst dann ist es ausverkauft", vertiefte ich diese Vorstellung.

„Ja, ich war schon darin", erklärte Marco und ich nickte.

„Jetzt stell dir vor dort, während es ausverkauft ist, bricht eine Massenpanik aus. Du kannst dir sicher denken, das sich dann viele Besucher verletzten. Von harmlosen Blessuren bis hin zu lebensgefährlichen Verletzungen."

„Allerdings, aber was hat das mit einem Notstand zu tun?"

„Okay, dazu komme ich jetzt. Sobald die Rettungskräfte vor Ort sind, werden die Verletzten je nach Schwere ihrer Blessuren auf die umliegenden Kliniken verteilt. Das Knappschaftskrankenhaus, in dem ich arbeite, hat nicht nur ein Zentrum für Sportverletzungen. Sondern auch Zentren für Schlaganfälle, Herzleiden oder Krebserkrankungen. Auch ein Kinderkrebszentrum gibt es. Nun ist es so, das jedes Zentrum für sich genommen, ausreichend Personal hat, um drei Schichten gewährleisten zu können. Frühschicht. Spätschicht und die Nachtschicht."

„So weit habe ich es verstanden."

Zufrieden fuhr ich fort.

„Um einem Notstand, wie einer Massenpanik in einem Fußballstadion, begegnen zu können, wird in einem solchen Extremfall das gesamte Personal der Klinik zum Dienst gerufen, um möglichst vielen helfen zu können. Genau das ist dann der Notstand. Ich bin schon länger in der Klinik tätig, aber noch nie gab es einen Notstand. Deshalb bin ich zuversichtlich, das auch alles im Rahmen bleibt und ich nicht doch noch mit dem Rettungswagen oder in der Klinik die Notfallchirurgie ausüben muss. Ich bin eine von nur vier Notfallchirurgen der Klinik."

Marco sah mich aufmerksam an.

„Das Beispiel war gut. Fast schon zu gut. Da kriege ich eine Gänsehaut."

Ich lächelte und wir schmusten noch eine Weile, ehe wir uns in unsere Betten verzogen.

AT: Marco Bürki zu Instagram Roman BürkiWhere stories live. Discover now